1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Werl

Beamter der JVA Werl vom Vorwurf der sexuellen Belästigung freigesprochen

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Gerald Bus

Kommentare

Die Justizvollzugsanstalt ergreift Maßnahmen gegen Drogen-Pakete per Mauerwurf: Die bisher frei zugängliche Fläche am Haus 4 (oben links und Mitte) wird für Insassen gesperrt.
Im Bereich der Sicherungsverwahrung der JVA Werl sollte es zu dem Übergriff gekommen sein, der am Dienstag verhandelt wurde. © Hans Blossey

[Update 16 Uhr] Ein Justizvollzugshauptsekretär der JVA ist vom Amtsgericht Werl vom Vorwurf freigesprochen worden, bei einer Rechtsreferendarin sexuell übergriffig geworden zu sein. Nach 90-minütiger Verhandlung traf Richterin Suttrop ihr Urteil: Nach der Vernehmung von drei Zeugen „scheidet eine sexuelle Belästigung aus“.

Werl - Wenn auch die Demonstration einer Fesselungstechnik bei der jungen Frau mitsamt der Berührungen eine „Distanzlosigkeit und Ungehörigkeit“ darstellen könne, so sei sie doch objektiv nicht sexuell motiviert gewesen, sagte die Richterin. Letztlich habe die Verhandlung auch nicht bestätigt, was in der Anklageschrift stand. Eine Berührung im Intimbereich über der Hose habe nicht nachweislich stattgefunden, „genau das hätte aber einen Unterschied gemacht“.

Ein Gleiten der Hand über den Oberschenkel der jungen Frau reiche nicht als strafbare Handlung aus. Eine solche müsse in Art und Dauer „erheblich“ sein; hinzu komme, dass das Zeigen einer Fesselungstechnik kaum ohne Berührungen ablaufen könne

Rechtsreferendarin sollten Fesselungstechniken demonstriert werden

Am 7. April des Vorjahres soll es in der JVA zu dem Übergriff gekommen sein, als der Rechtsreferendarin in der Kammer der Sicherungsverwahrung Fesselungstechniken bei Insassen demonstriert werden sollten. Sowohl die 29-Jährige, als auch zwei Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Werl gaben bei der Verhandlung am Dienstag an, dass die Gesamtsituation „unangenehm“ gewesen sei, auch von „unangemessen“ sprach ein Zeuge.

Ich habe sie in keinster Weise unsittlich berührt.

Der Angeklagte

Der Frau sollte an jenem Tag unter anderem gezeigt werden, wie eine „Hamburger Fessel“ angelegt wird. Dabei werden Insassen mit einer Kette an Hand- und Fußgelenk gefesselt. Allerdings verläuft die Kette durch die Hose, damit sie nicht sichtbar ist bei Ausführungen; sie verhindert aber, dass der Gefesselte weglaufen kann: dafür muss ein Loch in die Hosentasche geschnitten werden. So weit sollte es bei der Frau aber nicht kommen, die Technik sollte über der Hose gezeigt werden. Der Angeklagte (51) versicherte: „Ich habe sie in keinster Weise unsittlich berührt.“ Das Zeigen über der Kleidung habe ja dazu gedient, die Privatsphäre zu wahren und die Hose der 29-Jährigen nicht zerstören zu müssen. Außerdem habe er, anders als in der Anklage vermerkt, nicht die Hand in die Hosentasche der Frau gesteckt

Anzügliche Bemerkungen des Beamten

Die Rechtsreferendarin befand sich erst den zweiten Tag im Dienst in der JVA im so genannten „Durchlauf“, bei dem die Stationen der Anstalt gezeigt werden. Dazu gehörte auch die Kammer der Sicherungsverwahrung. Der Justizvollzugshauptsekretär war gebeten worden, so gab er an, ihr die Fesselungstechniken zu demonstrieren; dass ein Kollege anbot, das bei einem Mann zu zeigen, habe er offenbar überhört. Anzügliche Bemerkungen des Mannes soll es vor der Demonstration gegeben haben, zum Beispiel, dass die junge Frau sich auch ausziehen könne, aber auch nach der Situation, als er gesagt haben soll, dass sie nun ja die Techniken könne und sich ihr Freund abends darüber freuen könne.

Er ist mir halt sehr nahe gekommen.

