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Kampf gegen Leerstand: Kunstmanufaktur schließt, Laden für Hundeleckerlis bleibt

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Von: Dominik Maaß

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Noch bis Weihnachten bietet Mayra List in ihrem Geschäft „MayFactoy“ Kunsthandwerk mit Kunstharz an. Danach will Wirtschaftsförderer Adrian Gruschka das Ladenlokal für Pop-up-Verkäufe oder Aktionen nutzen.
Noch bis Weihnachten bietet Mayra List in ihrem Geschäft „MayFactoy“ Kunsthandwerk mit Kunstharz an. Danach will Wirtschaftsförderer Adrian Gruschka das Ladenlokal für Pop-up-Verkäufe oder Aktionen nutzen. © Dominik Maaß

Nach dem Weihnachtsgeschäft ist Schluss. Mayra List schließt ihre Kunstmanufaktur „MayFactory“ an der Steinerstraße. Beim Start im August 2021 profitierte die 27-Jährige wie einige andere in Werl vom Landesförderprogramm „Stärkung unserer Innenstädte und Zentren“. Die Zwischenbilanz der Teilnehmer fällt gemischt aus.

Werl – Mayra List stellt mit Kunstharz individuelle Kunstwerke her, zum Beispiel kleine Möbel, Frühstücksbrettchen und Schlüsselanhänger. An Nachfrage habe es nicht gemangelt, sagt die Werlerin. Der Umsatz sei nach dem schwierigen Start in der Corona-Zeit stetig gewachsen, sie habe viele positive Rückmeldungen bekommen und Stammkunden gewonnen. Doch die explodierenden Energiekosten machten das Halten des Ladenlokals für sie unwirtschaftlich. Zumal sie die Räume fürs Aushärten des Harzes konstant warm halten müsse.

Für Wirtschaftsförderer Adrian Gruschka macht dies die Geschäftsaufgabe „eigentlich noch schlimmer“. Schließlich wirkten hier Dinge, die niemand beeinflussen könne.

List, die auch in ihrem Hauptberuf als Orthopädietechnikerin mit Epoxidharz zu tun hat, will auf jeden Fall weiter Produkte herstellen und verkaufen. Gruschka brachte den Werler Weihnachtsmarkt ins Spiel: „Wäre doch schön, wenn wir die Geschichte so positiv fortschreiben könnten.“ List will die Erfahrung der vergangenen Monate nicht missen. Sie habe viel Arbeit in das Geschäft investiert: „Natürlich bin ich etwas traurig. Aber wenn ich es nicht probiert hätte, hätte ich mich viel mehr geärgert.“

Lawau

Auch „Lawau“, das Geschäft für Hundeleckerlis am Neuen Markt profitiert von der Starthilfe des Landes. Für Inhaberin Sina Dümpelmann ist schon klar, dass es nach Auslaufen der Förderung weiter geht. „Wir haben den neuen Mietvertrag gerade unterschrieben.“ Erst kürzlich hat Lawau die Öffnungszeiten etwas ausgeweitet. Trotzdem sei der Verkauf im Laden schleppend. „80 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit dem Online-Shop“, sagt Dümpelmann. Das Geschäft sei eher ein Serviceangebot für die Werler. Die seien zwar schwer dazu zu bewegen, das Geschäft zu betreten, kämen aber wieder, wenn sie einmal da waren.

Dümpelmann hat zudem eine Ausbildung zur Hunde-Ernährungsberaterin gemacht. Dieses Angebot nehme beim persönlichen Kontakt inzwischen einen Schwerpunkt ein. Die hohen Energiekosten sind auch für Lawau ein Thema. Schließlich benötigt Dümpelmann für die Produktion Öfen und Dörrautomat und lagert Ware im Tiefkühler. Etwas bang schaut sie deshalb ins kommende Jahr: „Aber Aufgeben gibt es nicht.“ Zumindest hätten ihr die vergangenen Monate gezeigt, dass die Menschen auch in Krisenzeiten nicht beim Hund sparen.

Truvin

„Ziemlich zufrieden“ ist bislang Jana Gollan, die ihr Geschäft für Second-Hand-Mode „Truvin“ im Mai eröffnete. „Es läuft besser, als ich gedacht habe.“ Werbung in sozialen Netzwerken habe ihr viele Stammkunden außerhalb Werls beschert, etwa aus Unna, Soest, Arnsberg Lippstadt, Dortmund und Meschede. Anfangs habe sie etwas Skepsis gegenüber der Vintage-Mode aus zweiter Hand gespürt, sagt Gollan. „Was ich inzwischen schön finde, ist, dass junge Leute ihre Eltern mitbringen und diese danach alleine wiederkommen.“ Anfang des Jahres will sie einen Online-Shop starten. Insgesamt habe sie ein „gutes Gefühl“ und sei motiviert, weiter zu machen.

