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„Akute Platznot“ macht Ganztag zur Mammutaufgabe: Ausbau an Schulen nötig

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Von: Gerald Bus

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Die Norbertschule beklagt akute Platznot, nun soll ein Anbau her.
Die Norbertschule beklagt akute Platznot in der Betreuung, nun soll ein Anbau her. © Nitsche, Thomas

Mit dem „Mut zur Lücke“ geht mancher Schüler in Klassenarbeiten. Mit etwas Glück wird das, was an Wissen fehlt, halt nicht abgefragt. Ein Vorgehen, mit dem die Stadt bei der Planung der Betreuung im Offenen Ganztag an Schulen nicht durchkommen würde. Schließlich gibt die Rechtslage Vorgaben, wie viele Plätze dafür vorgehalten werden müssen. Die Berechnung zeigt: Die Lücken sind groß. Rechnerisch fehlen für die Erfüllung der Rechtslage (Betreuungsquote 75 Prozent) aktuell 267 Plätze.

Werl - Mit diesem Wissen geht die Verwaltung in den Schulausschuss am 10. November. Dort sollen Weichen gestellt werden, damit die Stadt ihre Hausaufgaben rechtzeitig erledigen kann.

Und das ist eine ganze Menge, auch finanziell. Vor allem an der Norbertschule ist die Unterdeckung gravierend. Für sie wird daher ein Anbau geplant. Auch für Westönnen ist eine Schul-Erweiterung angedacht; in Büderich steht die Lösung eines gemeinsamen neuen Gebäudes für die OGS und die geplante Kita auf dem Bolzplatz im Raum. Und an der Petrischule muss noch abschließend geklärt werden, ob die unausweichlich nötige Sanierung wirtschaftlich noch sinnvoll oder ein OGS-Neubau die bessere Variante ist. Nur an der Walburgisschule gibt es keinen weiteren Handlungsbedarf, weil der Um- und Ausbau dort ohnehin läuft.

Die Verwaltung erläutert für die Politik die Situation und den Maßnahmenkatalog für alle fünf Grundschulen gemessen am aktuellen Stand (Oktober 2022).

Norbertschule

Das Sorgenkind ist die Norbertschule. Sie habe eine „akutes Platzproblem“ und Raumnot. Die Betreuungsquote liegt derzeit bei 42 Prozent. Von 108 Plätzen entfallen 66 auf die OGS, 20 auf die „Betreuung von 8 bis 1“ und 22 aufs Schulkinderhaus. Da künftig 273 Kinder an der Schule im Westen erwartet werden, müsste es zur Erfüllung der Betreuungsquote 205 Plätze geben – also 97 mehr als derzeit.

Die Schule hat aktuell für die OGS-Betreuung ihre Fachräume fast komplett aufgelöst. Die Aula werde „multifunktional als Speise- und Betreuungsraum, Bücherei, Förderraum und zur Hausaufgabenbetreuung genutzt“, so die Verwaltung. Dennoch reichen die Räume nicht aus. Etwa 65 Kinder teilen sich in der Betreuung bis 16 Uhr zwei Klassenräume. Die Caritas als OGS-Träger und die Schulleitung „machen schon seit längerer Zeit auf die angespannte Situation aufmerksam“, so heißt es in der Vorlage für die Politik.

Die Verwaltung schlägt zur Erweiterung der Betreuungsräume einen Anbau für die OGS und die „Betreuung von 8 - 1“ mit 183 Plätzen vor. Das Schulkinderhaus könne im Untergeschoss bleiben. Falls das Modell Schulkinderhaus – die beiden in Werl sind die letzten in NRW – einst auslaufen sollte, könnten die Kinder in die OGS wechseln. Dann würden die Kinder aus der „Betreuung 8-1“ in die jetzigen Räume des Schulkinderhauses umziehen.

