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Hitzige Debatte um Wärme-Anschlusszwang: „Wir sollten Häuslebauer nicht gängeln“

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Von: Gerald Bus

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Laut CDU „nicht automatisch die ökologische Variante des Heizens“ und nicht so umweltfreundlich wie dargestellt: das Biomasse-Heizkraftwerk im Norden, betrieben von der Steag.
Laut CDU „nicht automatisch die ökologische Variante des Heizens“ und nicht so umweltfreundlich wie dargestellt: das Biomasse-Heizkraftwerk im Norden, betrieben von der Steag. © Maaß, Dominik

Es ging um die Wärmeversorgung im Neubaugebiet im Norden. Passend dazu gab es eine hitzige Diskussion im Planungsausschuss – aber die Politiker wurden nicht warm miteinander.

Werl - Im Gegenteil: Die Mehrheit stellte den Grünen-Antrag auf Zwangs-Anschluss des Baugebiets Werl-Nord III an das Nahwärmenetz des Biomasseheizkraftwerks kalt. Zuvor aber ließen alle Politiker Dampf ab. Als „Chance in schwierigen Zeiten“ hatte Uwe Jansen (Grüne) den Antrag seiner Fraktion angepriesen. Die von den Stadtwerken geprüften, aber als unwirtschaftlich verworfenen Alternativen zu Wärmepumpen hätten das Nahwärmenetz der Steag mit dem nahe liegenden Biomasse-Heizkraftwerk außer Acht gelassen, kritisierte Jansen. Dabei habe die Steag ihm gegenüber durchaus Interesse daran bekundet.

Grüne: Anschluss aller wäre nötig

Der Anschluss sei trotz des geringen Wärmebedarfs von Neubauten „attraktiv für Nutzer“ – aber dazu bedürfe es eben des Anschlusses aller Bauherren, was zum „unschönen Wort“ des „Anschlusszwangs“ führe, wie Jansen einräumte. Wenn Einzelne ausscheren würden, sei das Angebot hingegen unattraktiv.

Jansen warb dafür, dass so das Wohngebiet sofort mit erneuerbarer, klimaneutraler Energie versorgt werden könne, während der Strom für Wärmepumpen, die die Stadtwerke vorgeschlagen hatten, zum Teil noch aus fossilen Quellen bezogen werde. Das alles möge die Stadt bei der Planung bedenken, forderte der Grüne.

Bürgermeister warnt

Wenn man das planungsrechtlich berücksichtigen wolle, müsse die Stadt wieder ganz von vorne anfangen, warnte Bürgermeister Torben Höbrink. Der Bebauungsplan besitze aber schon Satzungscharakter. Und außerdem: Die Grundstücke gehören der Stadt. „Warum also sollten wir das mit dem Malus eines Anschlusszwangs belegen?“ Das, warnte der Bürgermeister, würde die Stadt schädigen und den Stadtwerken nicht zum Vorteil gereichen.

Ich würde nicht vorweg festlegen wollen, was die Leute da machen.

Torben Höbrink, Bürgermeister

Folge die Politik dem Ansinnen der Grünen auf privatrechtlicher Schiene, bedeute das zugleich eine Wertminderung der Grundstücke. „Daher würde ich nicht vorweg festlegen wollen, was die Leute da machen.“ Die Stadt solle den Bauherren die Wahl der technischen Möglichkeiten nicht vorschreiben. Über privatrechtliche Vertragsmöglichkeiten könne der Planungsausschuss aber auch gar nicht beschließen.

Grüne: „keine attraktivere Anschlussmöglichkeit als diese“

Jansen gab aber nicht auf. Fernwärme aus Biomasse sei kein Malus, sondern „eher ein Vorteil und nur für Eigenbrötler ein Nachteil“. Es gebe „keine attraktivere Anschlussmöglichkeit als diese“ für 16 000 bis 20 000 Euro. Aber auch Höbrink legte nach: Abhängigkeit in jeder Form sei ein Nachteil. Der Grünen-Vorschlag mache die Häuslebauer aber abhängig: vom Anbieter Steag.

Bei einer Anschlusspflicht endet für uns der Antrag.

