Ungewöhnliches Angebot: Ein Haus in der Stadt für einen Euro

Die Chance auf ein so preiswertes Stadthaus dürfte selten sein: Für einen Euro könnte ein Haus in der Werler Innenstadt verkauft werden. Zumindest ist das der ermittelte Verkehrswert eines Gutachters, für den ein Käufer bei der anstehenden Zwangsversteigerung den Zuschlag bekommen könnte – und da liegt auch schon der Haken. Bei einem möglichen Abriss aber kommen weitere Probleme hinzu.
Update (4. Januar 2023) Werl – Interessenten, die das Haus „Kurze Straße 14“ am 30. Januar ersteigern können, könnten mit dem Gedanken spielen, das Haus aufgrund der hohen Schäden und Mängel abreißen zu lassen. Da sich das Haus jedoch im Denkmalbereich befindet, ist eine denkmalrechtliche Erlaubnis erforderlich.
„Die Untere Denkmalschutzbehörde Werl bittet den Landschaftsverband Münster um eine Stellungnahme und entscheidet letztendlich, ob das Haus abgerissen werden darf“, erklärt Stadtplaner Ludger Pöpsel. Natürlich liege der Stadt auch am Herzen, dass nach einem möglichen Abriss auf der Fläche „wieder etwas hinkommt“. Das Haus ist Bestandteil des historischen Stadtkerns und gehört zum geschützten historischen Erscheinungsbild. Das geht aus der Denkmalbereichssatzung hervor.
Eigenes Bauverfahren nötig: Versteigerung des Hauses „Kurze Straße 14“
„Zwar ist das Haus ‘Kurze Straße 14’ kein Baudenkmal, es ist aber in der Denkmalbereichssatzung aufgeführt“, stellt Pöpsel klar. Wenn ein Interessent also das Haus abreißen und anschließend auf der Fläche bauen möchte, wäre ein eigenes Bauverfahren nötig, wie genau dort gebaut werden solle. Auch müsse sich an die Gestaltungssatzung gehalten werden. Das bedeutet, dass Formen und Farbe des neuen Hauses vorgegeben werden „um das historische Erscheinungsbild zu halten“. Jede Entscheidung bezüglich äußerer Veränderungen muss somit abgestimmt werden. Im Haus selbst dagegen gibt es solche Anforderungen nicht. „Dort gilt nur die Anforderung an gesundes Wohnen.“
[Erstmeldung vom 30. Dezember 2022] Werl - Denn das kleine Haus in der Altstadt kommt zwar unter den sprichwörtlichen Hammer. Aber eigentlich muss es danach direkt unter die Abrissbirne. Bei der Beurteilung der Liegenschaft kommt der Gutachter zu dem Schluss: „Auf Basis der Außenbesichtigung kann dem Gebäude weder eine technische noch eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer zugestanden werden. Somit stellt sich die Immobilie als Abbruchobjekt dar.“ Das zweigeschossige Wohnhaus an der „Kurze Straße“ mit eingeschossigem Anbau habe massive Mängel und Schäden, es sei „stark vernachlässigt“ – so zumindest der äußere Eindruck.
Kleines Grundstück - und kein Garten
Was hinzukommt: Das Grundstück, auf dem das Häuschen steht, ist mit 74 Quadratmetern sehr klein. Garten gibt es nicht. An drei Seiten gibt es eine Grenzbebauung, lediglich vor dem Haus befindet sich eine rund zehn Quadratmeter große Freifläche mit Pflastersteinbelag.
Abrisskosten höher als Grundstückswert
Und so kommt es, dass der Grundstückswert mit rund 13 000 Euro angegeben wird, die Abrisskosten allerdings höher liegen, geschätzt bei rund 25 000 Euro; das ergibt laut Gutachten einen „Negativwert“ von rund 12 000 Euro, die ein Käufer mitbedenken muss.

Die Berechnungen ergeben also für einen Verkehrswert, der immer nur geschätzt werden kann, in diesem Fall ein „nicht tragbares“ Ergebnis. „Denn in der Regel verkauft kein Eigentümer zum Negativwert.“ Und dass ein Verkäufer dem Käufer noch Geld dazugibt, wäre laut Gutachter „realitätsfremd“. Daher könnte der Verkauf allenfalls zu einem Euro erfolgen – eher ein symbolischer Betrag.
Zwangsversteigerung am Amtsgericht
Die Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung findet am Montag, 30. Januar 2023, um 9 Uhr am Amtsgericht Werl statt. Das Amtsgericht Werl hatte das Gutachten zur Wertermittlung vor rund einem Jahr in Auftrag gegeben, im November 2021 hatte es einen Ortstermin gegeben – es blieb aber bei der Außenansicht.
Das Ursprungsbaujahr ist nicht genau bekannt, es liegt vermutlich vor 1900. Eine eingeschossige Erweiterung des Stadthauses sei 1913 genehmigt worden, so der Gutachter, der die Immobilie mit ihrem Satteldach aber nur von außen gesehen hat. Eine Innenbesichtigung sei dem Sachverständigen nicht ermöglicht worden.
Problem vom Keller bis zum Dach
Und so kann er auch nur vermuten, dass das Häuschen auch einen Keller hat. „Ob es sich hierbei um einen Teil- oder Vollkeller handelt, kann nicht beurteilt werden.“ Immerhin: Die Dacheindeckung sei zwischenzeitlich modernisiert worden und mache „optisch einen positiven Eindruck“. Allerdings hätten im Jahr 2019 für mindestens sechs Monate Dutzende von Dachpfannen gefehlt. „Im September 2019 wurde das Dach auf Anordnung der Stadt Werl wieder geschlossen. Es sind gegebenenfalls erhebliche Feuchtigkeitseinwirkungen zu verzeichnen“, warnt der Lippstädter Gutachter aus dem Büro Matthias Hötte.
„mittlere Wohnlagequalität“
Der Sachverständige attestiert dem Objekt mit seinen rund 500 Kubikmetern umbauten Raum „unter Würdigung aller Gegebenheiten“ – darunter der beengte und leicht unregelmäßige Grundstückszuschnitt – eine „mittlere Wohnlagequalität“. Es liegt in einem Bereich, der als Wohnbaufläche ausgewiesen ist. Baurecht besteht.
Über die derzeitige Nutzung der Immobilie, ob es womöglich noch Mietverträge gibt, dazu sagt das Gutachten aus Datenschutzgründen nichts. Aber der Blick von außen lässt das eher nicht vermuten: Die Haustür ist mit Efeu zugewachsen. Und auch der Blick durch die Fenster lässt eher vermuten, dass das Haus nur noch eine Hülle ist. Etwas für einen Liebhaber mit dem nötigen Kleingeld – in diesem Fall wortwörtlich.