Diskussion um Schottergärten ist neu entfacht

Ein Vorstoß der Ministerin Ina Scharrenbach rückt die Diskussion um Schottergärten erneut in den Fokus. Zuständig für die Ressorts Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen stellt sie eine Verschärfung der Regeln im Landesbaugesetz in Aussicht.
Werl – Schottergärten sind in letzter Zeit immer mehr in Verruf geraten. Seit Jahren wird thematisiert, wieder vermehrt Lebensraum für Insekten zu schaffen. Bei Starkregenereignissen wird hinterfragt, ob sie die Problematik durch Bodenverdichtung verschärfen. Zudem sollen sie das Umfeld zusätzlich aufheizen, da sie an heißen Tagen, entgegen Grünflächen, die Wärme speichern.
Aber: Für die Umsetzung sollen die Kommunen zuständig sein. Grund genug, bei den Entscheidungsträgern wie Verwaltung und Ratsparteien nachzufragen.

Marcel Westervoß (Vorsitzender CDU) sieht es als „hochfragwürdig, Menschen vorzuschreiben, wie sie ihren Garten zu gestalten haben.“ Das unterstreicht auch Hendrik Weber (Vorsitzender SPD): „Wir wollen die Bürger ja nicht entmündigen.“ Für konkrete Aussagen sei es noch zu früh, so Westervoß „wir müssen abwarten, wie das genau definiert wird.“ Auch Christian Zahedi (Die Grünen) betont: „Verbote, auch wenn sie an manchen Stellen geboten sind, müssen nicht immer die einzige Lösung sein.“ Ebenso steht dem Jens Schmigowski (Vorsitzender BG) „skeptisch gegenüber, dies gesetzlich zu regeln. Man muss die Rechte des Einzelnen betrachten.“
„Es gibt so viele offene Fragen“, sagt Westervoß. Damit geht er auch auf den Bestandsschutz bereits bestehender Anlagen ein. „Die Bürger sind sowieso schon verunsichert wegen steigender Lebenshaltungskosten.“ Ihnen jetzt womöglich Kosten für einen Rückbau innerhalb einer bestimmten Frist aufzubürden, gehe in seinen Augen nicht.
Und manchmal gebe es ja Gründe, warum man diese pflegeleichte Form wähle: Alter oder mangelnde Zeit, um grüne Flächen ausreichend zu pflegen. Auch Unterhaltskosten könnten sich geringer darstellen, so Schmigowski. Zahedi wirft eine ähnliche Argumentation in die Waagschale: „Die Ressource Zeit ist für viele Mitmenschen zum knappen Gut geworden. Die Muße zur Pflege von Vorgärten scheint diesem Mangel in den letzten Jahren immer häufiger zum Opfer zu fallen.“
Lieber Anreize schaffen statt Verbote
Weber stellt eine „Hauruckaktion“ deutlich in Frage. „Nachhaltig und langfristig“ sei das Ziel für zukünftige Planungen. So könne er sich – erst mal nur als Gedankenspiel – vorstellen, eine kleine Vergünstigung bei Grundstückspreisen auszuloben, wenn man auf Schotter verzichtet. Auch Zahedi stellt eher „Anreize schaffen“ in den Vordergrund. Ausgleichsmaßnahmen, ähnlich denen, wie sie auch schon andere Bauvorhaben in Industrie oder Straßenbau unterliegen, könnten in seinen Augen ein probates Mittel sein. Der Vorschlag: für einen Quadratmeter Schottergarten soll im Stadtgebiet ein Baum gepflanzt werden (10 Quadratmeter = 10 Bäume). Eine Abrechnung, inklusive Folgekosten, kann sich Zahedi über die Grundbesitzabgaben vorstellen.
Ludger Pöpsel, Fachbereichsleiter Stadtplanung, Straßen und Umwelt, sieht es als schwierig an, dies „im Nachhinein durchzusetzen“. Beim noch nicht rechtskräftigen Entwurf des Bebauungsplans für Werl Süd 2 ist der Verzicht auf Schottergärten „formuliert, aber noch nicht beschlossen“. Auch er favorisiert den Appell an die Bürger. Das Thema müsse mit ihren Auswirkungen ins Bewusstsein rücken.
Alfons Nabers (Die Grünen) äußert sich dazu wie folgt: „In sogenannten Hitzeinseln in Städten, besonders da, wo Schottergärten vorherrschen, wird eine bis zu 15 Grad höhere Temperatur gemessen als in begrünten Flächen. Fassaden ohne Begrünung heizen sich bei extremer Hitze auf 60 Grad auf, mit Begrünung nur auf 30 Grad.“
Über den „Mehrwert“ von „Schottergärten bezüglich der immer notwendigeren Kühlung urbaner Räume im Sommer und des Gegenwirkens zum allgemeinen Rückgang, der für den Menschen überaus wichtigen Insekten, brauchen wir nicht streiten“, sagt Zahedi. Schmigowski formuliert als Kernaussage seiner Bürgergemeinschaft: „Klar halten wir Begrünung für sinnvoller“.
„Jetzt muss Frau Scharrenbach liefern, dann wird das auch Thema in der Politik“, so Marcel Westervoß.
Auch bei den Friedhöfen gibt es das Thema bei der Gestaltung der Gräber. „Das ist eine Frage der Friedhofssatzung“, erklärt dazu KBW-Betriebsleiter Jürgen Staubach. Noch ist auch dort kein Handlungsbedarf in Sicht.
Mayela Hiltenkamp von der Werler FDP war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Schon jetzt weißt Paragraph 8, Absatz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen aus: Die nicht mit Gebäuden oder vergleichbaren baulichen Anlagen überbauten Flächen der bebauten Gründstücke sind wasserdurchlässig zu belassen und herzustellen. Sie sind zu begrünen und zu bepflanzen.