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FDP-Verkehrsminister beharrt auf Maut: Post aus Berlin macht Helfer sauer

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Von: Gerald Bus

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Mehrere Lastwagen machten sich am Samstag auf den Weg ins Ahrtal - die Helfer sollen dafür Mautgebühren zahlen.
Mehrere Lastwagen machten sich am 19. Februar von Werl aus auf den Weg ins Ahrtal - die Helfer sollen dafür Mautgebühren zahlen. © Privat

Die Post aus dem Ministerium macht Hans-Jürgen Thies sauer. Das „Antwortschreiben“ von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zur Mautgebühr für einen Hilfskonvoi aus dem Kreis Soest ins flutzerstörte Ahrtal fiel nicht so aus wie erhofft.

Werl/Berlin - In einem Brief an Wissing hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Thies auch im Namen von Mechthild Heil (Wahlkreis Ahrweiler) den Verkehrsminister dringend um Lösungen gebeten, „damit dem Werler Hilfskonvoi die Maut erlassen oder hilfsweise nachträglich erstattet wird.“ Außerdem möge Wissing für künftige, vergleichbare Fälle „eine befriedigende Regelung auf den Weg bringen“.

In der Antwort habe dann aber der Parlamentarische Staatssekretär Oliver Luksic „lediglich die Rechtslage referiert, die nun wirklich keine Neuigkeit ist, und des Weiteren schöne Worte gefunden für den Dank, den Herr Wissing den Helfern vor Ort ausspricht und für seine Bereitschaft, im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten alles zu tun, um der Region beim Wiederaufbau zu helfen“, schreibt Thies.

Da kann man von einem Minister verlangen, dass er mit Weitblick und Einfühlungsvermögen alles tut, um die überwältigende Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung zu fördern, jedenfalls nicht noch zu behindern.

Hans-Jürgen Thies, CDU-Bundestagsabgeordneter

Genau das tue Wissing eben nicht. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hatte erwartet, „dass Wissing angesichts der tatkräftigen Hilfsbereitschaft von Ehrenamtlichen ein Mindestmaß an ministerieller Fantasie und Einsatzfreude entfaltet, um Lösungen zu finden, wie er hier helfen kann“. Der Staat sei schließlich auf das ehrenamtliche Engagement der Bevölkerung angewiesen, sowohl in der Ahrtalkatastrophe, als auch aktuell bei der Unterstützung der Flüchtlinge aus der Ukraine. „Da kann man von einem Minister verlangen“, so Thies, „dass er mit Weitblick und Einfühlungsvermögen alles tut, um die überwältigende Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung zu fördern, jedenfalls nicht noch zu behindern.“ Thies kündigte an, dass er und Heil nun alle parlamentarischen Mittel nutzen werden, „um die Regierung dazu zu bewegen, die Maut auf Hilfstransporte mit Baumaterialien zu erlassen“.

Konvoi von Werl nach Dernau

Sechs Sattelzüge voll Hilfsgüter und drei Fahrzeuge der Werler Feuerwehr hatten am 19. Februar gespendetes Bau- und Elektronikmaterial für den Wiederaufbau ins zerstörte Dernau im Ahrtal gebracht. Einen Tag zuvor hatten die Organisatoren die Absage des Bundesamts für Güterverkehr erhalten, dass der Hilfstransport nicht von der Maut befreit werden könne, weil der Katastrophenfall zu dem Zeitpunkt nicht mehr galt. Die 700 Euro Maut an Toll Collect sollten die privaten Helfer selbst aufbringen. Als die Helfer Thies eingeschaltet hatten, versuchte der auf Staatssekretärsebene eine Rücksprache im Ministerium – vergeblich. Thies und Heil nennen das Verfahren „instinktlos“. Der Minister sei doch selber erst 14 Tage zuvor „pressewirksam im Ahrtal gewesen und hätte sehen können, woran es allerorts immer noch mangelt.“

Staatssekretär wiederholt alte Standpunkt

Staatssekretär Luksic wiederholt in seiner Replik: „Um die Versorgung der Menschen in den Hochwassergebieten mit dringend benötigten Sachspenden und Maschinen zu unterstützen, konnten die Hilfstransporte von der Lkw-Maut befreit werden“. Dazu gebe es Ausnahmetatbestände im Bundesfernstraßenmautgesetz, wonach Transporte humanitärer Hilfsgüter „von der Maut befreit sind“. Das betraf unter anderem Nahrungsmittel, Kleidung und Hygieneartikel. „Die Mautbefreiung gilt jedoch nicht für Transporte von Sachspenden für den wirtschaftlichen Wiederaufbau.“ Das seien laut Bundesfinanzhof nicht humanitäre Hilfsgüter. Mit der der Aufhebung des Katastrophenfalls am 2. Oktober „ist für Transporte von Baumaterialien, Maschinen und Geräten ins Ahrtal die Ausnahme von der Mautpflicht im Rahmen von Notdiensteinsätzen nicht mehr anwendbar“.

Das Ministerium werde aber „weiter alles tun, um die Region beim Wiederaufbau der Infrastruktur zu unterstützen – und dafür die erforderlichen Mittel bereitstellen.“ Wissing habe Anfang Februar im Ahrtal den Helfern vor Ort „für ihren unermüdlichen Einsatz gedankt“.

Kommentar: Noch mehr kalte Schulter geht nicht

Noch mehr kalte Schulter geht nicht. Die Helfer für das Ahrtal blitzen eiskalt ab beim FDP-Bundesverkehrsminister. Volker Wissing hat sich weder die Mühe gemacht, den Brief des CDU-Manns Thies persönlich zu beantworten, noch hat das Ministerium sich des Sachverhalts überhaupt nochmals prüfend angenommen. Das wird daran deutlich, dass das Schreiben aus dem Ministerium nahezu wortwörtlich identisch ist mit dem der Pressestelle des Ministeriums an unsere Zeitung vom 22. Februar. Nur hat sich der von Wissing beauftragte Staatssekretär („Er hat mich gebeten, Ihnen zu antworten“) für das Plagiat aus dem eigenen Haus etliche Tage mehr Zeit gelassen. Der Begriff „Antwort“ ist dabei schon dreist, weil die Aneinanderreihung von Sätzen null Bezug zum Thies-Brief hat. Wertschätzung sieht anders aus. Dabei ist Wertschätzung das A und O im Ehrenamt. Da darf, nein muss man den Eindruck haben: Wissing ist das alles schlicht egal. Und so verkommt selbst das Lob an die Helfer im Ahrtal zur inhaltsleeren Phrase. Was für eine Ignoranz. Die kalte Wut vieler Bürger dürfte dem FDP-Minister gewiss sein. Womöglich geben sie echte Antworten. In einer „Sprache“, die auch Wissing versteht: In NRW wird im Mai gewählt. Und apropos A und O: Zwischen „kopieren“ und „kapieren“ liegt ein himmelweiter Unterschied.

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