Unfall am Bahnübergang: Handwerker verteidigt Reparaturkosten für kaputte Kutsche

Fünf Jahre nach dem Unfall am Bahnübergang Tiggesloh steht eine Entscheidung im Zivilprozess kurz bevor.
Werl – Kostet eine vernünftige Zweispännerleine 257 Euro oder ist sie auch schon für 126 Euro zu haben? Und wie viel Geld muss man bei der Reparatur einer Kutsche für eine neue Deichsel hinlegen? Mit solchen Detailfragen beschäftigte sich am Montag der Werler Amtsgerichtsdirektor Frank Daniel Seidel beim Fortsetzungstermin im Zivilprozess um den Unfall am Bahnübergang Tiggesloh.
Dieser liegt fast fünf Jahre zurück. Franz Neuhaus war am 3. Juni 2018 in Begleitung zweier Freunde mit seinem Pferdegespann über den Bahnübergang nördlich von Holtum gefahren, der damals mit einer Anrufschranke gesichert war.
Die Schranke stand laut Neuhaus offen. Dabei hätte sie eigentlich geschlossen sein müssen, bis jemand über die Sprechanlage das Öffnen verlangt. Als sich die Kutsche auf dem Übergang befand, habe sich die Schranke rasch gesenkt. Die Pferde gingen durch. Die Kutsche landete im Graben. Die Passagiere kamen mit blauen Flecken davon.
900 Euro Differenz
Neuhaus zahlte etwa 2400 Euro für die Reparatur seiner historischen Kutsche und verklagte die Deutsche Bahn auf Schadensersatz. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hält die Reparaturkosten aber für zu hoch. Von den Nettokosten in Höhe von gut 2000 Euro brachte er gut 900 Euro in Abzug.
Am weitesten liegen der Sachverständige und der Kutschenbauer, der am Montag als Zeuge vor Gericht geladen war, bei den Arbeitskosten auseinander. Der Gutachter setzte für Schweißen und Richten 100 Euro an, der Kutschbauer aus Hamm rund 500 Euro. Er habe insgesamt immerhin zehn Stunden Arbeit investiert, für Demontage der defekten Teile, das Bestellen und Montieren der Neuteile und die Anfahrt.
Aber auch bei der Art und Weise der Reparatur gingen die Einschätzungen von Gutachter und Praktiker auseinander. Bei der verbogenen Spielwaage hätte laut Gutachter statt einer Neuanschaffung das Richten und Schweißen gereicht. Doch der Kutschenbauer sieht das anders: „Das war ein Gussteil. Da soll er mir mal zeigen, wie er das schweißen will. Das wird nicht halten.“
„Fiat“ unter den Ersatzteilen
Ähnlich kommentierte der Handwerker die Preiseinschätzung des Gutachters von 200 Euro für eine neue Zweispännerdeichsel“. Schließlich benötige man dafür ein ordentliches Hartholz: „Da können sie nicht einfach nur so einen Zahnstocher nehmen.“ Der würde bei größerer Belastung schnell brechen und das könne bei einer Ausfahrt im Fiasko enden.
Der Kutschenbauer kalkulierte mit 366 Euro. Auch bei Leine und Brustblättern, die beim Unfall gerissen sind, liegen Gutachter und Handwerker weit auseinander. Dabei habe er nicht zum „Mercedes“ unter den Leinen gegriffen, sondern eher zum „Fiat“ versicherte der Kutschenbauer.
Wie hoch der Schaden tatsächlich einzuschätzen ist und ob die Bahn überhaupt Schadensersatz zahlen muss, diese Entscheidung will das Gericht nun in Kürze fällen. Ein Vergleichsversuch scheiterte im Vorfeld. Die Anwältin der Bahn hat die Abweisung der Klage beantragt.