Mitten im Leben mit häuslicher Pflege: eine Pflegende erzählt

24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr - das gilt für die häusliche Pflege. Monika Weis erzählt aus ihrem Alltag.
Werl - Der Pflegestern wurde Anfang September zum 15. Mal von der Konferenz Alter und Pflege des Kreises Soest an pflegende Angehörige vergeben. Monika Weis gehört in diesem Jahr zu denjenigen, die mit ihm ausgezeichnet wurden. Die Westönnerin erzählt von ihrem Alltag mit der häuslichen Pflege. Durch ihr Engagement kann ihre 100-jährige Mutter immer noch mitten im Leben der Familie sein.
„Ich bin nicht nah am Wasser gebaut, aber da wurde mir schon anders“, erzählt sie von der Verleihung. Sie erhielt die Auszeichnung aus den Händen von Landrätin Eva Irrgang und Irmgard Soldat, ehemalige stellvertretende Landrätin und Initiatorin des Pflegesterns. „Es wurde einmal anerkannt, was man macht.“ Nein, jeden Tag dafür gelobt werden, das sei nicht ihre Intention. Aber mal wieder den Blick auf diejenigen richten, die sich Tag für Tag – und oft genug Nacht für Nacht – um ihre gesundheitlich beeinträchtigten Angehörigen kümmern, ist ihr ein Anliegen.
Im Alter von 90 Jahren kam ihre Mutter zum ersten Mal nach einem Sturz ins Krankenhaus. Dort erkrankte sie an einem multiresistenten Keim. Was zur Folge hatte, dass sie drei Wochen isoliert liegen musste. Nach der akuten Erkrankung sollte eine Reha folgen. Allerdings bewertete die Familie den Gesamtzustand ihrer Mutter dort als nicht mehr tragbar, mit Verwirrtheit und immer weiter abbauend. Und bei der älteren Dame kam die Angst. Sie wollte das Bett nicht mehr verlassen. Weshalb man die Notbremse zog. Man traf die Entscheidung, sie nach Westönnen zu holen.
„Die ersten Wochen waren die schlimmsten. Hier haben wir sie mithilfe von Frau Dr. Kölsche wieder aufgepäppelt“, erzählt Weis von der ersten Zeit. „Am Anfang bin ich alle zwei Stunden aufgestanden und habe nach ihr geschaut.“ Noch heute stehe sie nachts öfter auf, um sich kurz einen kontrollierenden Blick zu gönnen.
Ihre Mutter bekam zuerst das Gästezimmer. Was für sie aber auch hieß, ihr Mann und sie hatten keine Gemeinsamkeit mehr. Sie saß oben bei ihrer Mutter, er im Wohnzimmer. Was dann die Entscheidung forcierte, die heute 100-Jährige mitsamt dem Pflegebett einfach mitten ins Familienleben ins Wohnzimmer zu holen. Hier kann ihre Mutter trotz Bettlägerigkeit am sozialen Leben teilhaben. „Ich bin froh, dass ich sie hier habe und sie unter uns ist.“
Die Enkelkinder wuseln herein, die Tochter sagt regelmäßig Hallo. Das Fernsehprogramm wird gemeinsam abgestimmt. Familienfeiern finden einfach am Tisch neben dem Pflegebett statt. Aber Weis weiß auch, dass manche Menschen damit nicht umgehen können. Einige sind weg geblieben.
Für Monika Weis ist der Ausscheidungsorganismus des menschlichen Körpers kein Tabuthema. Denn auch das gehört zur Krankenpflege bei bettlägerigen Patienten. Sie erzählt mit einer Selbstverständlichkeit davon, wie andere vielleicht vom Wetter reden. Aber sie weiß auch, dass viele das Thema nicht an sich heranlassen können.
Auch habe nicht jeder Verständnis, wenn sie nach spätestens zwei Stunden sagt: „Jetzt muss ich aber mal los.“ Wenn sie Einladungen nicht gleich ganz ausschlägt. Selbst wenn sie weiß, dass ihre Tochter nach dem Rechten schaut, treiben sie Verantwortung und Unruhe wieder nach Hause. Feiern im Haus der anderen Tochter in Ruhne sehen für sie so aus, dass sie zur Kaffeetafel anwesend ist. Dann zieht es sie erst wieder nach Hause – um dann wenigstens später noch eine Weile am Grillabend teilnehmen zu können. So zwei Stündchen könne sie gut verantworten „damit kommt Mama klar“.
Mal wieder die Verwandtschaft in Oberfranken besuchen: Das vermisst sie. Der letzte Urlaub war vor elf Jahren. Denn der ist nicht möglich. Einen Tag war sie einmal in Düsseldorf, ihre Tochter vom Flughafen abholen. Sie habe die Atmosphäre aufgesaugt: „Es war wie ein Urlaubstag.“ Durch die Ängste der Mutter ist an eine Tagespflege nicht zu denken.
Manchmal muss sie schlucken, wenn sie Klagen des Pflegepersonals in professionellen Einrichtungen hört. Ohne ihre Leistung schmälern zu wollen, aber „sie gehen nach acht Stunden nach Hause. Wir Pflegenden machen das 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr“, sagt sie, möchte zumindest die Relationen herausstellen. Glücklicherweise habe man guten Kontakt zur Familie gehalten. So komme ihre Verwandtschaft regelmäßig zu Besuch, den sie sehr genießt. „Das sind Highlights, die für eine lange Zeit Kraft geben.“
Ihre Sozialkontakte spielen sich neben den engen Familienbanden sonst auf der Bank vor dem Haus ab, auf der sie gerne sitzt. Ein Pläuschchen mit der Nachbarin ist immer eine willkommene Abwechselung. Aber mit Blick auf die Uhr, damit es nicht zu lange wird. Denn sonst gibt es auch schon mal ein „wo warst du?“ von der Mama, wenn sie sich mit einem Kaffee in der Küche mit jemandem verplaudert hat.
Etwas Erleichterung würde sie sich bei manchen Pflegedienstleistungen wünschen. So musste immer eine Verordnung von der Ärztin für den Pflegedienst ausgestellt werden, wenn ein sogenanntes Dekubitus-Pflaster (Behandlung von Druckgeschwüren bei bettlägerigen Patienten) angelegt werden musste. Was einfach zeitlichen Aufwand bedeutet. Mittlerweile macht sie das selbst. Auch ist der finanzielle Aufwand nicht zu unterschätzen: Diverse selbst zu bezahlende, notwendige Pflegesalben oder Zuzahlungen bei Medikamenten und Verschreibungen für Pflegeprodukte schlagen monatlich erheblich zu Buche. Da würde sie sich noch einmal ein Überdenken des Gesetzgebers für manche Abwicklung in der häuslichen Pflege wünschen.
Fast ein Jahr lang war Monika Weis außer Gefecht gesetzt wegen einer gebrochenen Schulter. „Das war schlimm für mich, diese Abhängigkeit“, sagt sie. Aber man glaube gar nicht, was man mit nur einem Arm trotzdem bewerkstelligen könne, sagt sie schon wieder lachend.
Monika Weis ist eine Frau, von der man sagen würde, dass sie mitten im Leben steht. Dieses hielt aber einige Abzweigungen für sie parat, die so nicht planbar waren. Sie hat schon ihre Großmutter fünf Jahre lang gepflegt. Einige Schicksalsschläge waren zu verkraften. Der Tod ihres Mannes vor einigen Jahren hat ihr den schlimmsten versetzt. Trotzdem hat sie ihre Lebensfreude inmitten ihrer Familie nicht verloren.