Dass sich Sicht- und Lichtverhältnisse durch die Aufstockung des Kindergartens ändern, sei ebenfalls klar. Jeder könne bald aus der Kita direkt ins Schlafzimmer schauen, der Schutz der Anwohner falle weg. „Dadurch verliert unser Grundstück an Attraktivität und Wert“, fürchtet die Werlerin, die auch auf andere Nachbarn verweist, die nicht glücklich mit der Situation seien. „Wir zumindest fühlen uns hilflos und allein gelassen.“
Dabei habe sie gewiss nichts gegen den Kindergarten. Der war schließlich schon da, als die Beekmanns 2006 das Haus erwarben. Aber da seien es eben nur drei Gruppen im Flachbau gewesen; nun kommen drei in einem neuen Obergeschoss hinzu, sodass bald 120 statt wie bisher 60 Kinder betreut werden. Mehr Kinder, mehr Verkehr, mehr Lärm – „wir wissen nicht, was auf uns zukommt“, sagt Nicole Beekmann. Das gelte auch für die Bauzeit an sich.
Sicher gibt es Risiken des Alltags, aber die müssen für uns Anwohner doch abgemildert werden.
Hinzu komme die Unwissenheit, ob der Zaun zum Grundstück und das trennende Buschwerk, beides im Besitz der Gemeinde, bleiben oder nicht. „Sicher gibt es Risiken des Alltags, aber die müssen für uns Anwohner doch abgemildert werden“, fordert die Werlerin. „Ich bin keine Krawallbürgerin – aber da fühlen wir uns schlichtweg übergangen.“ Und das, wo das Haus doch auch ein Stück Lebenswerk sei, für das die Beekmanns gearbeitet haben. „Wir fühlen uns hier wohl.“ Aber all das Unbekannte wollen sie nicht klaglos über sich ergehen lassen.
Pfarrer Christoph Lichterfeld wäscht bezüglich des Informationsflusses seine Hände in Unschuld: „Wir sind da raus“. Schließlich sei nicht die Kirchengemeinde Bauherrin, sondern die Firma Materio. Die habe das Altgebäude übernommen und baut auch das Obergeschoss; die Kirchengemeinde mietet sich dann bei Materio ein. Das Kirchengelände wiederum wird an Materio verpachtet. Tatsächlich sei einst von einer Bürgerbeteiligung die Rede gewesen, räumt Lichterfeld ein. Nun aber liege bei der Baufirma die Baugenehmigung vor. Warum es keine Bürgerversammlung gab, „kann ich nicht sagen.“ Dass das bei Anliegern für Unmut sorgt, „kann ich verstehen, aber nicht mehr ändern.“ Kritik sei nachvollziehbar, wenn sich das Umfeld dermaßen verändert. Ebenso klar sei aber auch, sagt Lichterfeld, „dass der Ausbau alternativlos ist“. Die Kita-Plätze würden gebraucht.
„Die Sorgen der Nachbarn kann ich nachvollziehen“, räumt Stadtplaner Ludger Pöpsel ein. Er macht aber unmissverständlich deutlich, dass der Stadt die Hände gebunden waren.
Wir hatten nach Baurecht zu entscheiden, das haben wir getan.
„Wir hatten nach Baurecht zu entscheiden, das haben wir getan.“ Der Ausbau des Kindergartens sei zulässig, wenn er sich in die Umgebung einfügt. Das sei so. Es habe schon im Juni 2021 Fragen von Anliegern gegeben; ohne Bauantrag aber waren Infos damals kaum möglich.
Obwohl es nicht nötig gewesen sei, habe die Verwaltung den Kontakt zu Anliegern aber aufrecht erhalten, sie auch informiert, als Materio den Bauantrag im März stellte. Denn direkt Betroffene haben Akteneinsichtsrecht. Eine Bürgerversammlung habe die Stadt allerdings als „nicht zwingend erforderlich“ eingestuft und „keinen Sinn darin gesehen“ – wegen der eindeutigen Rechtslage. Es habe dennoch direkte Gespräche mit Anliegern, aber auch Kontakt zum Anwalt der Beekmanns gegeben. Anfang April habe die Stadt ihm die Unterlagen zugeleitet.
Anfang Mai habe der Jurist um ein „offenes Gespräch“ gebeten und „kritische Punkte“ benannt, die erträglicher für die Anlieger gestaltet werden sollten. Nach einem weiteren Gespräch mit Materio habe die Stadt dem Anwalt mitgeteilt, dass sie den Bauantrag als genehmigungsfähig einstufe, Änderungen nicht angedacht seien und das Verfahren kurz vor dem Abschluss stehe. Gleichwohl stehe man zum Gespräch bereit. „Danach gab es keine Reaktion mehr, aber all das mag zu dem Unmut geführt haben“, sagt Ludger Pöpsel. Am 31. Mai erfolgte die Baugenehmigung.
Johannes Berger von der Bauherrin Materio bestätigt frühere Überlegungen einer Bürgerversammlung, zumal sich mehrere Nachbarn bei der Stadt gemeldet hatten. Aber es sei auch der Corona-Lage geschuldet gewesen, dass es nicht dazu gekommen sei. „Grundsätzlich ist es ja gut, dass man miteinander statt übereinnader redet“, sagt Berger. Aber auch er nutzt das Wort „alternativlos“, wenn es um den Ausbau des Martini-Kindergartens geht. Der heutige Eingang, angrenzend an den Garten der Beekmanns, bleibt; es kommt aber ein weiterer weiter westlich hinzu, ein Treppenhaus samt Aufzug für das Obergeschoss. „Wir berücksichtigen die Interessen der Nachbarn“, versichert Berger, der auf den direkten Kontakt mit der Stadt verweist. Einige hätten sich direkt gemeldet, andere eben über einen Anwalt. Die Beteiligung direkter Nachbarn sei nach dem Bauantrag gegeben gewesen, als Pläne einsehbar waren. Inhaltlich werde aber am Bau nichts mehr geändert. Das Obergeschoss springt zumindest in Teilen etwas zurück.