Die Schule besitzt derzeit nur einen Fachraum (Musik). Durch die OGS-Auslagerung gewinne sie zwei Fachräume und ihre Aula zurück. 2023 soll die Planung neuer Betreuungsräume erfolgen. Die Planungskosten (300 000 Euro) stehen im Haushalt 2023. Bei der Haushaltsplanung ab 2024 sind Gelder zur Umsetzung eingestellt, so dass sie ab 2024/25 erfolgen kann.

Petrischule

Eng ist es auch in der Betreuung im Norden. Die Quote liegt derzeit bei 67 Prozent. Von 137 Plätzen entfallen 94 auf die OGS und 43 auf die „Betreuung 8-1“. Für die Zukunft werden 237 Kinder erwartet, demnach werden 178 Betreuungsplätze benötigt. Das sind 41 mehr als heute.

Die Betreuung ist derzeit im umgebauten ehemaligen Lehrschwimmbecken und in einem Trakt der alten Petrischule untergebracht, der dafür – anders als andere Gebäudeteile – eigens nicht abgerissen wurde. Die Verwaltung sieht aber für beide Betreuungsgebäude einen „erheblichen Sanierungsbedarf“, von der energetischen Seite über Schadstoffe bis zum Sanitärbereich. Daher sei zu prüfen, ob eine Sanierung beider Komplexe wirtschaftlich ist „oder über einen Erweiterungsbau und Abriss des Altbestands nachgedacht werden muss“.

Eine OGS-Erweiterung könnte zum einen durch die räumliche Trennung beider Betreuungsformen realisiert werden, so die Verwaltung. „In diesem Fall könnten für die Betreuung 8-1 Klassenräume genutzt werden, da die Petrischule keine durchgängige Dreizügigkeit erreichen wird.“ Ein Anbau könnte zum anderen die noch fehlenden OGS-Plätze ausgleichen. Die bisher zur Betreuung genutzten Räume müssten dann abgerissen und die Fläche dem Schulhof zugeschlagen werden.

Für vorbereitende Maßnahmen zum Ausbau wie zum Beispiel Gutachten für Schadstoffe sind 20 000 Euro im Haushalt 2023 eingeplant.

St. Josef-Schule

Rein rechnerisch steht die Westönner Grundschule gut da. Viel fehlt nicht, um die Betreuungsquote zu erreichen. Sie liegt schon jetzt bei 72 Prozent, die höchste Quote aller Werler Grundschulen. Von 96 Plätzen entfallen 55 auf die OGS (55 Plätze) und 41 auf die „Betreuung 8-1“. Der Schulentwicklungsplan erwartet 138 Kinder, für die es also 103 Betreuungsplätze geben muss. Demnach müssen sieben zusätzliche Plätze her im Laufe der nächsten Jahre.

Auf Wunsch der Schule wurden schon in diesem Jahr beide Betreuungsformen (8-1 und OGS) im Trakt der „Alten Schule“ untergebracht. Der Musikraum dort kann nur noch eingeschränkt genutzt werden. Ein Klassenraum ist ins Schulgebäude verlegt worden, der Computerraum hat sich angesichts von Tablet & Co überholt. „Notwendige Renovierungsmaßnahmen werden durchgeführt“, kündigt die Verwaltung an. Aber durch die Nutzung der „Alten Schule“ als Betreuungshaus fehlen der Schule Fachräume. „Daher ist perspektivisch eine Erweiterung der Schule auf der Grundlage der Schulentwicklungsplanung notwendig.“ Ab 2023 soll die weitere Projekt- und Finanzplanung folgen.

Marienschule

Bei der Marienschule Büderich liegt die Betreuungsquote aktuell bei 52 Prozent. Von den 118 Plätzen entfallen 43 auf die OGS und 75 auf die „Betreuung 8-1“. Der Schulentwicklungsplan geht von künftig 226 Kindern aus, daher sind 170 Betreuungsplätze nötig, 52 mehr als heute.

