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Gerichtsbeschluss zu Unfall an Anrufschranke: Bahn muss für Schaden zahlen

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Von: Dominik Maaß

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So sah die Schranke am Bahnübergang Tiggesloh aus, nachdem sie auf die Kutsche gekracht war.
So sah die Schranke am Bahnübergang Tiggesloh aus, nachdem sie auf die Kutsche gekracht war. © Nitsche

Fast fünf Jahre nach dem Unfall mit einer Kutsche am Bahnübergang Tiggesloh hat das Werler Amtsgericht nun über die Schadensersatzklage entschieden.

Werl – Die Bahn muss dem Unfallopfer die Reparatur-Rechnung für die Kutsche in Höhe von 2429 Euro bezahlen. Das bestätigte Amtsgerichtsdirektor Frank Daniel Seidel auf Anfrage.

Der Werler Franz Neuhaus war am 3. Juni 2018 in Begleitung zweier Freunde mit seinem Pferdegespann über den Bahnübergang nördlich von Holtum gefahren, der damals mit einer Anrufschranke gesichert war. Die Schranke stand laut Neuhaus offen. Dabei hätte sie eigentlich geschlossen sein müssen, bis jemand über die Sprechanlage das Öffnen verlangt. Als sich die Kutsche auf dem Übergang befand, habe sich die Schranke rasch gesenkt. Die Pferde gingen durch. Die Kutsche landete im Graben und wurde beschädigt. Die Passagiere kamen mit blauen Flecken davon.

Neuhaus verklagte die Bahn auf Schadensersatz. Was ihn damals besonders ärgerte: Statt zu zahlen, wollte die Bahn von ihm 1000 Euro für die defekte Schranke haben. Schon bis zum Auftakt des Zivilprozesses sollte es fast drei Jahre dauern. Gleich zu Beginn ließ das Gericht erkennen, dass es eine Verantwortung der Bahn für den Unfall sieht. „Ich habe erhebliche Bedenken, ob das eine ordnungsgemäße Sicherung ist, nur Lautsprecher anzubringen“, sagte Zivilrichter Grundmann im März 2021. Doch bis zur Entscheidung war es ab da noch ein langer Weg.

Prüfung der Schadenshöhe kostet viel Zeit

Viel Zeit kostete die Prüfung der genauen Schadenshöhe. Neuhaus ließ seinen Wagen von einem Kutschenbauer aus Hamm reparieren. Gerichtet beziehungsweise ersetzt werden mussten unter anderem Spielwaage, Deichsel, Leinen und Brustblätter. Neuhaus zahlte dafür 2429 Euro. Ein Sachverständiger bewertete die Rechnung als deutlich zu hoch – womit wiederum Neuhaus nicht zufrieden war. Das Gericht befragte anschließend den Kutschenbauer als Zeugen und kam letztlich zum Schluss, dass die Bahn die volle Summe zahlen muss.

Bahn haftet

„Die Klage war in erster Instanz erfolgreich“, sagte Seidel. Einschlägig ist hier aus Sicht des Gerichts die sogenannte Gefährdungshaftung. So sei der Unfall beim Betrieb der Eisenbahnanlagen entstanden und durch eine Einrichtung der Bahn verursacht worden, erläuterte Seidel. Unabhängig von der tatsächlichen Schuld-Zuweisung müsse die Bahn für die Folgen haften.

Die volle Summe bekomme Neuhaus, „weil er darauf vertrauen durfte, dass die Kosten zurecht vom Kutschenbauer geltend gemacht wurden“, so Seidel. Das Risiko einer etwas überhöhten Rechnung müsse im Zweifel die Bahn tragen. Das Gericht unterscheide dabei auch, ob es „nur“ um einen Kostenvoranschlag geht oder jemand tatsächlich den Schaden reparieren lässt.

Berufung ist möglich

Ob die juristische Aufarbeitung des Falls damit abgeschlossen ist, wird von Experten bezweifelt. Die Bahn hat nun einen Monat Zeit, um in Berufung zum Landgericht zu gehen. Dabei dürfte es der Bahn weniger um die Schadenssumme gehen, als um das Verhindern eines Präzedenzfalls. Schließlich gibt es noch viele Anrufschranken im Land. Und immer wieder ist von Zwischenfällen zu hören und zu lesen.

Bahn baut Übergang seit Jahren um

Ähnlich lange wie die juristische Aufarbeitung des Schranken-Unfalls dauert auch der Umbau des Bahnübergangs am Tiggesloh von einer Anrufschranken-Anlage auf automatische Halbschranken. Im August 2019 starteten die ersten Arbeiten. Was zunächst nur Monate dauern sollte, zieht sich inzwischen über Jahre hin.

Immer wieder schob die Bahn das Datum für die Fertigstellung nach hinten, zuletzt auf Ende 2023. Lieferschwierigkeiten, Corona-Krise, Diebstahl von Bauteilen – immer wieder gab es neue Gründe für Verzögerungen.

Genervt von der Dauerbaustelle räumten Unbekannte in der Zwischenzeit immer wieder Absperrungen zur Seite und wählten den lebensgefährlichen Weg über die Gleise.

Auch weitere Anrufschranken in Werl werden umgebaut – ab 2027.

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