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Patientenflut und Hetze im Netz: Hautärztin zieht die Notbremse

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Von: Gerald Bus

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Judith Caninenberg-Möhring (Mitte) und ihr Team: Monika Kösling, Tanja Neugebauer, Janine Schmidt und Pia Taube (von links). Es fehl Inga Grund.
Judith Caninenberg-Möhring (Mitte) und ihr Team: Monika Kösling, Tanja Neugebauer, Janine Schmidt und Pia Taube (von links). Es fehl Inga Grund. © Thomas Nitsche

Das ging mehr unter die Haut und sorgte für Verletzungen als manche Blessur, mit der Patienten zu ihr kommen: Nach zum Teil wüsten Beschimpfungen von Patienten wegen langer Wartezeiten in der Praxis hat Hautärztin Dr. Judith Caninenberg-Möhring nun die „Notbremse“ gezogen und einen Aufnahmestopp verhängt für Patienten, die nicht aus Werl kommen. Zudem ändert die Praxis in der Walburgisstraße die Sprechzeiten zum Jahresbeginn.

Werl - Das teilt die Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten auf Anfrage mit.

Zuletzt hatte sich der Zustand rund um die Praxis nach einer Flut von Patienten auch von außerhalb zugespitzt. Bis draußen vor die Tür warteten Menschen, die behandelt werden wollten – und sich die Beine in den Bauch standen. „Sie haben sich fast im Flur gestapelt“, sagt die Ärztin. Das hatte Gründe. Denn anders als Praxen aus dem Umland hatte die Werler Hautarztpraxis bislang keinen Aufnahmestopp verhängt – und das hatte Folgen: Auch aus dem Umland kamen etliche Menschen, die Hilfe suchten.

Wir haben es gut gemeint und wollten allen helfen – aber nun geht es einfach nicht mehr.

Dr. Judith Caninenberg-Möhring

Der Flut von Patienten habe die Praxis nicht mehr Herr werden können, sagt Judith Caninenberg-Möhring. „Wir haben es gut gemeint und wollten allen helfen – aber nun geht es einfach nicht mehr.“ Zumal der gute Wille nicht honoriert wurde, im Gegenteil: Durch lange Wartezeiten in der Schlange lagen bei einigen Patienten offenbar die Nerven blank. An der Anmeldung sei es zu Beschimpfungen der Sprechstundenhilfen gekommen. „Die Mitarbeiter waren schockiert, es gab auch Tränen“, berichtet die Medizinerin aus dem Praxisalltag, der so nicht mehr weitergehen konnte.

„Gewaltig nach hinten losgegangen“

Bei verbalen Angriffen vor Ort blieb es nicht: Im Internet verbreitete sich Hetze gegen die Praxis, wurden die langen Wartezeiten beklagt. „Dort wurde geschrieben, man müsse uns vertreiben oder die Praxis anzünden“, schildert die fassungslose Ärztin, die sich in der Pflicht sah, das Team und sich zu schützen vor Überlastung und Angriffen. „Wir haben das einfach nicht mehr geschafft. Wir wollten allen gerecht werden, aber das ist gewaltig nach hinten losgegangen.“

Nach der Zuspitzung reagierte die Praxis also vor einigen Tagen mit dem Aufnahmestopp für Patienten von außerhalb – und schon habe sich die Lage merklich entspannt. Neue Patienten werden nur noch aufgenommen, wenn sie in Werl oder den Werler Dörfern wohnen. Patienten aus dem Umland müssen sich an Praxen in ihren Städten wenden – Aufnahmestopp dort hin oder her. Die Ärztin atmet auf: „Es läuft richtig gut, die Maßnahme greift.“ Die Zahl der Patienten sei wieder zu bewältigen.

Neue Öffnungszeiten

Dabei bleibt es aber nicht. Um die Lage weiter zu entspannen, ändert Judith Caninenberg-Möhring auch die Sprechzeiten ab Januar. Dann gibt es an zwei Tagen offene Sprechstunden, an zwei Tagen werden nur Termine abgearbeitet – wobei von Wartezeiten von drei bis vier Monaten auf Termine wegen des Andrangs auszugehen ist. Akutfälle müssen zur offenen Sprechstunde kommen – und Zeit mitbringen. Mehr als 40 Akutfälle seien an einem Tag nicht leistbar.

Leicht ist der Medizinerin der Einschnitt nicht gefallen. „Es ist schade, wenn Patienten unzufrieden sind, das war keine schöne Zeit.“ Aber klar sei auch, dass die Arbeit aller Belastung zum Trotz auch Spaß machen muss. Daher die Reißleine.

Die Ärztin bittet Patienten, vor dem Besuch auf der Homepage der Praxis (www.hautarztwerl.de) nach den Öffnungszeiten zu schauen. Oft genug erlebe das Team, dass Infos dort oder Aushänge an der Praxistür schlicht ignoriert werden. „Die Menschen lesen einfach nicht, was an der Tür steht.“ Das gilt auch für die Maskenpflicht zum Corona-Schutz. Nicht selten stehen Patienten ohne Maske in den Räumen.

Das sind die Sprechstundenzeiten ab 2023

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