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„Knallharte“ Fakten zwingen Kirche zum Handeln: Aus für das Gemeindehaus

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Von: Gerald Bus

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Verkündeten das Aus für das Gemeindehaus Hilbeck: Gemeindepädagogin Sina Kottmann (links) und Pfarrerin Vera Gronemann.
Verkündeten das Aus für das Gemeindehaus Hilbeck: Gemeindepädagogin Sina Kottmann (links) und Pfarrerin Vera Gronemann. © Gerald Bus

Kirchliches Leben in Hülle und Fülle? Die Zeiten sind längst vorbei. Das Geld ist knapp. Daher werden in Hilbeck „Hülle“ und „Fülle“ nun voneinander getrennt. „Denn wir wollen die Menschen im Blick haben, nicht die Steine“, sagt Pfarrerin Vera Gronemann. Steine, die so „knallhart“ sind wie die Fakten, die die Emmaus-Gemeinde nennt – und die sie dazu bringen, das Evangelische Gemeindehaus in Hilbeck zum Jahresende zu schließen.

Werl - Die Hülle des Gemeindelebens, das Haus am Grachtweg, wird also aufgegeben und bald nicht mehr nutzbar sein. Aber die „Fülle“, die Menschen, können das kirchliche Leben fortsetzen: ab Januar im Dorfgemeinschaftshaus an der Siepenstraße. Darüber informierte das Presbyterium die Gemeindeglieder am Donnerstagabend bei einem Infoabend in eben jenem Gemeindehaus.

Die Trennung von dem Gebäude im Herzen Hilbecks sei ein Schritt, der zwingend sei, betont die Pfarrerin. Vor allem aber sei es darum gegangen, dass es eine Lösung für das künftige Gemeindeleben im Dorf gibt, „dass es weitergehen kann“. Die ist an anderem Ort gefunden: Die Emmaus-Gemeinde mietet sich ins Hilbecker Dorfgemeinschaftshaus ein. Dort werden alle Gruppen und Kreise, die sich jetzt noch im Gemeindehaus treffen, ihre Arbeit fortsetzen. Mit dem Verein „Zukunft Hilbeck“ wurde eine Einigung erzielt.

Wir haben allen Gruppenleitern sehr deutlich gemacht, dass es uns als Pastoralteam wichtig ist, dass die Arbeit fortgesetzt werden kann – nur eben an einem anderen Ort

Sina Kottmann, Gemeindepädagogin

Ein „Bonus“ laut Gronemann: Alle Tage und Zeiten können beibehalten werden. Das Haus biete alle Notwendigkeiten. Nebenbei biete sich der Emmaus-Gemeinde durch die Zahlung der Nutzungsgebühr die Chance, das Dorfgemeinschaftshaus zu unterstützen. In dieser Hinsicht sei die Entwicklung eine gute Fügung, sagt Gronemann. Es gebe ein Win-Win-Situation durch bessere Auslastung des Dorfgemeinschaftshauses und engere Kooperation der Kirche mit dem Dorf.

„Wir haben allen Gruppenleitern sehr deutlich gemacht, dass es uns als Pastoralteam wichtig ist, dass die Arbeit fortgesetzt werden kann – nur eben an einem anderen Ort“, ergänzt Gemeindepädagogin Sina Kottmann. Das zweiköpfige Pastoralteam wolle „die Menschen nicht allein lassen mit dieser schwierigen Nachricht.“

Problem ist das Geld

Das Presbyterium habe sich den Schritt alles andere als leicht gemacht. „Aber die Fakten sind nicht von der Hand zu weisen“, sagt die Pfarrerin. Und die drehen sich ums Geld, durch seit Jahren sinkende Gemeindegliederzahlen und dadurch sinkende Kirchensteuereinnahmen und zeitgleich aktuell durch die Energiepreise noch steigende Unterhaltungskosten für Kirchengebäude. Darüber werde in der Landeskirche schon lang diskutiert. Die habe sich zur Klimaneutralität bis 2040 verpflichtet, aber der größte Anteil an Emissionen entstehe nun mal durch Gebäude. Alle Gemeinden seien daher in der Pflicht, auf die Bestände zu schauen.

„Das ist kein Rückzug aus Hilbeck!

Vera Gronemann, Pfarrerin

Dabei zeige der Blick auf das Gemeindehaus Hilbeck, dass es „einfach nicht mehr tragbar ist“. Es schlage mit 13 000 Euro für laufende Kosten und 6 000 Euro für die Instandhaltungsrücklage zu Buche – Energiekostensteigerungen nicht eingerechnet. Der Jahreshaushalt der Emmaus-Gemeinde (neben Hilbeck Rhynern, Drechen und Berge) beträgt 435 000 Euro, für 2022 wird ein Defizit von 82 000 Euro erwartet. „Die Zahlen sprechen für sich, die können wir nicht ignorieren“, sagt die Pfarrerin.

Nach der Info der Gemeinde will das Presbyterium die Aufgabe nun kurzfristig und einmütig beschließen. „Das schmerzt uns auch“, räumt Gronemann als Vorsitzende des Gremiums ein. Aber entscheidend sei: „Das ist kein Rückzug aus Hilbeck!“

1955 als „Haus der Jugend“ gebaut – und bald doch Räume für Kita?

Es ist in Stein gemeißelt: 1955, das zeigt die Inschrift, wurde das Evangelische Gemeindehaus Hilbeck als „Haus der Jugend“ errichtet. Was nun mit dem Gebäude mit seinen 195 Quadratmetern Nutzfläche samt Saal passiert, ob es verkauft oder vermietet wird, werde „Gegenstand weiterer Beratungen und Gespräche sein“, so die Emmaus-Gemeinde. Zunächst werde man eruieren müssen, was möglich ist. „Wir sind uns der großen Verantwortung für den Ortskern bewusst“, betont Pfarrerin Vera Gronemann. Bis vor einigen Monaten gab es Überlegungen, dass die benachbarte Kita „Saatkorn“ die Räume des Gemeindehauses für einen Ausbau des Kita-Angebots in Hilbeck nutzen könnte. Zwischenzeitlich war das verworfen worden, weil der Kreis Soest doch keinen Bedarf an zusätzlichen Plätzen im Ortsteil mehr sah. Frische Zahlen allerdings lassen die Überlegungen neu aufkeimen: Es fehlen aktuell 5 Plätze. Hilbecks Ortsvorsteher Karl-Wilhelm Westervoß (CDU) hatte am Dienstag im Sozialausschuss angesichts des Platzmangels im Ortsteil gefordert, dass sich Stadt, Kreis und Träger der Kita Saatkorn neu beraten.

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