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Junge Frau aus Werl leidet unter großer Oberweite - Krankenkasse zahlt nicht

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Von: Klaus Bunte

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Michelle Ruhncke
Michelle Ruhncke leidet unter ihren zu großen Brüsten. © Monika Ruhncke

Michelle Ruhncke aus Werl leidet unter ihrer großen Oberweite - physisch und psychisch. Um dies zu ändern, muss sie viel Geld in die Hand nehmen. Die Krankenkasse zahlt nicht.

Werl - Sie gilt als Schönheitsideal, viele Frauen träumen davon, nehmen mitunter viel Geld in die Hand, um sich diesen Traum zu erfüllen: die große Oberweite. Vielleicht sollten sie sich vorher einmal mit Michelle Ruhncke unterhalten. Die junge Werlerin hat nie um dieses äußere Merkmal gebeten. Es ist für sie kein Traum, sondern ein Albtraum, der ihr seit Jahren physisch und psychisch zusetzt.

Um dies zu ändern, muss sie viel Geld in die Hand nehmen. Geld, das sie nicht besitzt. Denn obwohl sie nachweislich mehrere ärztliche Gutachten vorweisen kann, die ihr ihre Qualen bestätigen und eine Brustverkleinerung dringend empfehlen, weist die Krankenkasse ihren Antrag darauf immer wieder ab. Nun sieht sie sich gezwungen, über einen Spendenaufruf im Internet Geld zu sammeln.

Junge Frau aus Werl leidet unter zu großer Oberweite - Krankenkasse zahlt nicht

„Mein Fluch nennt sich 80J“, fasst die 25-Jährige ihr Problem zusammen. 80, das ist der Unterbrustumfang, das ist in Ordnung, aber J ist die Körbchengröße, danach kommt nur noch K, „und im Laden bekommt man in aller Regel nur BHs bis Größe C oder D. Alles danach findet man nur noch im Internet, die muss man dann dauernd zurückschicken, weil sie nicht passen. Und weil es kaum einen Markt dafür gibt, sind sie auch extrem teuer.“

Und das ist nur das geringste ihrer Probleme. Die begannen bereits in der Pubertät: „Schon mit 15 Jahren hatte ich ein C-Körbchen, habe aber gar nicht so stark drauf geachtet.“ Das änderte sich, als sie im Internet dumme Sprüche auf Fotos, die sie in enger Oberbekleidung zeigten, erntete: „Als Jugendliche und in einer nicht ausgereiften Entwicklungsphase nimmt man sich leider alles schwerer zu Herzen, als man eigentlich sollte, und in diesem Moment wurde mein Selbstbewusstsein für immer beeinträchtigt.“

Sie habe danach angefangen, übergroße Kleidung zu tragen, die ihre Oberweite versteckt, obwohl das gar nicht ihrem eigenen Geschmack entsprochen habe.

Große Oberweite wird zum Albtraum: „Hass auf mich und meinen Körper“

Fünf Jahre später war sie bei Körbchengröße E und „voller Hass auf mich und meinen Körper“. Erstmals reifte der Wunsch nach einer Brustverkleinerung. Sie machte eine Ausbildung zur Verkäuferin, sei jedoch aufgrund ihrer inneren Unsicherheit nicht übernommen worden.

Als sie bei Körbchengröße H angekommen war, „wollte ich dem Ganzen den Kampf ansagen, denn auch wenn ich psychisch all die Jahre darunter gelitten habe, konnte und wollte ich es nicht akzeptieren, auch noch körperlich darunter leiden zu müssen.“

Erster Antrag auf Brustverkleinerung wurde 2018 abgelehnt

Im Juli 2018 stellte sie erstmals einen Antrag auf eine Brustverkleinerung, doch die Kasse lehnte ab. Mit Unterstützung eines Anwalts versuchte sie, den Kampf aufzunehmen gegen die Versicherung. Die schickte sie zur persönlichen Begutachtung zum Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, es blieb bei der Ablehnung „trotz eines deutlichen Leidens, denn die Brust wog zu jenem Zeitpunkt bereits 2,4 Kilogramm, und obwohl ich drei medizinische und ein psychologisches Gutachten vorzuweisen hatte.

