Das ist mehr als unhöflich dem Gericht gegenüber.
Und so kam es, dass Staatsanwältin Stephanie Westermeyer mit dem Finanzamt hart ins Gericht ging: „Das ist mehr als unhöflich dem Gericht gegenüber.“ Die Kammer erst so spät und nicht mal direkt über die Ablehnung zu informieren, „das ist keine Art des fairen Umgangs.“ Auch Richter Kamp nannte das Vorgehen, „nicht kollegial, das hat mich sehr geärgert.“ Er habe dem Finanzamt alle Ergebnisse der Hauptverhandlung übermittelt. Nun erkenne er „keine Möglichkeit einer sinnvollen Verständigung mehr.“
Er versteckt sich gern hinter anderen.
Noch kritischer äußerte sich Verteidiger Kuhlmann über den Dienststellenleiter des Finanzamts Dortmund: „Er versteckt sich gern hinter anderen.“ Und er habe „offensichtlich nicht verstanden, mit welcher Intensität diese Verhandlung geführt wird.“ Die Kammer müsse ihm den Ernst der Lage bewusst machen, „dass das kein Spaß hier ist.“ Zu gern hätte die Verteidigung den Dienststellenleiter vorladen lassen. Aber am Ergebnis würde das nichts ändern, so die Staatsanwältin. Das teilte der Richter. Die Argumente seien ausgetauscht. Nun gelte es also, sich auf die strafrechtliche Seite zu konzentrieren.
Das Verfahren wurde also fortgesetzt. Nun soll zumindest aus strafrechtlicher Sicht eine Verständigung versucht werden – Bewährungsstrafen stehen im Raum. Gelingt das, kann der finanztechnische Bereich eigens ausgefochten werden. Zunächst soll es neue Berechnungen geben, unter Einbezug von Zinsen. Verteidiger Grigoleit kündigte an, die Auseinandersetzung mit den Finanzbehörden nicht zu scheuen, „auch wenn das Jahre und viel Geld kostet.“
Richter Kamp wiederholte Zweifel der Kammer an der technischen Berechnung des vermeintlichen Millionenbetrugs. Die Anklage habe auf der Vorgabe beruht, dass das Ermittlungssystem hundertprozentig „valide“, sprich gültig, sei. Aber im Ergebnis der bislang zehn Verhandlungstage sei nicht auszuschließen, dass das System „extrem fehleranfällig“ ist.
Auch am Mittwoch blieben nach vierstündiger Aussage des Steuerermittlers zu Berechnungen, „was schwarz und was weiß gelaufen ist“, viele Fragen offen. Mehrfach hatten Richter und Verteidiger Verständnisfragen zu Positionslücken, Lieferscheinen & Co. Die Verteidigung betonte Zweifel an Zuordnungen.
Eine Lückenposition sind Bockwürste – die gab es gar nicht auf der Speisekarte.
„Eine Lückenposition sind Bockwürste – die gab es gar nicht auf der Speisekarte“, sagte Grigoleit bezüglich seines Mandanten, ein Dortmunder Gastronom. Auch für die Richter erschlossen sich Zuordnungen nicht. Das Gericht wolle das Vorgehen der Steuerermittler rekonstruieren. „Aber ich habe ein massives Verständnisproblem“, sagt Kamp, es gebe Klärungsbedarf bei technischen Fragen samt computergestützter Auswertung. Der Ermittler solle doch bitte „die konkrete Zuordnung transparent machen“ und die Systematik erläutern.
Weiter geht’s am 12. September, zudem beraumte die Kammer vorsorglich weitere Termine an.
Den fünf Angeklagten wird vorgeworfen, zwischen 2011 und 2017 Steuern in Höhe von sieben Millionen Euro hinterzogen zu haben. Zwei Männer – einer aus Werl, der andere aus Werne – sollen laut Anklage einen Lieferservice für Gastronomie in Soest samt Getränkemarkt betrieben haben. Dort sollen die drei weiteren Angeklagten aus Dortmund und Ennigerloh, alles Gastronomen, regelmäßig eingekauft haben. Zum Teil soll wurde offiziell abgerechnet, zum Teil soll es Schwazkassen durch anonymisierten Bareinkauf gegeben haben, Erlöse nicht versteuert worden sein.