Firmen finden kaum noch geeigneten Nachwuchs
Immer mehr Firmen beklagen einen Fachkräftemangel. In Werl ist das gar nicht das vorrangigste Problem. Vielmehr scheinen die Vorstellungen junger Leute sich stark zu verändern.
Werl - Der Fachkräfte- und Bewerbermangel macht sich in vielen Unternehmen bemerkbar. Da hilft nur, auf sich aufmerksam zu machen. Mit Werbung aller Art. Sei es nun in Printmedien wie der Zeitung, in digitaler Form wie dem Internet oder dem Hörfunk wie Radio. Doch manchmal reicht alles Werben mit Vorteilen und Bonitäten nicht aus. Zumindest dann nicht, wenn es nach einigen Bewerbern geht.Oft hören Arbeitgeber Forderungen nach mehr Geld für weniger Arbeitszeit. Auch eine Vier-Tage-Woche für die sogenannte Work-Life-Balance wird häufig ins Spiel gebracht und an vielen Stellen diskutiert.
Doch was sagen Arbeitgeber und Unternehmen zu den Ansprüchen der Bewerber? Und wie versuchen sie, die Interessenten von sich zu überzeugen? Wir haben uns bei Werler Unternehmen umgehört.
JVA
In der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Werl sind zahlreiche Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst zu besetzen. „Einmal im Monat haben die Interessenten die Möglichkeit, an einem Infoabend teilzunehmen, wo noch einmal umfassend alles erklärt wird und auch Ansprechpartner vor Ort sind“, erklärt Pressesprecherin Verona Voigt. Radiowerbung, Kinowerbung, soziale Medien, Zeitungen – die Stellenanzeigen sind breit gefächert und die Werbemaßnahmen „werden vom Zulauf her sehr gut angenommen.“
Umfassende Informationen über die Angebote sowie Auskünfte über das Beamtenverhältnis und die Entgeltgruppen gebe es im Internet, wo mittlerweile Psychologen, Mitarbeiter im Sozialdienst, Ärzte und Beamtenanwärter gesucht werden. Es wird laufend eingestellt, lediglich die Ausbildungen starten alle am 1. Juli. Eine Verhandlungsbasis besteht bei einer Anstellung in der Justiz nicht – schließlich „gibt es im öffentlichen Dienst keinen Spielraum.“
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Malerfachbetrieb Kümpel
Inhaber Stefan Kümpel vom gleichnamigen Malerfachbetrieb kann nicht über die Quantität von Fachkräften klagen, doch die Qualität leide und könnte die nächste Generation des Betriebs gefährden. „Ich habe meine Leute zusammen, aber ich bin am überlegen, ob ich überhaupt jemanden Neues anstelle. Zwar möchte ich auch gerne selbst ausbilden, aber die Bewerbungen, die ich bekomme, kann ich teilweise kaum ernst nehmen“, erklärt Kümpel. Zahlreiche Rechtschreibfehler in den Unterlagen und mangelnde Authentizität vermitteln Kümpel das Gefühl, dass die Bewerber den Beruf des Malers nur wählen „wenn sie sonst nicht wissen, was sie werden wollen.“ Von drei Azubis hat er gerade mal einen übernommen. Das Problem liege nicht an den Fachkräften, sondern an der Nachbesetzung. „Ich habe noch nie eine Anzeige schalten müssen und ich habe momentan ein tolles Team. Aber auch das ist endlich“, macht Kümpel auf die schwierige Situation aufmerksam.

Neben der fairen Bezahlung wird auch das viel diskutierte Thema Work-Life-Balance, also die Ausgewogenheit zwischen Freizeit/Familie und Arbeit, im Betrieb offen angesprochen. Diese zwei Punkte, eine faire Bezahlung und das Leben zu genießen, seien Kümpel sehr wichtig, sagt er. „Der Maler hat einen harten Job und braucht in jedem Fall Ausgleich. Die körperliche Belastung darf in diesem Beruf nicht unterschätzt werden und es ist klar, dass nur wenige die normale Rentenzeit erreichen, wenn das Rentenalter immer weiter steigt.“
Der Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche sei deshalb nachvollziehbar. Für seinen Betrieb gibt es die Idee, sich auf eine bestimmte Mehrarbeitszeit zu einigen und dafür einen freien Freitag im Monat einzuführen, weil nicht jede Woche ein freier Freitag möglich sei. Ein Testlauf sei noch im Monat März geplant.
Schmidt Technik
Ganz anders sieht es da bei Andreas Schmidt aus, Geschäftsführer von Schmidt Technik. Dort sind noch immer zwei Ausbildungsstellen nicht vergeben, „Weil keiner vom Arbeitsmarkt kommt.“ Mit seinem Betrieb ist er bei der Ausbildungsmesse in der Stadthalle vertreten, an Schulen verteilt er Zettel, auch über die Internetseite und sonstige Soziale Medien wird geworben. Schmidt: „Wir arbeiten auch mit Schulen zusammen und nehmen Praktikanten an.“
Jedoch wolle kaum noch einer ins Handwerk, dabei sei dort die Chance, den Job zu behalten, größer geworden. Auch die Arbeitsbedingungen haben sich verbessert. „Es wird sehr viel in die Sicherheit und den Komfort investiert. Damals musste man noch mit Hammer und Meißel ein Loch in die Wand schlagen, das geht jetzt viel komfortabler und schonender.“ Gesellen werden immer gesucht, doch die Qualifikation sei nicht mehr so, wie sie mal war. „Viele kommen und haben Spezialkenntnisse, zum Beispiel, wie man Photovoltaik-Anlagen installiert. Aber meist fehlen die Grundlagen. Eine normale Steckdose kann da schon zum Problem werden, genauso wie das Ohmsche Gesetz“, beklagt Schmidt.
Heutzutage seien für die Mitarbeiter eher die Work-Life-Balance und ein sehr gutes Gehalt, verbunden mit immer weniger Arbeit, wichtig, hat er den Eindruck. „Die Menschen haben heute ein ganz anderes Anspruchsdenken als früher. Es gibt mittlerweile in allen Bereichen Leute, die mit Ach und Krach ihre Gesellenprüfung bestanden haben, sich dann aber nicht mehr weiterbilden oder Schulungen besuchen.“
In seinem insgesamt 25-köpfigen Team hat er gute Leute und „pfiffige“ Azubis, doch wenn die Bewerber zu ihm kommen und nur das Beste wollen, ohne ausreichende Qualifikationen vorzuweisen, dann sei das „Rosinenpickerei“. Schmidt beobachtet, dass die Quote dieser Leute am Markt steigt.
Auch sein Betrieb hat über eine Drei- oder Vier-Tage-Woche nachgedacht, „aber unsere Mitarbeiter haben die Idee erst einmal verworfen, weil es organisatorisch nicht funktioniert hat.“ Die ganze Idee ist dennoch nicht vom Tisch. Aber mehr Geld und Freizeit für weniger Arbeit bei gleichzeitig mangelnder Qualifikation sei für ihn nicht der richtige Weg.