Stadt besteht auf Räumung: Baustoffhandel verlässt Werl

Der Baustoffhandel Gammel wird seinen Standort am Motorsportgelände aufgeben. Firmenchef Boris Gammel zieht damit die Konsequenz aus einem Streit mit der Stadt Werl über die Nutzung des Areals in der Nähe der Autobahnauffahrt Werl-Süd. Mit seinem Unternehmen will Gammel im Sommer nach Soest übersiedeln.
Werl – Nach einem Ortstermin mit Vertretern der Verwaltung Anfang April hatte Boris Gammel noch leise gehofft, die Stadt umstimmen zu können. Doch nur wenige Tage nach dem Ortstermin bekam Gammel Post: Die Stadt besteht darauf, dass er das Gelände aufgibt. Und zwar bis zum 21. April. Andernfalls drohe eine Ordnungsverfügung.
Boris Gammel ärgert sich: „Es ist doch völlig unrealistisch, so ein Gelände innerhalb von 14 Tagen zu räumen.“ Für ihn ist das ein weiterer Beleg für den fragwürdigen Umgang mit seinem Unternehmen. „Das ist doch blanker Irrsinn, dass die uns nach 25 Jahren so vom Hof jagen. Rechts ist eine Motocrossbahn, links eine Schreinerei und in der Mitte darf kein Gewerbe stattfinden – das entbehrt doch jedem gesunden Menschenverstand.“
Gammel will trotzdem auf eine juristische Auseinandersetzung verzichten. Er wolle keine lange Hängepartie. Außerdem erscheinen die Erfolgsaussichten vor Gericht gering. Denn planungsrechtlich ist die Lage relativ klar. Das von der Firma genutzte Gelände findet sich im Außenbereich, der vor allem für Landwirtschaft vorgesehen ist.
Gammels Anwalt Dr. Robert Michel sagt, die Stadt sei inzwischen darüber informiert, dass sein Mandant das Gelände aufgibt. Allerdings dauere das seine Zeit. Das neue Firmenareal in der Nähe des früheren Truppenübungsplatzes Büecke könne Gammel erst Ende Juli übernehmen. Michel und Gammel hoffen deshalb darauf, dass die Stadt dem Unternehmen eine längere Übergangsfrist gewährt.
Alternative in Soest ist „Notlösung“
Boris Gammel ist froh, überhaupt eine Alternative gefunden zu haben. Denn die Suche gestaltete sich schwierig. Auch die Wirtschaftsförderung in Werl konnte ihm in der Wallfahrtsstadt keine geeignete Alternative bieten. Ein Angebot habe es noch aus Welver gegeben. „Doch dann hätten wir mit unseren 40-Tonnern durchs Dorf fahren müssen. Das wollten wir nicht.“ Auch wenn das neue Gelände besser geeignet sei, bleibt es aus Gammels Sicht nur eine Notlösung.
Der Umzug sei mit enormen Kosten verbunden. Die gesamte Infrastruktur müsse neu erstellt werden. „Außerdem müssen wir unsere gesamte Disposition neu lernen. Steinbrüche und Sandgruben ziehen ja nicht mit uns um.“ Alle Touren müssten neu geplant und die Lenkzeiten darauf abgestimmt werden. Und der Abstand zur Hauptachse Hamm-Arnsberg, die Gammel bislang bedient, wachse auch. Entsprechend müsse er mit längeren Fahrzeiten und höheren Spritkosten kalkulieren. Hinzu komme noch die Unsicherheit, ob alle Angestellten den Umzug mitmachen.
Bislang hat Gammel seinen Firmensitz noch in Fröndenberg – künftig möchte er Büro und Betriebsfläche in Soest vereinen – also dort auch Steuern zahlen. Dies hatte er auch der Stadt Werl in Aussicht gestellt. Außerdem hatte er angeboten, den Großteil der Kosten für die Sanierung des maroden Wirtschaftsweges, der zu seinem Betriebsgelände führt, zu übernehmen.
Bürgermeister: „Suchen pragmatische Lösung“
Argumente, die Bürgermeister Torben Höbrink bei seiner Betrachtung des Falls aber gar nicht erst in die Waagschale warf. Schließlich hätten sie an den fehlenden planungsrechtlichen Voraussetzungen nichts geändert. Und an die sei er nun mal gebunden. Gammels Sorge, dass der Betrieb nun innerhalb weniger Tage vom Hof gejagt wird, tritt Höbrink aber entgegen. „Wir werden Kontakt zum Betrieb aufnehmen und gemeinsam nach einer pragmatischen Lösung suchen.“
Seit 25 Jahren am Standort tätig
Das Grundstück neben dem Werler Ring wurde in den 1950er-Jahren als Bauhof des Landesstraßenbauamtes erschlossen und in den 1970er-Jahren von der Schreinerei Schobernd erworben. Seit 25 Jahren nutzt die Firma Gammel die Freifläche als Mieter, seit 2006 auch die ehemalige Streusalzhalle. Doch Bestandsschutz genießt laut Stadt nur die Schreinerei. Eine Umnutzung des Areals insgesamt sei bereits vor 50 Jahren ausgeschlossen worden. Auch das Motorsportgelände sei kein vergleichbarer Fall, da dessen Nutzung an bestimmte Bedingungen geknüpft sei. Das Unternehmen Gammel beschäftigt heute 15 Mitarbeiter, die mit neun Lastwagen Baustoffe ausliefern. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2018 ist Boris Gammel alleiniger Geschäftsführer. Damals habe ihm die Stadt auch erstmals signalisiert, dass das Unternehmen am jetzigen Standort keine dauerhafte Zukunft hat.
Doch der Betrieb fußte seit 2011 auf einer befristeten Genehmigung durch den Kreis Soest, ungefährliche Abfälle wie Bauschutt und Bodenaushub zu lagern und Recycling-Schotter zu brechen. Die Genehmigung lief Ende 2022 aus, was aus Sicht von Gammel nicht weiter schlimm wäre, da sie ohnehin nur noch einen kleinen Teil des Geschäftsfeldes abgedeckt habe.
Doch nun ist die Stadt wieder Genehmigungsbehörde. Und die sieht nach der vorherigen Duldung nun keine planungsrechtliche Grundlage für die weitere Gewerbenutzung. Da auch die Suche nach einem Alternativstandort innerhalb der Wallfahrtsstadt ohne Erfolg blieb, endet nach 25 Jahren das Werler Kapitel der Firmengeschichte.