Bei den Sicherungsmaßnahmen kritisierte sie, dass „einige untergebrachte Personen über mehrere Monate bzw. Jahre durchgehend von der Gemeinschaft abgesondert wurden und werden.“ Es gebe Zweifel, ob die Dauer einer so langen Isolierung verhältnismäßig sei. Unzureichende soziale Kontakte durch Isolierung können sich negativ auf die Psyche auswirken. Der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter (CPT) betone, dass Isolationshaft „eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellen kann.“ Absonderungen müssten also so kurz wie möglich sein. Die Delegation forderte „regelmäßige, menschliche Kontakte“ und ausreichend Kapazität von Psychologen und Ärzten für die Betreuung.
Bei der Isolations-Dauer werde auf die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben geachtet, entgegnete Minister Limbach unter Bezug auf JVA-Leiter Thomas König. Als besondere Sicherungsmaßnahme lasse das Strafvollzugsgesetz die Trennung von anderen Gefangenen zu. Über 24 Stunden hinaus sei das nur zulässig, wenn es zur Abwehr einer Gefahr unerlässlich ist. Der medizinische Dienst suche Gefangene in besonders gesicherten Hafträumen möglichst täglich auf, auch der psychologische Dienst bei Bedarf. Einzelfälle könnten eine längere Isolation rechtfertigen. Bei über 30 Tagen Gesamtdauer im Jahr bedürfe es aber der Zustimmung des Ministeriums.
Gefangene und Sicherungsverwahrte in besonders gesicherten Hafträumen würden ausnahmslos 24 Stunden täglich eingeschlossen, teilweise über Tage und Wochen, kritisiert die Nationale Stelle. Das führe zur vollständigen Isolierung ohne Möglichkeit zur Bewegung im Freien. Dem CPT nach müsse aber Gefangenen ohne Ausnahme – auch bei Strafe in Einzelhaft – „die Möglichkeit der täglichen Bewegung an der frischen Luft gegeben werden“, mindestens eine Stunde. Das dürfe nur beschränkt oder entzogen werden, „wenn dies unerlässlich ist, um das mit der Maßnahme verfolgte Ziel zu erreichen“.
Laut Minister hat die JVA Werl daraufhin veranlasst, dass Insassen aus besonders gesicherten Räumen täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht wird, wenn dies verantwortet werden könne – zum Beispiel bei akuter Selbstverletzungs- oder Suizidgefahr. Das Strafvollzugsgesetz lasse aber den vollständigen Entzug bei Selbst- oder Fremdgefährdung zu.
Ein besonders gesicherter Haftraum im Haus 1 ist 4,7 Quadratmeter groß, inklusive Sanitärbereich. Der Raum im Keller hat kein Fenster, es gibt kein Tageslicht. 2022 waren bis Ende Juli 39 Gefangene dort untergebracht, bis zu acht Tage, isoliert rund um die Uhr. Die Delegation empfahl aufgrund der Mängel „eindringlich“, keine Gefangenen mehr in jenem Raum unterzubringen.
Dem wird gefolgt, so Minister Limbach. Es sei veranlasst worden, dass Gefangene dort nur noch untergebracht würden, wenn die übrigen besonders gesicherten Hafträume im Strafhaftbereich belegt sind oder die Unterbringung aufgrund der räumlichen Nähe nur in diesem Raum verantwortbar ist. „Im Hinblick auf die Größe des Raums sowie seiner Lage im Kellergeschoss werde ich gegenüber dem Leiter der JVA nochmals auf die Notwendigkeit einer möglichst kurzzeitigen Belegung des Raums hinweisen“, so der Minister.
In keinem der besonders gesicherten Hafträume der JVA Werl gab es Sitzmöglichkeiten in üblicher Sitzhöhe, lediglich Matratzen auf dem Boden, bemängelte die Kommission.
Bei einer Unterbringungsdauer von mehreren Stunden oder Tagen ist ein Verweilen im Stehen oder am Boden sitzend menschenunwürdig.
Aber: „Bei einer Unterbringungsdauer von mehreren Stunden oder Tagen ist ein Verweilen im Stehen oder am Boden sitzend menschenunwürdig“. In anderen Einrichtungen gebe es Sitzgelegenheiten aus Schaumstoff, auch robuste Möbel ohne scharfe Kanten böten selbst bei Eigen- oder Fremdgefährdung eine angemessene Gestaltung an. Es brauche eine Lösung für normales Sitzen.
Auch da will Limbach Abhilfe schaffen: In einer JVA des Landes würden Sitzwürfel als Standardausstattung im besonders gesicherten Haftraum erprobt. Die Erfahrungen bleiben aber abzuwarten.
Die besonders gesicherten Hafträume im Haus 1 sowie im Haus 3 befinden sich im Kellergeschoss, ohne Fenster und Tageslicht. Dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter zufolge sollen aber Hafträume zur Einzelhaft die gleichen Mindeststandards erfüllen wie die zur Unterbringung anderer Gefangener. „Dazu gehört Zugang zu Tageslicht“. Ein natürlicher Lichteinfall müsse in allen besonders gesicherten Hafträumen gewährleistet sein.
