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25 Jahre vor Ort: Firma soll Gelände räumen, weil planungsrechtliche Grundlage fehlt

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Von: Dominik Maaß

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Hoffen auf einen Verbleib des Unternehmens: Boris Gammel (links) und Betriebsleiter Frank Hosang.
Hoffen auf einen Verbleib des Unternehmens: Boris Gammel (links) und Betriebsleiter Frank Hosang. © Maaß

Seit 25 Jahren nutzt der Baustoffhandel Gammel das Areal neben dem Motorsportgelände des MSC als Firmengelände. Doch nun soll damit Schluss sein. Nachdem die letzte, befristete Genehmigung durch den Kreis Soest ausgelaufen ist, verweist die Stadt darauf, dass ein solches Gewerbe im Außenbereich planungsrechtlich nicht zulässig ist. Die Firma möchte bleiben.

Werl – Der kaputte Weg zum Motorsportgelände könne bald saniert werden, weil die anliegende Firma diesen künftig nicht mehr mit ihren Lastwagen befahre. Dieser kürzlich erfolgte Hinweis der Verwaltung an die Politik rief Boris Gammel auf den Plan, den Chef des betroffenen Baustoffhandels. Denn der möchte den Weg sehr wohl weiter nutzen. Er würde sogar für die Sanierung zahlen, wenn die Stadt ihn weiter auf dem Grundstück neben dem „Werler Ring“ arbeiten lässt. Doch die sieht keine Chance für eine dauerhafte Genehmigung.

Planungsrecht und Realität wollen am Standort schon seit vielen Jahren nicht so recht zueinander passen. Die Stadtverwaltung sieht nun die Zeit gekommen, beides in Einklang zu bringen. Mit Konsequenzen für Gammel: „Es geht hier um meine Existenz, um das Lebenswerk meines Vaters.“

Pflastersteine liegen seit fünf Jahren neben der Zufahrt

Dass er das Gelände verlassen soll, habe ihm die Stadtverwaltung erstmals 2018 signalisiert. Gammel wollte die Schotterfläche damals pflastern und erkundigte sich, welche Art der Genehmigung er dafür braucht. Die Stadt habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass sich die Investition womöglich nicht lohnt, weil der Verbleib am Standort ungewiss sei. Die Pflastersteine lagern noch heute neben der Zufahrt zum Gelände.

Direkt neben dem Motorsportgelände „Werler Ring“ befindet sich das Firmengelände (rot umrandet). Unten ist die Autobahnauffahrt Werl-Süd zu sehen.
Direkt neben dem Motorsportgelände „Werler Ring“ befindet sich das Firmengelände (rot umrandet). Unten ist die Autobahnauffahrt Werl-Süd zu sehen. © Google Maps

Dass das Thema gerade jetzt aufploppt, hat mit dem Auslaufen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu tun. Der Kreis Soest hatte der Firma von 2011 an erlaubt, ungefährliche Abfälle wie Bauschutt und Bodenaushub zu lagern und Recycling-Schotter zu brechen. Die Genehmigung wurde zweimal verlängert, zuletzt, im Juni 2021, allerdings nur noch für eineinhalb Jahre.

Für das Unternehmen sei das an sich kein Problem, sagt Gammel. Denn die so genehmigten Arbeiten machten nur noch einen kleinen Teil der Geschäftstätigkeit aus. Für das Betreiben des reinen Baustoffgroßhandels bräuchte er eine solche Genehmigung nicht.

Bürgermeister: Für Baugenehmigung fehlt Grundlage

Allerdings ist mit Auslaufen der Kreis-Genehmigung die Stadt Genehmigungsbehörde und muss nun selbst verantworten, was rechtlich auf dem Grundstück zulässig ist und was nicht. „Das Unternehmen bräuchte eine Baugenehmigung“, sagt Bürgermeister Torben Höbrink. Doch für diese fehlten die planungsrechtlichen Grundlagen. „Es handelt sich um Außenbereich.“ Die Ansiedlung eines solchen Gewerbebetriebs sei dort weder auf Basis des vorhandenen Flächennutzungsplans, noch eines Bebauungsplans möglich. Auch eine Umwidmung durch die Stadt sei keine Lösung, so Höbrink. „Das würde die Bezirksregierung nicht mitmachen.“ Schließlich sehe auch der Regionalplan südlich von Werl perspektivisch kein Gewerbe vor. Dagegen sprächen zum Beispiel Vogel- und Naturschutz.