Jens Schmigowski, Bürgergemeinschaft

Es sei gut, sich Gedanken zu machen, sagte Jens Schmigowski (Bürgergemeinschaft). „Aber bei einer Anschlusspflicht endet für uns der Antrag.“ Wenn die Stadt den Bürgern etwas vorschreiben wolle, „dann können wir da nicht mitgehen“. Jansen warf ein: „Wer das nicht möchte, kann ja woanders kaufen“ – was ihm den Zorn anderer Politiker einbrachte. Das sei „respektlos den Bürgern gegenüber, die gerade keinen Bauplatz finden“, sagte Marcel Westervoß (CDU)

CDU: Biomasse-Heizkraftwerk nicht so umweltfreundlich

Die Idee von CO2-Neutralität biete auch andere Lösungen, warf Gerd Petermann (CDU) ein. „Erneuerbarer Strom in Werl kostet nicht wesentlich mehr.“ Vor allem aber sei das Biomassen-Heizkraftwerk nicht so umweltfreundlich, wie es dargestellt werde. Dort werde zum Beispiel auch lackiertes Altholz verbrannt, zudem werde es teilweise mit Öl betrieben. „Das ist nicht automatisch die ökologische Variante des Heizens“, sagte Petermann.

Ein Anschlusszwang ist ein K.O.-Kriterium für uns.

Gerd Petermann, CDU

Und ohnehin habe sich die Steag schon häufiger als abweisend bei Kooperationsfragen erwiesen. Petermanns Fazit: Wenn Bürger ökologisch denken, sei das Ziel mit Solarkraft und Wärmepumpen zu erreichen. „Aber ein Anschlusszwang ist ein K.O.-Kriterium für uns.“

Sascha Quint (SPD) zeigte sich offen für den Grünen-Antrag, bezeichnete die Idee als „grundsätzlich gut“. Energieautark zu werden sei das Ziel. Allerdings wolle die SPD den Bebauungsplan nicht kippen. Da seine Fraktion bei dem Thema nicht einer Meinung sei, schlug Quint einen Prüfauftrag aller Möglichkeiten vor, „damit vergeben wir uns ja nichts.“ Später kündigte Quint an, dass seine Fraktion sich enthalten wolle bei der Abstimmung.

Marcel Westervoß (CDU) warb dafür, die Stadtwerke zu unterstützen, die Wertschöpfung dort zu belassen und nicht an andere Unternehmen zu geben. In Werl gebe es schon überdurchschnittlich viel regenerative Energie.

Ortslandwirt Stephan Eckey merkte an, dass doch wohl eigentlich die Steag auf die Häuslebauer zukommen und ihnen ein Angebot machen müsse. „Die können gut rechnen. Ich denke, da müsste mehr Output kommen.“

Auch Gerd Petermann (CDU) sah das Schweigen der Steag im Verfahren kritisch. „Sie hätten sich melden können, haben das aber nicht gemacht“ – und das, wo über das Baugebiet im Norden schon seit Jahren geredet werde. Außerdem hätten moderne Häuser fast einen Null-Energie-Verbrauch. „Dafür müssen wir die Häuslebauer nicht gängeln und an einen Privaten binden, der sich nicht mal gemeldet hat.“

Verwaltung korrigiert Grünen-Fehler

Jansen ließ bis zu Schluss nicht locker. Der Grüne warf der Verwaltung Fehler vor, „die Planung ist nicht ordentlich gelaufen“. Die Steag hätte im Bebauungsplanverfahren als Träger öffentlicher Belange gehört werden müssen, unterstellte Jansen. Diese Aussage brandmarkte Stadtplaner Ludger Pöpsel aber energisch als „falsch“. Die Steag sei als Privatunternehmen eben kein Träger öffentlicher Belange. „Die mussten wir nicht beteiligen.“

Die Stadtwerke seien sogar auf die Steag zugegangen, merkte Bürgermeister Höbrink abschließend an. Dabei habe das Unternehmen aber ein „unwirtschaftliches Angebot“ abgegeben.

Mich stört, dass der Wettbewerb ausgeschaltet würde.

Klaus Eifler, Ausschussvorsitzender

Der Ausschussvorsitzende Klaus Eifler meldete zudem Bedenken an: „Mich stört, dass der Wettbewerb ausgeschaltet würde.“ Bürger sollten frei entscheiden können. „Und wer weiß, ob es nicht in ein paar Jahren ein günstigeres Angebot als bei der Steag gibt?“ Einen solchen Vertrag würde er nicht machen wollen, sagte Eifler.

Der Ausschuss schob all dem aber sowieso einen Riegel vor und lehnte den Grünen-Antrag ab. Nur zwei Grüne stimmten dafür, Grünen-Ratsherr Reinhard Scheer enthielt sich ebenso wie die SPD.

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