Werl – Vier Jahre lang hat Lehmann mit Geschäftsführer-Kollege Martin Tenner und den Mitarbeitern das Unternehmen durch die Widrigkeiten des Verfahrens geführt. Anfangs hatten beide die Hoffnung, dass dies nach wenigen Monaten beendet seien wird. Doch Corona und Versorgungsengpässe auf dem Stahlmarkt machten den Prozess zu einer „großen Herausforderung“. Und juristische Verfahren brauchen in Deutschland ihre Zeit.
Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Zeit? „Ich glaube, nicht jedes Unternehmen hätte diesen Prozess so durchgestanden. Wir haben hier ein sehr gutes Miteinander und können uns aufeinander verlassen“, sagt Jörg Lehmann. „Alle Mitarbeiter, Lieferanten und vor allem die Kunden haben zu uns gehalten und uns unterstützt, damit wir erfolgreich am Markt agieren konnten“, lobt er das „große Vertrauen“, das Martin Tenner und ihm entgegengebracht worden sei.
Der plötzliche Ausfall eines Kundenauftrags in siebenstelliger Höhe habe das Unternehmen 2018 hart getroffen, erinnert sich Lehmann. Dabei sei Hermanussen gerade auf einem guten Weg gewesen, weckte mit den neu entwickelten und patentierten Lärmschutzwänden sogar das Interesse des damaligen NRW-Verkehrsministers und heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst.
Das Insolvenzverfahren sei ja auch nur deshalb in Eigenverantwortung möglich gewesen, weil dem Unternehmen zugetraut wurde, eigenständig aus der Situation herauszukommen. „Es gab zwar einen Gläubiger-Ausschuss, der uns kontrolliert hat. Aber im Prinzip blieben wir Herr im eigenen Haus“, sagt Lehmann. Die Umsätze seien trotz der schwierigen Umstände kontinuierlich gesteigert worden, die Ergebnisse seien gut gewesen. „Wir waren nie tot!“
Neben dem traditionellen Standbein, den Luftkanal- und Verstärkungsprofilen, setzt Hermanussen vor allem bei den Lärmschutzwänden auf Wachstum. So würden aktuell Lärmschutzwände für 30 Bauvorhaben an Autobahnen produziert. „Lärm wird ein zunehmendes Problem. Mittlerweile beliefern wir neben den führenden Bauunternehmen auch viele Privatleute, die sich mit modernen Lärmschutz-Systemen schützen möchten“, sagt Tenner.
Die mit Steinwolle gefüllten Hermanussen-Lärmschutzwände zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass die rollgeformten Alu-Profile in der Herstellung weniger Energie und damit auch weniger Geld kosteten als stranggepresste, erläutert Lehmann. Außerdem sei der Einbau vor Ort einfacher und deshalb weniger zeitaufwändig als bei Konkurrenzprodukten. Hermanussen sei zudem in der Lage, großflächige Elemente von vier mal sechs Metern herzustellen.
Das Insolvenzverfahren habe man genutzt, um Prozesse im Unternehmen zu straffen und zu digitalisieren, sagt Lehmann. Nun stehen die Zeichen auf Wachstum: Hermanussen habe zuletzt sechs neue Mitarbeiter und zwei Auszubildende eingestellt und habe mit 40 Angestellten nun mehr als vor Beginn des Verfahrens (35). „Und wir suchen weiter Maschinenführer und Techniker für den Bereich Lärmschutz.“ Auch die Modernisierung der Maschinen sei mittelfristig ein Thema, so Lehmann.
Zurzeit produzieren elf Anlagen rund 15.000 Tonnen Profile im Jahr. Der Vertrieb erfolge weltweit. Die aktuelle Wirtschaftslage berühre natürlich auch das Familienunternehmen, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Sorgen bereite dabei der Blick auf den schwächelnden Bausektor, der die Produktion von Fensterprofilen treffen könnte. Um so wichtiger sei es, dass das Unternehmen inzwischen auf mehreren Standbeinen steht.
Insgesamt blickt Lehmann aber positiv in die Zukunft: Das Unternehmen sei wirtschaftlich stabil und verfüge über eine hohe Eigenkapitalquote. „Die Auftragslage ist gut, der Umsatz stimmt.“
Um den eigenen CO2 -Fußabdruck zu verringern und Energiekosten zu sparen, will Hermanussen zudem die Solarfläche auf seinen Hallendächern verdoppeln. Die Investition von rund 600.000 Euro soll bis Ende des Jahres umgesetzt werden.