Man war der Meinung, dass meine Symptomatik nicht ausreiche, um einen Eingriff an einem gesunden Organ zu rechtfertigen. Außerdem riet man mir, mich einer ausreichend diagnostizierten und ausgeschöpften konservativen Therapie zu unterziehen, um die Voraussetzung für eine Brustverkleinerung als Ultima Ratio gerecht zu werden“. Sprich: Erst einmal Krankengymnastik für Rücken und Schulter und eine dermatologische Behandlung gegen die Hautprobleme. „Absolut unverständlich“, lautete dazu das Urteil ihrer Gynäkologin, „weder zielführend noch sinnvoll. Herausgeworfenes Geld. Solange diese große Brust besteht, werden die Rückenschmerzen und auch der Intertrigo (Entzündungsreaktion der Haut, Anm. d. Red.) bleiben“, schrieb die Fachärztin der Krankenkasse.

Trotz weiterer entsprechender Empfehlungen auch von psychologischen Fachärzten sei Anfang September 2019 ihr Antrag dem Widerspruchsausschuss der Krankenkasse vorgelegt und endgültig abgelehnt worden. Daraufhin reichte sie Klage beim Sozialgericht ein. Nach einjährigem Hin und Her entschied es zu ihren Ungunsten, „das verstehen weder meine Ärzte noch mein persönliches Umfeld. Es ist einfach nur niederschmetternd“.Selbst die Psychologin war der Ansicht, sie diagnostizierte: „Größe und Gewicht der Brüste bestimmen mittlerweile sowohl das körperliche als auch das seelische Befinden der Patientin, schwankend zwischen Selbstabwertung, depressiver Symptomatik, Bewegungseinschränkung und Schmerzen.“

Albtraum zu große Brüste: Weitere Vergrößerung durch Schwangerschaft

Ende November 2020 wurde Michelle Ruhncke schwanger. Damit einhergehend wuchs die Brust weiter, bis auf Größe J. Aufgrund der Größe kann sie ihr Baby auch nicht stillen, „dabei hätte ich es mir so gewünscht.“

Sie hat zwar mittlerweile die Krankenkasse gewechselt und will hier erneut einen Antrag stellen. Doch selber sieht sie keine Aussicht auf Erfolg. „Und mir fehlen allmählich die Kraft und die Geduld, um danach noch weitere Bemühungen da rein zu stecken.“ Deshalb nun also die Crowdfunding-Kampagne. „Die Kosten einer Brustverkleinerung belaufen sich auf zwischen 4000 und 7000 Euro“, weiß sie. Sie geht davon aus, dass sie diese komplett selbst bezahlen muss und hat für den Anfang nur 3000 Euro als Spendenziel eingesetzt, da sie die endgültige Summe noch nicht kennt.

Zumal ihre früheren Gutachten noch aus Zeiten vor der Schwangerschaft stammten, die St.-Barbara-Klinik in Hamm-Heessen empfahl schon Mitte 2018 eine Reduktion von 700 bis 800 Gramm pro Seite dringend. „Ich bin leider nicht mit reichen Eltern gesegnet und leide zusätzlich auch noch seit 2013 an Narkolepsie, weshalb ich nicht mehr in der Lage bin, hart arbeiten zu gehen und mir damit das Geld zusammen zu sparen.“ Vielmehr lebt sie im Moment von Sozialgeld, weshalb das Geld der Kampagne später auch laut Weisung des Jobcenters an eine ihr nahestehende Person ausgezahlt werden muss, damit es nicht als Einkommen zählt.

Junge Frau aus Werl leidet unter zu großer Oberweite - Spenden-Aktion gestartet

Sie hat den Aufruf über verschiedene soziale Medien gestreut, innerhalb der ersten Tage kam bereits ein Drittel des Betrags zusammen: „Ich bin sprachlos, das hätte ich nicht zu träumen gewagt. Denn mir ist bewusst, dass es Menschen mit viel dringenderen Anliegen gibt und der eine oder andere mein Problem vielleicht nicht als schlimm empfindet. Es mag auch sein, dass es Frauen gibt, die sich meine Brust gar wünschen, mich beneiden und sich selbst für eine Vergrößerung unters Messer legen. Aber glaubt mir, ich quäle mich jetzt seit zehn Jahren mit dieser Belastung herum und ich hätte am liebsten gar keine Brust mehr statt meiner jetzigen. Ich will einfach nur noch Erlösung.“

Den Link zum Crowdfunding finden Sie hier.

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