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Gegen den Trend: Nicht nur Pilger suchen bei der Beichte Vergebung

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Von: Ilka Platzek

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Pastor Stephan Mockenhaupt vor dem erst Anfang 2022 fertig gestellten Raum der Beichte in der Basilika.
Pastor Stephan Mockenhaupt vor dem erst Anfang 2022 fertig gestellten Raum der Beichte in der Basilika. © MÜLLER

Während in anderen Gemeinden die Beichte an Wert verliert, sieht es in der Basilika in Werl ganz anders aus. Dort ist Beichte noch immer ein fester Bestandteil. Das liegt auch an anderen Rahmenbedingungen.

Werl – „Sünde“ kommt von „sondern“. Das Wort meint sich absondern, sich entfremden. Im Sinne der katholischen Kirche beschreibt es die Entfernung von Gott, aber auch von sich selbst.

Die Osterzeit ist ein guter Zeitpunkt für Katholiken, Buße zu tun. Einmal im Jahr sind sie dazu verpflichtet, zu beichten. Während viele Seelsorger nicht nur im Kreis Soest bedauern, dass immer weniger Gläubige zur Beichte kommen, ist das Interesse an Vergebung in der Wallfahrtsbasilika ungebrochen. Pastor Stephan Mockenhaupt kann das erklären: „Zum einen sind es Pilger, die bei uns das Beichtgespräch suchen, zum anderen Gläubige aus anderen Gemeinden im Umland, die anonym beichten wollen.“

Anonymität ein großes Thema: Beichte in Werl fast immer möglich

Je kleiner die Gemeinde, desto weniger ist Anonymität möglich. Immer häufiger müssen Gläubige mit dem Seelsorger erst einmal einen Beichttermin vereinbaren, da es keine festen Beichtzeiten mehr gibt. Diesen Schritt scheuen viele. In Werl dagegen können Gläubige an sechs Tagen in der Woche - montags bis samstags jeweils von 9 bis 12 und von 15 bis 18 Uhr beichten.

Die Sünder müssen nur eine Schelle am Beichtstuhl betätigen, und schon kommt einer der drei Priester des Wallfahrtsteams. Dabei haben die Beichtwilligen die Wahl zwischen dem anonymen Beichtstuhl oder dem Beichtraum, in dem sie dem Pfarrer von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen.

Beichten kostet Überwindung: Schlangen vor dem Beichtraum

Mockenhaupt ist seit 18 Jahren Seelsorger und weiß, dass es die Menschen Überwindung kostet, zur Beichte zu gehen. Trotzdem sind die Tage, an denen gebeichtet werden kann, „gut frequentiert“, sagt er und noch nie habe er „so viele Beichten gehört wie hier in Werl.“

Manchmal würden sich sogar kleine Schlangen bilden vor dem Beichtraum, der erst vor gut einem Jahr die alten Beichtgelegenheiten ersetzt hat. Er ist in freundlichem Blau mit Kreuzen und ansonsten schön bunt gestaltet. Mockenhaupt führt gerne Beichtgespräche und nimmt sich Zeit für die Leute: „Sie kommen mit Lebensthemen, die ihnen auf der Seele brennen. Mit Sachen, die in ihrem Leben nicht gut laufen und die sie ändern wollen.“

Beichtkompass: „Erste Hilfe für die Seele“

Was gebeichtet werden sollte, lernen Kommunionkinder rechtzeitig vor der ersten Beichte, die immer noch Pflicht ist. „Orientierung bietet der Beichtkompass, der für Kinder natürlich anders aussieht, als für Erwachsene“, sagt Mockenhaupt.

„Kindern erkläre ich, die Beichte sei erste Hilfe für die Seele oder auch ein Frühjahrsputz für die Seele.“ Kindliche Beichtthemen könnten etwa der Umgang mit Eltern, Geschwistern, Freunden sein, aber auch Lüge und andere Wurzelsünden.“ Mit Wurzelsünden meint Mockenhaupt jene Vergehen, die auch als die sieben Haupt- oder Todsünden bezeichnet werden. (siehe Infokasten)

Die sieben Todsünden

Die sieben Todsünden, auch Hauptsünden oder Wurzelsünden, sind:

. superbia: Überheblichkeit und Stolz

. avaritia: Habgier und Geiz

. luxuria: Wollust und Unkeuschheit

. invidia: Missgunst, Neid und Eifersucht

. gula: Unmäßigkeit und Völlerei

. ira: Zorn und Hass

. acedia: Trägheit und Unlust.

Durch die sündhafte Tat entscheidet sich der Mensch bewusst gegen Gott und stellt sich somit auch gegen seinen Heilsplan. Durch die Beichte wird der Beichtende wieder mit Gott und der Kirche versöhnt und ihm werden seine Sünden vergeben. Auch die sogenannten ewigen Sündenstrafen und die zeitlichen Sündenstrafen können durch die Beichte erlassen werden. Der Beichtende wird so grundlegend mit sich und seiner Umwelt versöhnt und kann aus diesem Geschenk seinem Leben eine neue und bessere Ausrichtung geben

Eigene Fehler erkennen: Themen sind unterschiedlich

Erwachsene, die zur Beichte gehen, müssen zunächst ihr Gewissen erforschen. „Sie müssen auf ihr eigenes Leben schauen und sich fragen, was schlecht läuft und was sie bereuen. Es ist leichter, die Fehler der anderen zu erkennen, als die eigenen“, sagt Mockenhaupt. Themen seien etwa das eigene Verhältnis zu Gott, zur Familie, zu Mitmenschen aber auch die Einhaltung der zehn Gebote.

In der Beichte werden alle Vergehen vergeben“, betont der Beichtvater. „In unserem hellen und freundlichen Beichtraum wird den Leuten nicht der Kopf gewaschen, sondern die Seele rein gewaschen mit dem Sakrament der Versöhnung.“ Gott gibt liebende Nähe und die Gläubigen sind dafür dankbar. Nach der Beichte können sie ihr Leben noch einmal neu in die Hand nehmen.“

Manchmal weiterführende Hilfe nötig: Gewissensforschung

Und wenn sie in alte Muster zurückfallen? Je nach Vergehen müssen sie sich dann weiterführende Hilfe holen. Völlerei etwa gehe in Richtung Sucht, findet der Seelsorger. Und schlechtes Verhalten gegenüber Mitmenschen müsse immer wieder überprüft und korrigiert werden.

„Dazu ist Gewissenserforschung nötig. Man muss aufs eigene Leben schauen, sehen was gut, und was schlecht ist und sich etwas anderes vornehmen. Da beginnt die Veränderung“, erklärt Mockenhaupt.

Damals gab es Auflagen: Heute eher Psalme

„In der heutigen Gesellschaft macht mir Sorge, dass man immer guckt, was jemand nicht gut kann. Dabei sollte man lieber Stärken stärken.“ Mockenhaupt hält sich im Beichtgespräch daran.

In früheren Zeiten waren Beichtväter oft wie Inquisitoren, die die Beichtenden gezielt nach ‚Vergehen’ fragten, etwa Unzucht und ihnen dann Auflagen machten, etwa diverse Ave Marias zu beten. Heute gibt es eher Psalme oder Lieder aus dem Gotteslob, dem Gebet- und Gesangbuch der katholischen Bistümer in Deutschland, mit auf den Weg.

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