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Einzelfallprüfung: Tiefenbohrungen für Erdwärme sind durchaus möglich

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Von: Gerald Bus

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2010 bohrte die Stadt Werl zur Nutzung von Erdwärme an der ehemaligen städtischen Realschule bis in 100 Metern Tiefe.
2010 bohrte die Stadt Werl zur Nutzung von Erdwärme an der ehemaligen städtischen Realschule bis in 100 Metern Tiefe. © Gudrun Scholand-Rebbert

Werl – Die Politik bohrte nach – und die Stadt ließ tief blicken. Ganz tief sogar. Mit einem überraschenden Ergebnis: Tiefenbohrungen bis 100 Meter im Stadtgebiet zur Wärmegewinnung in Werl sind nicht kategorisch ausgeschlossen.

Werl - Die Bohrungen bedürfen aber der Einzelfallgenehmigung durch den Kreis Soest. Das teilte Stadtplaner Ludger Pöpsel im jüngsten Planungsausschuss mit. Im Stadtgebiet habe es auch schon mehrere Bohrgenehmigungen bis zu 100 Metern Tiefe gegeben; laut Kreisverwaltung gebe es derzeit wegen der Energiekrise vermehrt Anfragen für Erdwärmesonden.

Zuvor hatte es Irritationen gegeben, weil solche Bohrungen beim neuen Baugebiet Werl-Nord III nicht möglich sein sollen. Das sei auch richtig, sagte Ludger Pöpsel – und hat geologische Gründe. Denn der dort liegende so genannte Emscher-Mergel in rund 40 Metern Tiefe sei nahezu wasserundurchlässig, trenne aber den unteren, salzhaltigen und unter Druck stehenden Grundwasserhorizont von oberen Süßwasserschichten. Beim Durchbohren besteht die Gefahr einer Durchmischung.

Aber: Es gebe im Erdreich unter Werl eben auch Verwerfungen jenes Emscher-Mergels „mit regelrechten Brüchen. Und das kann dazu führen, dass rechts von einer Straße eine Verwerfung sein kann und links nicht mehr.“ In Sönnern gebe es diesen Fall: 25 Meter maximale Bohrtiefe auf der einen, bis zu 70 Meter Bohrtiefe an der anderen Straßenseite.

Lage gilt als kritisch

Tiefenbohrungen in Werl zur Gewinnung der so genannten „kalten Nahwärme“ gelten allgemein als kritisch. Heißt: Interessierte müssen sich informieren und beim geologischen Dienst nachfragen. Der prüfe jeden Einzelfall. Ludger Pöpsel betonte aber im Ausschuss: „Es ist nicht generell ausgeschlossen, tiefer bohren zu dürfen.“

Beim Baugebiet Werl-Nord III aber ist das so. Dort liegt die Mergelschicht, die nicht durchbohrt werden darf, bei rund 40 Metern. Das schließt Tiefenbohrungen zur Wärmegewinnung an jener Stelle aus. Mit dem nötigen Sicherheitsabstand zur Mergelschicht darf es dort nicht tiefer als 30 Meter gehen. Pläne der Stadtwerke von Bohrungen bis zu 150 Meter Tiefe mussten also verworfen werden

Der problematische Emscher-Mergel läuft etwa im Bereich der B 1 aus, so hat Ludger Pöpsel recherchiert.

„Standortcheck“ hilft

Der Blick auf Grundwasserflussmodelle zeigen, welche Wege sich das Wasser oberhalb und unterhalb des Mergels sucht, von Münster bis zum Haarstrang. Im Internet können Interessierte unter www.geothermie.nrw.deoder unter www.gd.nrw.de eine erste grobe Einschätzung darüber gewinnen, wie es um ihr Grundstück bestellt ist. Dabei hilft der „Standortcheck“. Das zeigt auch, dass der Bereich entlang des Haarstrangs und damit auch in Werl als „hydrologisch kritisch“ für Erdwärmesonden eingestuft wird.

Genehmigungspflicht

Wer dennoch Wärme aus der Tiefe holen möchte, unterliegt der Genehmigungspflicht. Er muss eine Genehmigungsantrag bei der Unteren Wasserbehörde des Kreises Soest einholen. Wenn es gar tiefer als 100 Meter gehen soll, ist die Bergbehörde bei der Bezirksregierung Arnsberg die Genehmigungsbehörde. Im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens wird dabei eine Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW eingeholt, erläuterte Ludger Pöpsel.

Wegen der Emscherformation und ihren Verwerfungen unterhalb Werls gibt es in der Wallfahrtsstadt Einzelfallentscheidungen im wasserrechtlichen Verfahren. Dass die auch positiv ausfallen können, zeigen Genehmigungen bei einem Einfamilienhaus in Rathausnähe (80 Meter), aber auch an Wortmanns Mühle (65 Meter). Die Stadt selbst war 2010 geothermisch aktiv geworden und ließ an der ehemaligen städtischen Realschule mehrere Sonden auf 100 Meter Tiefe bohren, um Erdwärme zu gewinnen.

Infos im Internet

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.geothermie.nrw.de oder unter www.gd.nrw.de.

Erdwärme-Gewinn auch weniger tief möglich

Zum Gewinnen von Erdwärme muss es nicht zwingend in die Tiefe gehen. Es sind auch Einzelbohrungen bis 12 Meter mit einem größeren Bohrdurchmesser und einer außen liegenden Sonde möglich oder Erdwärmekollektoren in bis zu zwei Metern Tiefe mit Schlaufen ähnlich einer Fußbodenheizung, für die aber viel Fläche benötigt werden. Das war auch der Grund, warum die Stadtwerke neben den höheren Kosten und der geringeren Wärmeleitfähigkeit diese Option für das Baugebiet Werl-Nord III verworfen hatten.

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