Belvona kündigt Rückzug an: Stadt ist vorsichtig optimistisch

Das seit Monaten heftig in der Kritik stehende Unternehmen Belvona hat seinen Rückzug aus Werl angekündigt. Belvona teilte den Mietern des „Wohnparks Melsterberg“ am Wochenende per Post mit, dass die Gesellschaft die Hausverwaltung der Immobilie „kurzfristig abgeben wird“. Die Stadt sieht unterdessen erste positive Signale für eine bessere Zukunft des Quartiers.
Werl – Seit Herbst häuften sich die Beschwerden über die Zustände in den Mehrfamilienhäusern an der Droste-Hülshoff-Straße und am Weberanger. Defekte Heizungen, Schimmel in den Wohnungen, Wasser im Keller, undichte Fenster – die Liste der Mängel wurde länger und länger.
Was die Mieter aber am meisten beunruhigte: Ihre Wohnungsverwaltung war für sie kaum noch erreichbar. Mitte Januar eskalierte die Situation. Die Stadt ließ zwei Häuser wegen „Gefahr für Leib und Leben“ räumen. Nun ist das Kapitel Belvona in Werl offenbar beendet.
„Fruchtsame Gespräche“ mit Eigentümer-Vertretern
In der Ratssitzung am Donnerstagabend war vom Rückzug von Belvona noch keine Rede. Aber Bürgermeister Torben Höbrink sprach von „fruchtsamen Gesprächen“ mit den Vertretern der Immobilien-Eigentümer.
Die Gebäude gehören einer „Silver Wohnen 2 GmbH“. Und an dieser hält die Belvona-Gruppe laut Handelsregister-Auszügen nur noch einen sehr kleinen Anteil. Der Hauptgesellschafter ist eine Luxemburgische Gesellschaft mit dem Namen „EP Silver BidCo S. à. r.l.“ Und dahinter steht ein Vermögensverwalter aus Kanada mit Milliarden-Umsatz namens Brookfield.
Erste kleinere Veränderungen seien im Quartier bereits sichtbar, sagte Höbrink im Rat. „Wir sind da guter Dinge, und bleiben am Ball.“ Werden von Mietern gravierende Schäden gemeldet, gehe die Stadt diesen nach. Den Eigentümern werde dann eine Frist zur Beseitigung gesetzt. Kommen diese der Aufforderung nicht nach, drohe ein Zwangsgeld, erläuterte der Bürgermeister.
Heizung repariert
Funktioniert hat dieses Vorgehen beispielsweise kürzlich am Weberanger. Dort waren Anfang vergangener Woche erneut die Heizungen ausgefallen. Belvona reagierte nicht. Auch eine Presseanfrage blieb unbeantwortet. Doch nachdem die Stadt den Eigentümer-Vertreter kontaktierte, waren die Heizungen noch am selben Tag wieder repariert. Mieter bemerkten zuletzt auch andere kleinere Veränderungen: So wurden zum Beispiel offene Fensteröffnungen provisorisch mit Sperrholz gesichert und der sich seit Wochen vor dem Hochhaus stapelnde Müll beseitigt.

Wichtig sei auch, nicht zu verallgemeinern, sagte Höbrink im Rat: „Ich warne davor, das Quartier insgesamt schlecht zu machen.“ Nicht jeder Mieter sei betroffen, nicht in jeder Wohnung gebe es gesundheitsgefährdende Mängel. In den zwei geräumten Häuser seien die Probleme allerdings massiv. „Hier sprechen wir nicht von Renovierung, sondern von Kernsanierung.“
Die Stadt setzt darauf, dass sie es nun mit einem seriösen und potenten Ansprechpartner zu tun hat, der seinen Verpflichtungen nachkommt. „Wir bestehen weiter darauf, dass schnell Ersatzwohnungen für die Betroffenen bereitgestellt werden“, sagte der städtische Rechtsrat Dr. Tilman Rademacher im Vorfeld der Ratssitzung. Möglich wäre dies zum Beispiel durch eine zügige Sanierung des gesperrten Hauses Droste-Hülshoff-Straße 3. Dort stehen zurzeit 19 Wohnungen leer.
Es gebe darüber hinaus die Zusage, dass nach und nach das gesamte Quartier fachgerecht instand gesetzt wird, sagt Rademacher, der ebenfalls von „konstruktiven Gesprächen“ mit den Eigentümer-Vertretern berichtet. Er macht aber zugleich deutlich, dass die Stadt den Prozess weiter eng begleiten wird. Und Bürgermeister Torben Höbrink stellte im Rat klar: „Der Lackmustest kommt erst noch.“
Erfahrungsaustausch mit anderen Belvona-Kommunen
Ende des Monats lädt die Landesregierung zum Erfahrungsaustausch der 15 Städte und Gemeinden ein, die in den vergangenen Wochen ähnliche Probleme mit Belvona-Beständen erlebt haben. Dort will die Werler Verwaltung ihre Herangehensweise den anderen Kommunen vorstellen.
Gemischte Gefühle bei Mietern
Viele Mieter verfolgen die aktuellen Entwicklungen mit gemischten Gefühlen. In die leise Hoffnung auf Besserung mischt sich eine gehörige Portion Skepsis: „Wer weiß, wer das jetzt übernimmt. Vielleicht eine neue Verwaltung, die Luxus und Kundennähe versprechen wird“, kommentiert einer von ihnen den Belvona-Brief ironisch. Der letzte Wechsel der Wohnungsverwaltung von Altro Mondo auf Belvona war schließlich nicht viel mehr als ein Umetikettieren.
Zu oft schon haben Mieter in den vergangenen Monaten Versprechungen gehört, die nicht eingehalten wurden. Mieter wie Awin Hassan (24) und Farid Chekho (29). Das Paar wohnt mit seinen beiden Kindern (1 und 3) seit August 2021 mit einem ungeregelten Wasserschaden in der Wohnung: Der Boiler in der Küche sei schon vor dem Einzug Leck geschlagen und funktioniere seitdem nicht mehr, berichten sie. Bis heute habe Belvona sich nicht gekümmert, bei Anfragen nur vertröstet und zuletzt gar nicht mehr reagiert. Im Kinderzimmer schimmelt es.

Belvona dankt Mietern „für ihr Vertrauen“
Die Kinder schlafen deshalb bei den Eltern. Das Paar, das 2015 aus Syrien nach Deutschland kam, würde gerne umziehen. Doch eine neue Wohnung zu finden, sei schwierig. So müssen auch sie ihre Hoffnung auf die neue Hausverwaltung setzen. Sie werde die Mieter in den „nächsten Tagen/Wochen“ kontaktieren, heißt es im „Abschiedsbrief“ von Belvona. Der endet mit dem Dank „für Ihr Vertrauen“. Ein weiterer Beleg dafür, wie wenig Kontakt Belvona zuletzt zu seinen Mietern hatte.