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Beihilfe zum Betrug, falsche Atteste: Fachärztin muss vor Gericht

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Von: Gerald Bus

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Fahnder aus Bielefeld hatten vor fast fünf Jahren Praxen in Werl durchsucht, nun mündet die Razzia in ein Gerichtsverfahren.
Fahnder aus Bielefeld hatten vor fast fünf Jahren Praxen in Werl durchsucht, nun mündet die Razzia in ein Gerichtsverfahren. © dpa

Eine Werler Fachärztin muss vor Gericht wegen Beihilfe zum Betrug, unter anderem beim Ausstellen falscher Atteste. Das entscheid die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Arnsberg. Auch der massenhaft falsch genutzte Rezept-Stempel war angeklagt. Den wertet das Gericht aber als nicht strafbar.

Werl - Sie sollte in 10 743 Fällen betrogen haben – aber der Großteil der Fälle bezog sich auf das fehlerhafte Ausstellen von Rezepten in über 10 000 Fällen. Diese Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen eine Werler Fachärztin sieht die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Arnsberg aber als nicht hinreichend an; wegen der massenhaft unzureichenden Signatur unter Rezepten wird sich die Medizinerin daher nicht vor Gericht verantworten müssen.

Vorwurf: Falsche Atteste

Aber dennoch wird vor der Wirtschaftsstrafkammer ein Hauptverfahren gegen die Fachärztin, die in Werl eine Praxis betreibt, wegen anderer Verstöße eröffnet. Die Richter sahen einen hinreichenden Tatverdacht wegen Beihilfe zum Betrug in fünf Fällen, davon viermal tateinheitlich mit der Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses. Das teilt das Landgericht Arnsberg auf Anfrage mit. Die Frau soll Atteste erstellt haben, obwohl Patienten nicht ausreichend krank gewesen sein sollen. Die Ermittler der Abteilung Wirtschaftskriminalität hatten ihr zudem gewerbs- und bandenmäßigen Betrug und wahrheitswidrige Quartals-Abrechnungen vorgeworfen.

Der Prozess soll zeitnah stattfinden. Noch aber ist die Verhandlung nicht terminiert.

Vor gut anderthalb Jahren hatte die ermittelnde Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen die Frau erhoben. Allein die Anklageschrift umfasste 603 Seiten, daher zog sich die Prüfung länger hin.

Unterschriften unter Rezepten fehlten

Ein Schwerpunkt jener Überprüfung der Anklage am Landgericht: Hat die Medizinerin mit der Verwendung eines so genannten Paraphen-Stempels strafbar gehandelt? Solche Stempel bilden Namenskürzel, zum Beispiel Initialen. Der Name muss anders als bei einer Unterschrift daraus nicht ableitbar sein. Aber diese Stempel können eine Unterschrift nicht ersetzen und gelten daher unter Rezepten als unzureichend. Die Medizinerin soll dennoch solche Paraphen-Stempel verwendet haben, obwohl die eigenhändige Unterschrift unter den Verordnung zwingend nötig gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte darin eine „rechtsgrundlose Erlangung von Medikamenten“ durch Patienten gesehen, obwohl diese darauf keinen Anspruch hatten. Allein für diese Betrugs-Vorwürfe summiert sich der Schaden auf rund 450 000 Euro.

Täuschung oder nicht?

Die Richter mussten nun also prüfen, ob die Ärztin mit dem Stempel täuschen wollte – oder nicht. Und sie hatten erhebliche Zweifel, dass diese Handlungen tatsächlich strafbar waren. Eine Strafrelevanz vermochten sie letztlich nicht zu erkennen, weil ein Paraphen-Stempel an sich schon nicht ausreicht und er daher gar nicht erst nicht zu einer betrügerischen Täuschung dienen konnte. Also wurde zu diesem Komplex das Verfahren eingestellt.

Bielefelder Staatsanwaltschaft hat Beschwerde eingelegt

Gegen diesen aktuellen Beschluss hatte die Bielefelder Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, sofortige Beschwerde einzulegen – und das hat die Behörde auch unmittelbar gemacht.

Die Beschwerde hat nun das Oberlandesgericht zu prüfen. Die Arnsberger Wirtschaftsstrafkammer wiederum muss nun überlegen, ob sie das Verfahren auf zwei Schienen aufteilt oder aber es im Verbund belässt mit entsprechender weiterer Verzögerung.

Rentenbetrugs-Ermittlungen seit 2018

Aufgetaucht sind die Vorwürfe im Zuge von Ermittlungen der Bielefelder Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in einem landesweiten Fall umfangreichen Rentenbetrugs; nach Informationen unserer Redaktion soll demnach bereits Anfang 2018 neben einem Werler Mediziner auch jene Praxis der Werler Fachärztin verwickelt gewesen, die Frau schon früh in den Fokus der Ermittler gerückt sein. Im Zuge der Razzia gegen einen Werler Mediziner im Februar 2018 sollen demnach auch die Räume der Werler Praxis der beschuldigten Fachärztin durchsucht worden sein. Danach zogen sich die Ermittlungen lange hin, nun wurde die Anklage teilweise zugelassen.

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