Vor gut anderthalb Jahren hatte die ermittelnde Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen die Frau erhoben. Allein die Anklageschrift umfasste 603 Seiten, daher zog sich die Prüfung länger hin.
Ein Schwerpunkt jener Überprüfung der Anklage am Landgericht: Hat die Medizinerin mit der Verwendung eines so genannten Paraphen-Stempels strafbar gehandelt? Solche Stempel bilden Namenskürzel, zum Beispiel Initialen. Der Name muss anders als bei einer Unterschrift daraus nicht ableitbar sein. Aber diese Stempel können eine Unterschrift nicht ersetzen und gelten daher unter Rezepten als unzureichend. Die Medizinerin soll dennoch solche Paraphen-Stempel verwendet haben, obwohl die eigenhändige Unterschrift unter den Verordnung zwingend nötig gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte darin eine „rechtsgrundlose Erlangung von Medikamenten“ durch Patienten gesehen, obwohl diese darauf keinen Anspruch hatten. Allein für diese Betrugs-Vorwürfe summiert sich der Schaden auf rund 450 000 Euro.
Die Richter mussten nun also prüfen, ob die Ärztin mit dem Stempel täuschen wollte – oder nicht. Und sie hatten erhebliche Zweifel, dass diese Handlungen tatsächlich strafbar waren. Eine Strafrelevanz vermochten sie letztlich nicht zu erkennen, weil ein Paraphen-Stempel an sich schon nicht ausreicht und er daher gar nicht erst nicht zu einer betrügerischen Täuschung dienen konnte. Also wurde zu diesem Komplex das Verfahren eingestellt.
Gegen diesen aktuellen Beschluss hatte die Bielefelder Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, sofortige Beschwerde einzulegen – und das hat die Behörde auch unmittelbar gemacht.
Die Beschwerde hat nun das Oberlandesgericht zu prüfen. Die Arnsberger Wirtschaftsstrafkammer wiederum muss nun überlegen, ob sie das Verfahren auf zwei Schienen aufteilt oder aber es im Verbund belässt mit entsprechender weiterer Verzögerung.
Aufgetaucht sind die Vorwürfe im Zuge von Ermittlungen der Bielefelder Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in einem landesweiten Fall umfangreichen Rentenbetrugs; nach Informationen unserer Redaktion soll demnach bereits Anfang 2018 neben einem Werler Mediziner auch jene Praxis der Werler Fachärztin verwickelt gewesen, die Frau schon früh in den Fokus der Ermittler gerückt sein. Im Zuge der Razzia gegen einen Werler Mediziner im Februar 2018 sollen demnach auch die Räume der Werler Praxis der beschuldigten Fachärztin durchsucht worden sein. Danach zogen sich die Ermittlungen lange hin, nun wurde die Anklage teilweise zugelassen.