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„Radfahrer müssten Vorrang haben“

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Von: Dirk Wilms

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Rolf Wiemer aus Borgeln, im Energiemanagement der Stadt Hamm tätig, steht mit Welvers Klimamanagerin Christine Tigges im Austausch.
Rolf Wiemer aus Borgeln, im Energiemanagement der Stadt Hamm tätig, steht mit Welvers Klimamanagerin Christine Tigges im Austausch. © Dirk Wilms

„Die Zeit ist reif!“ Barbara Brune hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Sie besitzt ein Auto, muss sich hin und wieder hinters Steuer setzen. Doch in der Regel ist sie mit dem Rad unterwegs oder mit dem Zug. „Und ins Dorf gehe ich zu Fuß. Das sind ja nur ein paar hundert Meter“, ergänzt die Klimaaktivistin.

Welver - Im Rahmen der Auftaktveranstaltung zur Mobilitätswoche auf dem Marktplatz in Welver macht sie keinen Hehl aus ihrer Meinung, dass die Zukunft nicht mehr dem Auto gehören sollte. „Ich finde es toll, dass sich hier in Welver jetzt was bewegt“, sieht sie zum Beispiel die Bemühungen um ein Radwegenetz in der Niederbörde positiv. „Wenn man nach Holland fährt, kann man erfahren, dass die uns um 15 Jahre voraus sind“, sähe sie es gern, wenn dem Fahrrad auch in heimischen Gefilden mehr und mehr Vorrang eingeräumt würde.

Als ganz praktisches Beispiel führt sie eine Stelle unweit ihrer Wohnung in Meyerich auf. „Da endet der Radweg, der aus Scheidingen kommt, an der Werler Straße ganz abrupt. Die Radfahrer müssen dann die Straßenseite wechseln, um weiterfahren zu können. Das müsste mit einem dicken, roten Streifen markiert werden. Und die Radfahrer müssten Vorrang haben, die Autofahrer müssten warten“, fordert sie eine Umkehr in der Verkehrspolitik.

Ins gleiche Horn stößt auch Rolf Wiemer aus Borgeln. Der gebürtige Welveraner ist als ehemaliger Klimamanager der Stadt Hamm vom Fach, steht im Austausch mit seiner Kollegin Christine Tigges von der Gemeinde Welver. So hat er sich neben Flächenversiegelung und Beschattung auch intensiv mit der Mobilität befasst. „Wir müssen die Gewohnheiten und die Einstellung ändern“, fordert er ein Umdenken.

Er ist weitgehend mit Rad und Zug unterwegs, hatte mit Spielzeug-Modellen auf kleinen Brettchen am Infostand veranschaulicht, welche Mengen an CO2 mit der Nutzung welcher Verkehrsmittel ausgestoßen werden. „Junge Leute glauben mir kaum, dass meine Eltern kein Auto hatten“, erinnert er daran, dass die Vorkriegsgeneration keineswegs so abhängig vom Auto war wie die heutige.

Dass auch im ländlichen Raum Alternativen geschaffen werden müssen zum motorisierten Individualverkehr, das hebt auch Peter Schlüter vom Bürgerbus-Verein hervor. Er war zum Auftakt der Mobilitätswoche mit dem Elektro-Fahrrad von Eilmsen nach Welver gekommen und hatte dabei einmal mehr festgestellt, wie groß der Handlungsbedarf ist, um die Wirtschaftswege im Rahmen des Radwegekonzepts für Zweiräder besser befahrbar zu machen.

Schlüter hofft, dass die Bereitschaft in der Gesellschaft wächst, das Leben autoärmer zu gestalten. Dazu wollen er und seine Mitstreiter auch durch den Bürgerbus einen Beitrag leisten. Seit der Wiederaufnahme des Betriebs im Februar wurde der Stamm der Fahrgäste gehalten. „Wir haben 40 bis 50 Fahrgäste pro Woche, sie kommen mit dem auf Montag und Freitag reduzierten Angebot gut klar. Eine Dame richtet ihren Frisörtermin nach unseren Fahrzeiten“, gibt er ein praktisches Beispiel.

Woran es hapert, ist weiterhin die mäßige Zahl an ehrenamtlichen Fahrern. Neun Personen sind aktuell im Einsatz. „Wir suchen rüstige Rentner, die sich zweimal pro Monat für jeweils vier Stunden hinters Steuer setzen“, hofft er auf Verstärkung. Und er fordert auf, den Blick in die Zukunft zu richten. „Drive on demand“ ist sein Stichwort. So könnten sich Bürger aus den 21 Ortsteilen melden, wenn sie Bedarf haben, ohne Auto beispielsweise zu den Bahnhöfen in Welver und Borgeln zu gelangen.

Bürgermeister Camillo Garzen zeigte sich zufrieden mit dem Auftakt der Mobilitätswoche: „Die Gemeinde wollte auf eine nachhaltige Mobilität und die vorhandenen Angebote aufmerksam machen. Eine zukunftsfähige Mobilität kann nur miteinander gestaltet werden. Denn die Menschen, die in Welver leben, arbeiten, pendeln, aufwachsen und älter werden, sind Experten dafür, was funktioniert und was nicht.“

Garzen erläuterte, dass bei der Abfrage nach den genutzten Verkehrsmitteln die meisten Kreuze beim Fahrrad und beim Auto gemacht worden sind. Der ÖPNV würde vor allem für die Anbindung nach Soest, Hamm und Bad Sassendorf genutzt. „Insbesondere das 9-Euro-Ticket wurde mehrfach erwähnt.“ Im Vordergrund der Gespräche stand aber der Radverkehr. Denn Klimaschutz und Energiesparen seien Gründe für die Abschaffung des Zweitautos.

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