Eigentlich, so Thies am Mittwoch auf Anfrage, gehe es im Gesetzgebungsverfahren und in der 30-minütigen Debatte am Donnerstag um eine von der Ampel-Koalition gewollte Erhöhung der Maut für Lkw. Das lehne die Union ab, „weil die Spediteure deutschlandweit durch Dieselkosten und Personalmangel arg gebeutelt sind“, sagt Thies. Da komme eine Anhebung zum „absolut falschen Zeitpunkt“.
Aber CDU/CSU wollen in diesem Zusammenhang auch jene Maut-Problematik von Hilfstransporten behandelt wissen, die damals öffentlich wurde. Die Befreiungstatbestände müssten geändert werden, damit es Vorfälle wie in Werl im Februar nicht mehr gibt. Thies spricht von „Missständen“ und einer „Regelungslücke“.
Der Bundestagsabgeordnete hatte zum Entschließungsantrag den Entwurf ausgearbeitet. „Das ist das erste Mal, dass ich das so unmittelbar im direkten Zusammenhang mit meinem Wahlkreis gemacht habe.“ Daher sei er durchaus auch stolz, dass das Papier in der Berliner Unionsfraktion einhellig auf Zustimmung gestoßen sei. „Wobei man bei gesundem Menschenverstand betrachtet auch kaum Argumente finden dürfte, das abzulehnen“, sagt Thies.
Dennoch steht zu erwarten, dass die Mehrheit der Ampel-Koalition gegen den Vorstoß stimmen wird. Schließlich kennt auch Thies das „reflexartige Verhalten“, dass Anträge aus der Opposition in der Regel keine Zustimmung finden. Kommt es so, sei der demokratische Weg erschöpft – und alles bleibt, wie es ist. „Aber auf die Argumente darf man wirklich gespannt sein“, sagt der Lippetaler. Die Regierungsparteien müssten Farbe bekennen, was ihnen ehrenamtliche Hilfe wert sei.
Um 13.10 Uhr wird die Debatte im Bundestag beginnen, Thies wird allerdings nicht zu den Rednern gehören. Nach dem Antrag der Union soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, in den Ausnahmetatbeständen das Fernstraßenmautgesetz „dahingehend anzupassen, dass auch Fahrzeuge, die von gemeinnützigen oder mildtätigen Organisationen oder privat von ehrenamtlichen Helfern für den Transport von gespendeten Hilfsgütern nicht humanitärer Art, z.B. Baumaterialien, eingesetzt werden, die zur Linderung einer Notlage oder dem wirtschaftlichen Wiederaufbau in von Katastrophen betroffenen Gebieten dienen, von der Maut befreit sind“.
Denn vor dem Hintergrund des Klimawandels würden Extremwetterereignisse wie Dürre, Starkregen und Stürme in Deutschland zunehmen, damit auch Naturkatastrophen wie die Starkregenflut im Juli 2021. Folge: Die Rolle von Katastrophen- und Zivilschutz werde wachsen. „Feuerwehren, Hilfsorganisationen und THW werden von einem starken ehrenamtlichen Engagement getragen“, heißt es in dem Antrag.
Nach Überzeugung der Antragsteller sollte ehrenamtliches Engagement und Spendenbereitschaft nicht mit zusätzlichen Abgaben bestraft werden, daher ist hier dringend eine Ausweitung der Mautbefreiung auf bestimmte Hilfskonvois geboten.
Gerade die Flutkatastrophe im Ahrtal habe gezeigt, dass „Bürger mit einem hohen Maß an Zivilcourage und Solidarität die Betroffenen in der Not unterstützen“. Das müsse unbedingt von Seiten des Staats unterstützt werden. Im folgenden Passus greift die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Vorfall aus der Wallfahrtsstadt explizit auf, spricht von „freiwilligen Helfern in der Stadt Werl“ und was ihnen passiert ist. Eine Mautbefreiung per Ausnahmegenehmigung sei vom FDP-Minister Volker Wissing mit Verweis auf die Rechtslage abgelehnt worden.
Fazit von CDU/CSU: „Nach Überzeugung der Antragsteller sollte ehrenamtliches Engagement und Spendenbereitschaft nicht mit zusätzlichen Abgaben bestraft werden, daher ist hier dringend eine Ausweitung der Mautbefreiung auf bestimmte Hilfskonvois geboten.“
Hans-Jürgen Thies war bereits in der jüngeren Vergangenheit aktiv geworden: Seine Einzelanfrage auf dem Parlamentsweg an die Regierung, ob sie Handlungsbedarf sieht, wurde vor einigen Monaten negativ beantwortet. Daraufhin wählte er den Antragsweg, nahm Kontakt zu der Kollegin in der Unionsfraktion auf, zu deren Berichterstattungsthemen das Bundesfernstraßenmautgesetz gehört. Martina Englhardt-Kopf (CSU) sei sofort bereit gewesen, „das Anliegen der Mautbefreiung zu ihrer Sache zu machen“.
Am Samstag, 19. Februar, sollte von Werl aus ein Konvoi ins Ahrtal fahren. Sechs Sattelzüge voll Hilfsgüter vorwiegend einer Werler Spedition und drei Fahrzeuge der Werler Feuerwehr wollten das nach einem Spendenaufruf kreisweit gespendete Bau- und Elektronikmaterial für den Wiederaufbau ins Ahrtal bringen. Verschiedene Firmen stellten Wagen zur Unterstützung. Ihr Ziel: Dernau. Aber für den Lkw-Konvoi wurde eine Mautgebühr von 700 Euro fällig. Die sollen die Helfer, darunter auch Soester und Geseker, selber zahlen. Sie erhielten kurz vor dem Transport eine Absage des Bundesamts für Güterverkehr (BAG): Der Hilfstransport könne nicht mautbefreit werden, das sei mit dem Bundesverkehrsministerium abgestimmt. Denn nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz sei nur im Katastrophenfall der Transport von Baumaterialien für den wirtschaftlichen Wiederaufbau von der Maut befreit. Im Ahrtal sei der Katastrophenfall aber am 2. Oktober aufgehoben worden. Deshalb seien danach nur noch „humanitäre Hilfsgüter“ mautbefreit – und nicht „sonstige Waren, die dem wirtschaftlichen Wiederaufbau der durch die Flutkatastrophe schwer zerstörten Gebäude dienen“. Die Organisatoren, darunter der Werler Transport-Unternehmer Ralf Dröppelmann, sprachen von einem „Schlag ins Gesicht“ – und schalteten den CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Thies ein, der daraufhin FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kritisierte: „Er verteuert Hilfsgütertransporte ins Ahrtal.“ Es sei unglaublich, dass mit „lapidaren Argumenten“ für Hilfslieferungen von dringend benötigtem Baumaterial keine Mautbefreiung gewährt werde. Versuche von Thies, im Verkehrsministerium zu intervenieren, perlten an Wissings Vorzimmer ab. Der, wetterte der CDU-Mann, agiere „völlig ahnungslos und kassiert bei Hilfstransporten, die noch dazu von der freiwilligen Feuerwehr in deren Freizeit organisiert wurden“. Das zeuge von Instinktlosigkeit der Bundesregierung und sei „ein Tiefschlag für die vielen Spender und ehrenamtlichen Helfer, die die Flutopfer im Ahrtal mit Hilfsgütern versorgen wollen.“