Standort und

Das Grundstück neben dem Werler Ring wurde in den 1950er-Jahren als Bauhof des Landesstraßenbauamtes erschlossen und in den 1970er-Jahren von der Schreinerei Schobernd erworben. Die nicht genutzten Flächen vermietete Schobernd in der Folge an verschiedene Unternehmen, unter anderem an das Bauunternehmen Pretel. Seit 25 Jahren nutzt inzwischen die Firma Gammel die Freifläche, seit 2006 auch die ehemalige Streusalzhalle des Bauhofs. Seit sein Vater 2018 starb, ist Boris Gammel alleiniger Inhaber. Er beschäftigt heute 15 Mitarbeiter, die mit neun Lastwagen Baustoffe ausliefern, vor allem an Händler und Garten- und Landschaftsbauer. Vor einigen Jahren plante Gammel eine Erweiterung des Firmengeländes um das benachbarte Flurstück. Die Stadt lehnte ab. Inzwischen sei eine Erweiterung nicht mehr beabsichtigt, sagt Gammel. Lediglich die alte Salzhalle würde er gerne erneuern. Doch Bürgermeister Torben Höbrink verweist darauf, dass die Stadt bei erlaubter Ansiedlung grundsätzlich dazu verpflichtet wäre, ein adäquates Wachstum zu ermöglichen.

Für Boris Gammel ist das alles nur sehr schwer nachzuvollziehen. „Wir sind seit 25 Jahren hier und noch nie hat sich jemand über uns beschwert. Wir tun hier doch niemandem weh.“ Die benachbarte Schreinerei habe auch eine Erlaubnis und um Lärmbelastung könne es angesichts der nahen Autobahn und des benachbarten Motorsportgeländes wohl kaum gehen. Der Firmenchef hat auch den Eindruck, dass sich bei der Stadt lange niemand dafür interessiert hat, was das Unternehmen dort überhaupt macht.

Gammel hat der Stadt angeboten, einen Großteil der Kosten für die Sanierung des maroden Wirtschaftswegs zu übernehmen. „Am Zustand haben wir natürlich unseren Anteil.“ Allerdings werde der Weg auch von schweren landwirtschaftlichen Fahrzeugen, den Besuchern des MSC-Geländes und Anwohnern der Siedlung am Hammerstein genutzt. Dürfte er bleiben, würde er auch seinen Firmensitz von Fröndenberg nach Werl verlegen und hier Steuern zahlen, verspricht Gammel. Er sei bereit zum Dialog: „Wir können über alles sprechen.“

Vergebliche suche nach Alternativen

Die Suche nach Alternativflächen in Werl, auch durch die Wirtschaftsförderung, sei bislang ohne Erfolg geblieben. Aber eigentlich will Gammel ja auch gar nicht weg. Der jetzige Standort nahe der Autobahnauffahrt sei für seine Zwecke sehr gut geeignet. „Sollen wir stattdessen mit unseren Lastwagen quer durch die ganze Stadt fahren?“

Mit der Aufgabe seines Betriebes sei für den jetzigen Standort doch auch nichts gewonnen, findet Gammel. Es entstehe nur eine Brache. Und stattdessen werde in Sönnern für neue Gewerbeflächen bestehender Acker kaputt gemacht.

Der Bürgermeister kann das Interesse der Firma nachvollziehen: „Ich weiß, dass das schwierig ist“, sagt Höbrink. „Deshalb holen wir ja auch nicht die Keule heraus und schließen am ersten Tag zu.“ Aber planungsrechtlich sei die Sache nun mal eindeutig. Im Nachhinein sei es müßig, zu ergründen, warum die Firma dort bislang geduldet wurde. Als Bürgermeister könne er nicht einfach Recht beugen und eine dauerhafte Genehmigung erteilen. Und ein „Sterben auf Raten“ bringe doch auch niemandem etwas. Gerade deshalb habe man ja auch nach Alternativflächen gesucht und der Firma angeboten, mit Nachbarkommunen über eine Ansiedlung zu sprechen.

Das „reine Feldgebiet“ und der Bestandsschutz

Für Rechtsanwalt Dr. Robert Michel, der die Firma Gammel in der Angelegenheit vertritt, ist fraglich, warum der MSC Werl direkt nebenan ein Motorsportgelände betreiben darf, wenn es sich doch um ein „reines Feldgebiet“ handelt. Laut Bürgermeister Torben Höbrink ist der MSC dort seit 1971 ansässig, noch vor Inkrafttreten des Bundesimmissionsschutzgesetzes, und genieße Bestandsschutz. Der Verein verfüge aber auch über eine aktuelle Genehmigung durch den Kreis Soest, es gebe Lärmschutzgutachten und festgelegte Nutzungszeiten.

Michel stellt aber auch die planerischen Festsetzungen in Frage. „Schaut man in die Übersicht zu Katasterbezeichnungen unter www.tim-online.nrw.de, so ist das Gebiet, dass durch die Firma Gammel genutzt wird, als Mischgebiet ausgewiesen und zwar mit Wohn- und Gewerbegrundstücken.“ Zudem sei auch die zeitlich nicht befristete Genehmigung für die Schreinerei zu berücksichtigen. Es sei zu prüfen, ob der Bestandsschutz nach 25 Jahren nicht auch für das Unternehmen Gammel in die Waagschale zu werfen ist.

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