Dazu teilt der Minister mit: Die JVA Werl sei bemüht, das „im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen“. Das gilt auch für fehlende Uhren zur zeitlichen Orientierung.
Bedienstete schilderten der Delegation, dass bei der Aufnahme immer eine Durchsuchung mit vollständiger Entkleidung erfolgt. Diese Durchsuchung samt Inaugenscheinnahme des Schambereichs stelle aber laut Bundesverfassungsgericht einen „schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht“ dar, heißt es im Besuchsprotokoll. Routinemäßig sei das nicht zulässig, vielmehr stets eine Einzelfallentscheidung nötig, ob die Durchsuchung mit Entkleidung nötig ist. Wenn ja, solle eine die Intimsphäre schonende Praxis in zwei Phasen stattfinden, bei der jeweils eine Körperhälfte bedeckt bleibt, schlägt die „Nationale Stelle“ vor.
Das aber sei so einfach nicht, entgegnet der Justizminister. Limbach geht nicht davon aus, dass eine Einzelfallprüfung bei der Aufnahme generell ausbleibt. Gegen eine Durchsuchung in zwei Phasen habe das Ministerium aber Sicherheitsbedenken. Die körperliche Durchsuchung diene dem Finden von Kleinstteilen (Drogen, Nachrichten). Die Gefahr, dass ein Gefangener einen Gegenstand auf die jeweils bedeckte Körperregion verschiebt, sei „zu groß“.
Die Delegation äußerte sich auch zu Kameras in besonders gesicherten Haft- sowie Schlichtungsräumen. Die Unterbringung in einem Raum mit permanenter Kameraüberwachung greife erheblich in die Privat- und Intimsphäre ein, sei daher an enge Voraussetzungen gebunden, zum Beispiel die Intimsphäre „durch Verpixelung des Toilettenbereichs zu wahren“. Es gebe Systeme, die eine Verpixelung des Intimbereichs ermöglichen, eine Sichtbarkeit des Oberkörpers jedoch zulassen. Pixel können sich bei langem Aufenthalt automatisch auflösen oder manuell ausgeschaltet werden zum Erkennen von Suizidversuchen oder Selbstverletzungen. Eine Kamera solle so angebracht sein, dass der Toilettenbereich nicht oder nur verpixelt auf dem Monitor abgebildet wird. Lediglich bei Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum aufgrund akuter Selbstverletzungs- oder Suizidgefahr sei eine Überwachung ohne Einschränkung denkbar.
Laut Minister Limbach wird die Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum samt Kameraüberwachung nur in Ausnahmefällen angeordnet. „In diesen Fällen ist jedoch die Überwachung des gesamten Raums inklusive Toilettenbereich notwendig, um Leben und Gesundheit der Gefangenen effektiv zu schützen und gegebenenfalls rechtzeitig eingreifen zu können.“ Eine Unkenntlichmachung von Teilbereichen würde dem Sinn der Unterbringung „nicht ausreichend Rechnung tragen“.
Nach geltender Erlasslage soll aber bei den übrigen Kameras in Sehlichtzellen, Arrestzellen oder Hafträumen „grundsätzlich eine Teilverpixelung der Sanitärbereiche zur Wahrung der Intimsphäre der Gefangenen eingerichtet werden“. JVA-Leiter König habe mitgeteilt, dass in sämtlichen sonstigen Räumen, die mit Videotechnik überwacht würden, „die Möglichkeit der Verpixelung des Toilettenbereichs eingerichtet werde“, so der Justizminister.
Die „Nationale Stelle“ nahm auch Stellung zu Maßnahmen der JVA in der Corona-Pandemie. Zwei Lockdowns seien über die gesamte Anstalt verhängt worden, 2021 und 2022. Der erste habe auf Vorgaben des Gesundheitsamts basiert, der zweite nicht. Neben einem 45-minütigen Hofgang und Duschen seien die Insassen 23 Stunden eingeschlossen gewesen.
Die Notwendigkeit der zweiten Kollektivquarantäne sei „fraglich“. Es erschließe sich nicht, warum alle einem 23-stündigen Einschluss unterzogen wurden, „anstatt an Corona erkrankte Personen in gesonderten Flügeln oder Häusern unterzubringen“. Das habe für Belastungen gesorgt. „Insbesondere die Einschränkung der täglichen Bewegungsmöglichkeit an der frischen Luft auf die Dauer von 45 Minuten ist aus Sicht der Nationalen Stelle nicht annehmbar.“ Kollektivquarantäne sei grundsätzlich zu vermeiden, „menschenrechtlich gebotene Mindeststandards wie die Garantie von täglich einer Stunde Aufenthalt im Freien zu gewährleisten“.
Die Durchführung der Freistunde sei durch die Einteilung in feste, verkleinerte Gruppen gewährleistet, aber wegen der dadurch höheren Zahl der Gruppen auf 45 Minuten reduziert worden, sagt dazu der Minister. Die Maßnahmen seien erst ergriffen worden, nachdem mildere Mittel beim raschen Anstieg der Infektionsfälle auf 84 am 14. März nicht zur Virus-Eindämmung geführt hatten – und „ausnahmsweise vertretbar“ gewesen.