Die Zeugin

Die Frau gab als Zeugin an, dass sie die Situation als unangenehm empfunden habe, sie aber „überrumpelt von der Situation“ gewesen sein. Sie habe schließlich nicht gewusst, was sie erwartet, habe aber auch nicht geäußert, dass sie die Demonstration der Fesseltechnik ablehne. Sie habe aber auch nicht einschätzen können, was in der „Männerdomäne“ einer JVA normal ist und was nicht. Sie habe gedacht, dass das nun mal so ist, sei überfordert gewesen und peinlich berührt, habe aber auch an ihrem erst zweiten Tag in der JVA „keinen Heckmeck“ machen wollen. „Er ist mir halt sehr nahe gekommen.“

Junge Frau wechselte die Anstalt

An eine Berührung im Intimbereich vermochte sie sich allerdings nicht zu erinnern. Und die Folgen der Situation seien ihr erst später bewusst geworden, auch, dass die einhergehenden Berührungen „nicht angebracht“ waren. Da sei ihr all das mitsamt der Folgen durchaus auf den Magen geschlagen. Sie wechselte nach Gesprächen mit der Gleichstellungsstelle und der Anstaltsleitung daraufhin die JVA, ging nach Bochum. Die Anstalt Werl sei sehr bemüht gewesen, „mir war das bis dahin gar nicht so bewusst.“ Und die Kollegen, die dem Vorfall beigewohnt hatten, hätten sich entschuldigt. „Offenbar lag ihnen am Herzen, dass ich nicht einen schlechten Eindruck von der JVA Werl hatte.“

Zeuge: „Er hat sie unnötig lange berührt“

Ein Zeuge der JVA gab an, dass eine Berührung der Frau bei der Demonstration der Hamburger Fessel gar nicht nötig gewesen sei. Der Angeklagte habe die Frau „unnötig lange berührt“. Er selber sei gleichwohl nicht eingeschritten, obwohl er zugegen war. „Ich war perplex.“ Der 33-Jährige sprach vom „Fremdschämen“ über das Verhalten des Angeklagten - und er habe sie auch nicht gefragt, ob er sie berühren darf. Auch habe er nicht angeboten, dass ein Mann „Modell steht“. Er sei davon ausgegangen, dass die Fesselungsdemonstration „unter Wahrung des Schamgefühls durchgeführt wird“.

Im nachhinein fand ich das unangenehm.

Ein Beamter als Zeuge

Sein Kollege, ebenfalls als Zeuge geladen, bestätigte die Wahrnehmungen. Seinen Vorschlag, die Aktion an einem Mann durchzuführen, habe der Angeklagte „wohl überhört“. Er betonte: Das Fesseln habe man auch durch Zeigen in der Luft demonstrieren können. Und: „Im nachhinein fand ich das unangenehm.“

Verteidiger macht Beamten Vorhaltungen

Genau das hielt ihm der Verteidiger aber vor. Er hätte doch einschreiten und den Kollegen nicht gewähren lassen dürfen, wenn er die Situation als übergriffig eingeschätzt habe, sagte der Verteidiger, der einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert hatte. Offenbar hätten die begleitenden Beamten mehr gesehen, als das Opfer selbst bemerkt hatte. Wenn auch die Zeugin sich unwohl gefühlt habe, habe sie doch nicht eindeutig benannt, weshalb das so war und worauf sich das bezog. Daher sei der Vorgang „nichts strafbar“.

Und es könne doch nicht sein, dass Sexualstraftatbestände so formuliert würden, „dass der Endverbraucher nicht weiß, was er darf und was er nicht darf“. Man habe nichts vorliegen „außer sensiblen Vorgesetzten und Zeugen, die das erst später schlimm fanden“. Das Ansinnen des Gesetzgebers, Frauen vor Übergriffen zu schützen, sei richtig. Letztlich dürften aber „geschmackliche Verirrungen“ nicht bestraft werden. Die vorgeworfenen Handlungen seien nicht festgestellt worden. Auch der Beamte betonte, als er das letzte Wort erteilt bekam: „Ich bin unschuldig.“

Staatsanwaltschaft forderte 5400 Euro Geldstrafe

Ganz anders sah das die Staatsanwältin: Jene Berührungen der Frau seien gar nicht notwendig gewesen und auch nicht üblich, wie die Zeugen geschildert hätten. Aus ihrer Sicht sei es eben auch unter Bezug der Bemerkungen doch eine sexuelle Belästigung gewesen, wenn auch „an der unteren Grenze“ und ohne große Folgebelastungen für die Frau. Daher sah sie eine Geldstrafe von 5 400 Euro als angemessen und „nicht übermäßig hoch“ an.

Gegen das Urteil kann die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen.

Auch interessant

Kommentare