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Kooperation oder Fusion? Evangelische Gemeinden rücken enger zusammen

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Von: Dominik Maaß

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Die Pauluskirche ist die Heimat der Evangelischen Kirchengemeinde Werl.
Die Pauluskirche ist die Heimat der Evangelischen Kirchengemeinde Werl. © Dominik Maaß

Die Evangelische Kirchengemeinde Werl stellt sich darauf ein, in Zukunft stärker mit den Nachbargemeinden Ense und Wickede zu kooperieren. Gespräche darüber laufen schon länger. Hintergrund sind der drohende Pfarrermangel und sinkenden Gemeindegliederzahlen.

Werl – Bei der Synodalversammlung in Warstein mit Vertreter der Evangelischen Landeskirche und des Kirchenkreises wurde das Ausmaß der Herausforderungen deutlich. Allein in den kommenden zehn Jahren werden landesweit fast 1000 der aktuell 1503 Pfarrer und Pfarrerinnen in den Ruhestand versetzt. Das gilt auch für die beiden Werler Pfarrer Christoph Lichterfeld (Ruhestand 2032) und Lutz Wulfestieg (2027).

Auch bei der Enser Pfarrerin Christine Dinter und dem Wickeder Pfarrer Dr. Christian Klein liegt der Ruhestand in nicht mehr allzu ferner Zukunft und angesichts des mangelnden Nachwuchses ist nicht davon auszugehen, dass alle Stellen nachbesetzt werden. „Allen drei Gemeinden ist bewusst, dass das keine Gemeinde für sich alleine stemmen kann“, sagt Christoph Lichterfeld. „Das Motto der Zukunft lautet: vertrauensvolle Zusammenarbeit.“

Seit vier Jahren beraten die drei Gemeinden in einem Regionalausschuss, wie diese Zukunft aussehen kann. Dort kommen regelmäßig die Pfarrerin und ihre drei Kollegen und vier Presbyteriumsmitglieder zusammen – zwei aus Werl und je eines aus Wickede und Ense.

Zwei Modelle stehen zur Wahl

Letztlich stünden zwei mögliche Modelle zur Wahl, erläutert Lichterfeld. Eine pfarramtliche Verbindung, bei der die Gemeinden organisatorisch eigenständig bleiben, sich aber einen oder mehrere Pfarrer teilen, oder eine Fusion zu einer neuen, großen Gemeinde für Werl, Wickede und Ense. Noch sei offen, welches Modell den Vorzug erhalte, sagt Lichterfeld. Auch er selbst sei da für beide Varianten offen.

Für beide Varianten gilt: Eine Kooperation wird nicht ohne Einschnitte im Gemeindeleben funktionieren. Schließlich wird sich das Verhältnis von Pfarrer zu Gemeindeglied trotz Kirchenaustritten absehbar verschlechtern. Ense und Wickede haben jeweils etwa 2000 Gemeindeglieder, Werl ungefähr 5400 (ohne Hilbeck, das zum Kirchenkreis Hamm zählt).

Bis zu den anstehenden Ruheständen seien für die nähere Zukunft in Werl keine Veränderungen absehbar, so Lichterfeld. Mit der Pensionierung von Norbert Ziegler zum Jahreswechsel 2019/2020 und dem Ruhestand von Dagmar Zitzmann-Rausch Anfang 2021 hat die Gemeinde zuletzt schon zwei halbe Stellen verloren. Im Gegenzug wurde allerdings die Stelle von Lutz Wulfestieg um ein Viertel aufgestockt, sodass Werl zurzeit zwei volle Pfarrstellen hat.

„Ich sehe das alles gar nicht so pessimistisch“, sagt Lichterfeld. Im Moment werde Kirche vor allem mit Krise verbunden. Die verbliebene Zeit könne aber auch noch genutzt werden, um den Personalsorgen entgegen zu wirken. Zudem könne er sich vorstellen, seine Arbeitskraft auch über den Ruhestand mit 67 Jahren hinaus der Gemeinde zur Verfügung zu stellen.

Warum wollen so wenig Protestanten Pfarrer werden?

Warum so wenige Protestanten Pfarrer werden wollen? Am Gehalt liege es nicht, glaubt Lichterfeld. Schließlich würden Pfarrer ähnlich bezahlt wie Lehrer. Der Beruf des Pfarrers biete zudem Sicherheit und durchaus Flexibilität. Vielen jungen Menschen sei die Work-Life-Balance sehr wichtig. „Da können wir Alten noch was lernen.“ Andererseits sei eine scharfe Trennung auch schwierig. „Arbeit ist nicht nur Pflicht, sondern auch Sinnsuche.“

Lichterfeld sieht die Gründe eher in der generell schwindenden Bindung an die Kirche. „Als ich in den 1970er-Jahren groß geworden bin, gab es noch eine ganz andere Frömmigkeit, christlich geprägte Elternhäuser und Vorbilder.“

Friedens- und Umweltbewegung seien oft mit von den Kirchen ausgegangen, auch in der Freiheitsbewegung der DDR habe die Kirche eine wichtige Rolle gespielt. „Menschen haben so einen Ort gefunden, wo sie das Gefühl hatten, etwas bewirken zu können.“

Diese Frage müsste sich Kirche heute wieder stellen: „Wie kann man Begeisterung wecken? Wo könnten wir heute wieder so einen Pol schaffen, von dem sich Menschen angezogen fühlen und mitarbeiten wollen? Was ist heute wichtig? Was ist der Sinn des Lebens? Geld? Ist unser Umgang mit einer Ressource wie Zeit nicht viel wichtiger?“

Weniger Gemeindeglieder

Nicht nur am Pfarrer-Nachwuchs mangelt es, auch die Zahl der Gemeindeglieder schrumpft. Vor zehn Jahren seien es noch 400 bis 500 mehr gewesen, so Lichterfeld. Die Gründe für die Austritte sind nicht immer klar. „Wir schreiben alle an, bekommen aber nur von 20 Prozent eine Rückmeldung.“ Klar spielten Skandale eine Rolle, aber manche Protestanten konvertierten auch zum Katholizismus.

Andere wendeten sich aus finanziellen Gründen ab, um Kirchensteuer zu sparen. Lichterfeld fände deshalb die Einführung einer Kultursteuer nach italienischem Vorbild gut. Jeder muss zahlen, kann aber bestimmen, ob das Geld an Kirchen oder andere kulturelle und soziale Zwecke fließt.

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