Postbank-Agentur

Jörg Andree Reinfeldt hat sich im Frühjahr an der Ecke Bahnhofstraße/Walburgisstraße mit einer Finanzberatungsagentur der Postbank niedergelassen. Grundsätzlich sei das Förderprogramm eine „sehr schöne Sache“. Etwas schade sei bei ihm aber die von 24 auf 14 Monate verkürzte Laufzeit. Der erste Versuch der GWS, das Ladenlokal an einen Kiosk zu vermieten, war nach einigen Monaten gescheitert. Reinfeldt würde sich deshalb eine Verlängerung des Programms wünschen. Zumal die Branche der Baufinanzierungen in schweres Fahrwasser geraten sei. Unter diesen Umständen das Büro bei voller Miete zu halten, sei schwierig. Positiv sei auf jeden Fall, dass sein Angebot durch die zentrale Lage des Lokals mehr wahrgenommen wird.

Fireplace

Sascha Blecke vom Kaminofenhersteller Fireplace ist zuversichtlich, dass das Werler Vertriebsbüro auch nach Auslaufen der Förderung an der Walburgisstraße bleibt. Das Büro ist mit einer Ofen-Ausstellung kombiniert. Auch Privatkunden können sich hier informieren und kaufen. Und er hätte viele Öfen verkaufen können, „wenn die Lieferzeiten nicht so ein Problem wären“. Da der Werler zusätzlich im Außendienst arbeitet, sei das Büro nicht immer geöffnet. Aber er bemühe sich darum, häufig vor Ort zu sein.

„Your Six 6“

„Your Six 6“ heißt der Laden mit Artikeln rund um das Thema Sicherheit, den Manfred Meisterjahn im März an der Walburgisstraße eröffnet hat. Das Geschäft sei „gut angelaufen“, so Meisterjahn. Für langfristige Prognosen sei es aber noch zu früh.

Brautmoden-Outlet

„Alles super!“ Zwei Worte reichen Ilona Schöfbänker, um die Lage ihres im Sommer eröffneten Braut- und Abendmoden-Outlets „La Perla“ zu beschreiben. Durch die Messen in Lippstadt, Ahlen und Werl habe sie viele Kunden gewinnen können. Sie sei deshalb überzeugt, dass das Geschäft auch nach der Förderung bestehen bleibe.

Stadt will leeres Ladenlokal für Pop-up-Verkäufe und Aktionen nutzen

Mit Hilfe des Landesprogramms „Stärkung unserer Innenstädte und Zentren“ hat die städtische Wirtschaftsförderung (GWS) leere Ladenlokale für maximal 70 Prozent der letzten Altmiete angemietet und den Zins beim Weitervermieten auf bis zu 20 Prozent der Altmiete gesenkt. 90 Prozent der entstehenden Kosten übernimmt das Land, zehn Prozent trägt die Stadt. Die Mietdauer beträgt maximal zwei Jahre.

Nun zieht zwar Mayra List vorzeitig die Reißleine, nicht aber die GWS. Sie will das Ladenlokal bis April weiter nutzen, sucht nun Interessenten, die dort Aktionen durchführen oder einen Pop-up-Verkauf aufziehen möchten. Dabei handelt es sich um einen zeitlich begrenzten, eher provisorischen Verkauf. Gruschka könnte sich auch Lesungen, Konzert- oder Kinoabende vorstellen. Die GWS habe dies schon länger geplant, bislang habe aber die passende Örtlichkeit gefehlt.

Wer sich eine solche Nutzung vorstellen kann, kann sich an GWS-Mitarbeiterin Nicole Pudwell wenden, Telefon 02922/8007006, E-Mail: nicole. pudwell@gws-werl.de. Die letzten geförderten Mietverträge laufen Ende 2023 aus. Gruschka hofft, dass einige der geförderten Läden danach weiter bestehen können. Und er glaubt, dass das Förderprogramm zumindest bei einigen Vermietern ein Bewusstsein dafür geschaffen hat, dass sie durchaus Mieter gewinnen können, wenn sie ihnen entgegenkommen.

Gruschka wünscht sich zudem, dass das Land noch mal ein ähnliches Programm auflegt. „Die Leerstandsproblematik in den Innenstädten ist ja nicht gelöst“, so der GWS-Chef. Andernfalls sei es auch eine Überlegung wert, dass die Stadt in die Bresche springt. Dann müssten die Vermieter aber einen größeren Beitrag leisten als im aktuellen Programm.

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