„Boomzeiten“ seien derzeit nicht an der Tagesordnung, so auch Peter Titgemeyer, Prokurist und Leitung Immobilien bei der Volksbank Hellweg eG. „Ein Boom zeichnet sich ja ganz allgemein durch außergewöhnliche Entwicklungen bis zu einem Spitzenwert ab – und man erkennt ihn meistens erst richtig, wenn er vorbei ist“, ordnet er zunächst den Begriff ein. Und die Tendenz sei nicht neu: „Ein solcher, möglicher Verlauf im Sinne irgendwann fallender Nachfrage nach Immobilien zeichnete sich aber auch bereits letztes Jahr ab.
Einer der Gründe für das nachlassende Interesse ist natürlich die Entwicklung der Hypothekenzinsen, die sich innerhalb weniger Monate fast verdreifacht haben. Titgemeyer: „Denn auch wenn Zinsen so niedrig wie nie, allerdings auch schon in 2021 leicht gestiegen waren – so gaben diverse andere Faktoren bereits vor, dass das Paket teurer und es für einzelne Nachfrager finanziell schwieriger wird.“ Als Beispiele nennt er zeitliche Unsicherheiten bei der Handwerker-- und Gewerksplanung im Neubau (massiver Nachfrageüberhang bei Bauherren nach Leistungen), anziehende Materialpreise (zum Beispiel durch Corona-bedingte Ausfuhrprobleme weltweit) und steigende Personalkosten: „Teurer werdende Neubauten, Verlagerungen von Nachfrage nach Eigenheimen auch auf das Land, staatliche Förderungen von Sanierungen, deutlich gestiegene Homeofficelösungen während Corona hatten zuvor auch Bestandsimmobilien teurer gemacht.“
In diesem Jahr seien dann die bekannten, weltweiten Krisenthemen hinzugekommen: der Krieg in der Ukraine oder die Null-Covid-Strategie in China, bundesweit gestrichene Förderungen durch die neue Regierung „in nicht angenommenen Maße“ und damit Verzögerungen oder gar Streichungen von Neubauprojekten sowie teuerer werdende Sanierungen.
Denn gerade ältere Gebäude haben das Potenzial sich zum „Ladenhüter“ zu entwickeln. Grüne: „Die Kosten für eine notwendige energetische Sanierung können horrende Ausmaße annehmen, und es ist ja immer noch nicht abzusehen, wohin die Reise noch geht.“
„Nach vorne geblickt erleben wir im persönlichen Gespräch Ängste bezüglich steigender Kosten insbesondere im Energiebereich, aber auch bei anderen Dingen“, so der Experte weiter. „Hieraus könnte man dann auch eine insgesamt gedämpfte Nachfrage im Allgemeinen ableiten, Investitionen werden insbesondere im privaten Bereich mindestens auf später verschoben oder ganz gestrichen – das betrifft dann auch Immobilien.“
Doch das sei Klagen auf hohem Niveau, fährt Titgemeyer fort: „Denn wir kommen von einem sehr hohen Niveau. Immobilien werden immer noch nachgefragt, wenn auch deutlich geringer. Kommen Immobilien in den Verkauf, werden diese in der Regel auch abgesetzt. Wichtig dabei ist: Das Paket von Ankaufspreis und Leistung muss stimmen – persönliche Ansprechpartner und insbesondere energieeffiziente Ausstattungen sind daher wichtiger denn je.“
Die Preise seien noch nicht auf breiter Front weggebrochen, müssten aber gegebenenfalls im Einzelnen der Leistungsfähigkeit der Immobilie angepasst werden. „Reine Verfügbarkeit ist nicht mehr bei jeder Immobilie das entscheidende Kriterium. Aber auch das gibt es noch, denn es gibt gerade für Familien nur eine kleine passende, bezahlbare Auswahl – das hat sich nicht geändert. Und meine persönliche Einschätzung: Rein emotional sind Eigentum und Sicherheit mit einer eigenen Immobilie bei sehr vielen Menschen hier immer noch ein großes Lebensziel – ich würde sagen, durch Corona mehr denn je.“
Als Opportunität müsse man auch immer ein steigendes Mietniveau sehen – ginge es hier weiter aufwärts, würde mittelfristig in Verbindung mit einem Mix aus möglicherweise weiteren Gehaltssteigerungen, sinkender Nachfrage und besserer Verfügbarkeit am Handwerkermarkt und wenigstens leicht fallenden Materialkosten auch der Neubau wieder interessanter – auch das könne ein Szenario sein.
„Wir erleben auch ein solides Kreditgeschäft“, so Titgemeyers Erfahrung in der Volksbank. „Wir sind mit unserer persönlichen Beratung und digitalen Angeboten im ersten Halbjahr enorm angefragt worden, was uns sehr freut.“ Gründe hierfür sieht er im Nachlassen staatlicher Förderungen und gestiegenen Zinsen, Interesse am „individuell gesunden Mix aus Eigen- und Fremdkapital. Eine ebenso individuelle Betrachtung der Haushaltsrechnungen und Kapitaldienste unserer Kunden machen die umfängliche Beratung aber umso notwendiger und wertvoller – denn es muss in allen Szenarien wenigstens gangbare Lösungen geben, die man am Anfang bedacht haben sollte. Schließlich soll ja gut überlegt sein, wie man die nächsten 30 Jahre für sein Eigentum lebt.“
Prognosen mag er derzeit nicht aufstellen: „In ein paar Monaten können wir einiges schon deutlich klarer sehen, so meine Einschätzung. Es gibt derzeit unglaublich viele Variablen zu betrachten. Aktuell ist im Fazit der Boom vorbei – aber eben auch nur der Boom.“