Die „Betreuung 8-1“ befindet sich zurzeit in zwei Räumen im Untergeschoss. Die OGS ist in zwei ehemaligen Klassenräumen im Erdgeschoss, der Speiseraum im Untergeschoss. Als Fachräume gebe es nur einen Musikraum sowie eine Bücherei, die auch für Förderstunden genutzt wird. Es sei nicht möglich, Betreuungsräume durch Umorganisation im Bestand zu schaffen.

Da in Büderich auch eine neue Kita gebaut werden soll, soll auf dem Bolzplatz ein zweigeschossiges Gebäude für Kita (unten) und OGS (oben) gebaut werden. Das Betreuungshaus soll „zeitnah realisiert werden“, wenn die Politik dem Bau zustimmt. Eine Erweiterung des Schulgebäudes für den OGS-Ausbau wäre hingegen „vom Umfang her aufwändiger“, sagt die Verwaltung. Zudem würde das neue Betreuungshaus flexibler in der Nutzung sein.

Walburgisschule

An der Walburgisschule liegt die Betreuungsquote aktuell bei 62 Prozent. 174 Plätze gibt es insgesamt, davon 76 in der OGS, 71 in der „Betreuung von 8 bis 1“ und 27 im Schulkinderhaus. Laut Schulentwicklungsplanung werden künftig 325 Kinder erwartet. Wenn für 75 Prozent ein Betreuungsangebot vorgehalten werden muss, sind 244 Betreuungsplätze nötig. Demnach fehlen aktuell 70 Betreuungsplätze.

Dass die Verwaltung dennoch für die Betreuung nach dem Unterricht „momentan keinen weiterer Handlungsbedarf“ sieht, hängt mit den ohnehin laufendem Ausbau zusammen. „Mit Abschluss der Baumaßnahmen stehen der Schule bereits ab 2023 zusätzliche Räumlichkeiten für Betreuungsplätze zur Verfügung“, heißt es in der Vorlage für den Schulausschuss.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: Kritik an zu wenig Geld vom Bund

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen soll Betreuungslücken in Familien schließen, sobald Kinder eingeschult werden. Das Ganztagsförderungsgesetz sieht die stufenweise Einführung eines Anspruchs auf ganztägige Förderung ab August 2026 vor. Ab dann sollen zunächst alle Erstklässler einen Anspruch auf ganztägige Förderung haben. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je einen Jahrgang ausgeweitet, sodass ab 2029 jedes Grundschulkind Anspruch auf Ganztagsbetreuung hat. Eltern müssen das Angebot aber nicht in Anspruch nehmen. Zur Erfüllung des Rechtsanspruchs müssen Plätze geschaffen werden. All das kostet viel Geld, sowohl der Ausbau, als auch der Betrieb. Der Bund fördere mit 3,5 Milliarden Euro Investitionen in Ganztagsangebote, habe bereits 750 Millionen Euro zum beschleunigten Ausbau bereitgestellt. Werl wurden demnach 312 400 Euro zugewiesen. Laufe die Aufteilung der Investitionsmittel identisch ab, würde Werl rund 685 700 Euro erhalten für Investitionen (Neu- und Umbauten sowie Sanierung von Räumen). Der Bund werde sich künftig auch an Betriebskosten der Ganztagsbetreuung beteiligen, die Länder mit bis zu 1,3 Milliarden Euro jährlich unterstützen. „Diese finanzielle Beteiligung des Bundes ist aus städtischer Sicht in keinster Weise auskömmlich“, teilt die Werler Verwaltung mit. Daher werde in Zusammenarbeit mit kommunalen Spitzenverbänden „ein deutlicher Appell an die Bundesregierung gerichtet mit dem Ziel, kommunale Haushalte in diesem Zusammenhang nicht zu überfordern“. Auf eine endgültige Lösung will die Stadt aber nicht warten, da frühzeitig geklärt werden muss, wo welcher Bedarf besteht.

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