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Zuflucht auch in Dinkers Pfarrhaus

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Von: Dirk Wilms

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In der St.-Othmar-Kirche in Dinker kamen die Ukraine-Helfer aus der Gemeinde Welver zusammen.
In der St.-Othmar-Kirche in Dinker kamen die Ukraine-Helfer aus der Gemeinde Welver zusammen. © Dirk Wilms

Wenn sich die düsteren Prognosen bewahrheiten, muss auch die Niederbörde mit einer Zahl an Flüchtlingen aus der Ukraine rechnen, die alles in den Schatten stellt, was vor etwa sechs Jahren geschehen ist. Damals strömten an die drei Millionen Asylsuchende aus Syrien, Afghanistan und Afrika nach Europa. Jetzt sprach Außenministerin Annalena Baerbock von acht Millionen, die Zuflucht suchen in der EU. In Welver wäre demnach mit einer hohen dreistelligen Zahl an Flüchtlingen zu rechnen, wie von Experten zu vernehmen ist.

Dinker - Diese Lage führten Bürgermeister Camillo Garzen und die Amtsleiter Lothar Paul und Detlev Westphal den Anwesenden vor Augen, die sich am Montag auf den Weg in die St. Othmar-Kirche nach Dinker gemacht hatten. Sie haben sich in den vergangenen fünf Wochen schon in den Dienst einer Sache gestellt, die bislang nur die Spitze des Eisbergs ist im Vergleich zu dem, was noch kommen mag.

„Wir dürfen uns nichts vormachen. Das wird keine Aktion für ein paar Wochen sein. Das kann Monate, wenn nicht gar Jahre dauern“, schenkte der Bürgermeister reinen Wein ein. Umso dankbarer sei die Gemeinde, dass sich so viele helfende Hände bislang in den Dienst der guten Sache gestellt haben.

Das betonte auch Sozialamtsleiter Lothar Paul, der die Federführung beim Krisenstab im Rathaus innehat. „Wir freuen uns über die Solidarität, die uns zuteilgeworden ist“, galt sein Wort des Danks an alle Helfer. Eine große Zahl an Welveranern hat Wohnraum zur Verfügung gestellt, um Flüchtlinge aufzunehmen. So kann in Kürze auch direkt neben der St.-Othmar-Kirche im Pfarrhaus die bisherige Wohnung des Pastors durch Flüchtlinge belegt werden.

Lothar Paul zeigte sich überaus erfreut, dass dadurch bislang fast alle Ankömmlinge privat untergebracht worden sind. Er sprach von 86 Personen, die bis Montag registriert worden sind. „Ich gehe aber davon aus, dass schon an die 100 Leute aus der Ukraine in der Gemeinde sind, da einige erst mit zeitlichem Versatz bei uns angemeldet werden“, so seine Einschätzung.

Unter den registrierten Ukrainern waren 45 Frauen, 34 Kinder und sieben Männer. Der älteste Flüchtling ist eine 76-jährige Frau; der Altersdurchschnitt sei mit etwa 30 aber extrem niedrig. Und er wird noch sinken. Denn unter den Frauen sind einige schwanger.

Für weitere Flüchtlinge standen am Montagabend noch 23 Schlafplätze in privaten Haushalten zur Verfügung. Schwierig erweist sich Paul zufolge der Kauf von Matratzen, die mancherorts schon ausverkauft sind. Der Sozialamtsleiter würde sich freuen, wenn sich weitere Welveraner melden würden, die freien Wohnraum zur Verfügung stellen würden. Denn die Unterbringung in privater Umgebung sei allein wegen der Traumatisierung, die viele Flüchtlinge erfahren haben, erste Option.

In einem Fünf-Punkte-Plan steht dies daher auch an erster Stelle. An zweiter Stelle folgt die Anmietung von ganzen Wohnungen durch die Gemeinde. Hier stellte Paul klar, dass es dabei nur um langfristige Vermietungen gehen kann, mindestens bis Jahresende. „Wir hatten schon nett gemeinte Angebote, aber nur für zwei, drei Wochen“, verwies er auf kurzfristige Optionen, die aber nicht weiterhelfen.

Auf Nachfrage verdeutlichte er, dass auch einzelne Zimmer angenommen werden, zumal hier die Hilfe so unmittelbar im privaten Umfeld erfolgen kann. Aber: „Wir wollen die Solidarität nicht überfordern“, weiß Paul, dass die Aufnahme von Flüchtlingen auch mit einer Pro-Kopf-Pauschale von 70 Euro monatlich finanziell nicht aufgefangen werden kann.

Sollten die privaten Räumlichkeiten – ob als ganze Wohnungen oder Zimmer – nicht mehr ausreichen, zöge die Gemeinde als dritte Option die Unterbringung in den Asylunterkünften in der ehemaligen Hauptschule oder im Eilmser Wald. Dies ist bislang nur bei zwei Männern zum Tragen gekommen, die aus der Ukraine kamen, aber nicht stammen. In einem Fall geht es um einen Aserbaidschaner, im zweiten Fall um einen Marokkaner. „Bei ihm handelt es sich um einen Studenten. Es ist gut möglich, dass ihm noch weitere zehn Landsleute in kürzester Zeit folgen werden“, machte Paul klar. Für sie wäre eine Unterbringung in den Asylunterkünften denkbar, zumal sie ebenso arabisch sprechen wie dort schon wohnende Flüchtlinge aus anderen Gegenden.

Sollten auch die Hauptschule und Eilmsen nicht mehr ausreichen, käme die vierte Option zum Tragen, die Bauamtsleiter Detlev Westphal erläuterte: die Zweifach-Sporthalle der Grundschule. „Es wäre eine absolute Notmaßnahme“, verdeutlichte Westphal. Denn das wäre zum einen eine enorme Herausforderung für die Gemeinde, aber noch mehr für die Betroffenen. 50 Feldbetten würden zwischen spanischen Wänden aufgestellt, binnen zwei Stunden könnte diese Notunterkunft eingerichtet werden. Die Männer vom Bauhof sind auf diese Spezialaufgabe schon vorbereitet.

Ausgewählt wurde die Zweifachhalle, weil hier Duschen und Toiletten in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, ebenso ein Sozialraum. Im äußersten Notfall könnte die Kapazität sogar auf 100 Betten erweitert werden.

Für den Fall, dass sich das Corona-Virus unter den Flüchtlingen ausbreiten sollte, steht die Turnhalle der ehemaligen Hauptschule als Ausweichquartier mit 20 Plätzen zur Verfügung. Fünfte Option wäre schließlich das Aufstellen von Containern; so weit wollten die Beamten der Gemeinde in ihren Ausführungen aber noch nicht gehen. Sie stellten vielmehr dar, dass bei aller Dankbarkeit für das riesige Engagement vieler Ehrenamtlicher die Gemeinde den Überblick behalten müsse. So muss auch die Verpflegung durch einen Caterer sichergestellt werden, wenn tatsächlich die Zweifach-Halle belegt werden sollte.

Gleichwohl: Bei allen Hürden und Hindernissen fand Camillo Garzen abschließend noch ein Wort der Zuversicht: „Wir werden diese Herausforderung gemeinsam meistern.“

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