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Welvers Bürgermeister im Interview: „Wir brauchen einen langem Atem“

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Von: Dirk Wilms

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Welvers Bürgermeister Camillo Garzen, bekennender Fan des 1. FC Köln, ist seit 14 Monaten im Amt.
Welvers Bürgermeister Camillo Garzen, bekennender Fan des 1. FC Köln, ist seit 14 Monaten im Amt. © Dirk Wilms

Der Satz eines Mitarbeiters aus dem Rathaus spricht Bände: „Wir sind jahrelang mit einem Golf über die Mittelspur der Autobahn getuckert, jetzt werden wir gerade von einem Porsche überholt!“ Bürgermeister Camillo Garzen legt ein atemberaubendes Tempo vor, seit er das Chefbüro in der Gemeindeverwaltung von Welver bezogen hat. Am Ende seines ersten Jahres im Amt des Bürgermeisters stand er Rede und Antwort im Gespräch mit Dirk Wilms.

Herr Garzen, Sie sind nun 14 Monate im Amt. Auf welche Entscheidung in dieser Zeit sind Sie besonders stolz?

Es gibt nicht die eine Entscheidung, die mich besonders stolz macht. Ich bin sehr zufrieden, dass wir in Welver gemeinsam, also Verwaltung und Politik, in den letzten Monaten viele gute und wegweisende Entscheidungen für Welver getroffen haben, die uns als Gemeinde in den nächsten Jahren eine positive Entwicklung ermöglichen. Und dies vielfach im Miteinander statt wie in den früheren Jahren in einem Gegeneinander. Meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung möchte ich an dieser Stelle einen großen Dank aussprechen. In den letzten Monaten haben wir viele Meilensteine für die weitere Entwicklung der Gemeinde Welver setzen können, was ohne jeden Einzelnen nicht möglich gewesen wäre.

Bei welchem Problem bedauern Sie, dass es Ihnen noch nicht gelungen ist, es in Ihrer Amtszeit zu lösen?

Schon vor Amtsantritt habe ich immer gesagt, dass wir einen langen Atem brauchen. Probleme, die schon viele Jahre bestehen, können nicht in einem Jahr gelöst werden. Um Probleme nachhaltig lösen zu können, musste erst die Basis gelegt werden. Dies haben wir in den letzten Monaten getan. Jetzt geht es weiter und ich freue mich, unsere gesetzten Ziele umzusetzen.

Wie sehr trifft Sie so harsche Kritik, wie Sie im Zusammenhang mit dem Gewerbegebiet Ostbusch geäußert wurde?

In jeder Position, in der man Verantwortung trägt und Entscheidungen trifft, muss man auch immer mit Kritik rechnen. Man trifft Entscheidungen oder wählt eine Vorgehensweise, die nicht immer jedem gefallen muss. Dies gilt im Besonderen auch für die Funktion des Bürgermeisters. Der Kritik muss man sich dann stellen und das mache ich.

Es steht jetzt eine Fülle von Maßnahmen an, die im Jahr 2022 angepackt werden müssen. Welche der Baustellen wird als erste nach Neujahr angepackt?

Es gibt nicht die eine Baustelle, die prioritär angepackt werden muss. Die Herausforderung ist, dass zeitgleich viele Maßnahmen angegangen werden müssen. Dies spiegelt sich auch im Haushalt für das Jahr 2022 wider. Es seien nur wenige Maßnahmen genannt wie Feuerwehr, Bördehalle und OGS.

Dann spreche ich konkret die Fälle an. Wo sehen Sie persönlich die Lösung für die Bördehalle? Das Gebäude ist jetzt 50 Jahre alt und wohl nicht mehr zu retten...

Im Haushalt haben wir schon Mittel für einen Neubau eingestellt, da der jetzige Bau nicht mehr den Anforderungen entspricht und nicht saniert werden kann. Damals war es gut, eine Halle für 1200 Besucher zu bauen. Doch heute muss es angepasst werden. Die Schützen sagen, dass eine Halle für 700 Leute reicht. Im Bedarfsfall kann auch ein Zelt davor aufgebaut werden. Es ist nicht sinnvoll, wieder eine so große Halle zu bauen, die man mit keiner Veranstaltung mehr voll bekommt und die zum Kostengrab werden könnte. Es muss kleiner und schlanker gebaut werden. Und wir müssen an die Satelliten denken wie Tennisclub, Sportverein und Jugendtreff.

Im Zusammenhang mit der Bördehalle wird auch an einen Neubau des Lehrschwimmbeckens gedacht, entsprechende Posten sind im Etat für 2022 zu finden. Ist eine Kombination an der Buchenstraße denkbar?

Wir brauchen eine Lösung für das gesamte Areal, wo ja auch der Judoclub beheimatet ist. Wir denken mit der Politik gemeinsam darüber nach, wie die Zukunft von Bördehalle und Lehrschwimmbecken aussehen kann. Das wurde schon diskutiert, als ich 2017 nach Welver gekommen war. Doch da gab es nur ein Hauen und Stechen. Jetzt scheint sich die Ansicht durchzusetzen, dass man Synergieeffekte der beiden Komplexe an einem Standort nutzen könnte. So ließen sie sich die Umkleiden für Schwimmbad, Bördehalle und Sportplatz zusammenfassen. Wir müssen bei den Überlegungen auch das Thema Flächenversiegelung im Auge haben. Es macht Sinn, die jetzt schon überbauten Flächen zu nutzen.

Dann wäre für die Grundschüler der Weg zum Lehrschwimmbecken aber deutlich weiter als derzeit.

Ja, aber das erscheint zumutbar, zumal wir die Stelle des jetzigen Lehrschwimmbeckens anderweitig für die Schule nutzen könnten. Denn hier wird ein enormer Platzbedarf entstehen, wenn 2025 der Rechtsanspruch auf einen Platz in der Offenen Ganztagsschule erfüllt werden soll. In Borgeln sind wir da mit dem jetzigen Neubau gut aufgestellt. In Welver aber geht aus der prognostizierten Entwicklung der Schülerzahlen hervor, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Ist denn eine Erweiterung von Grundschule und OGS am jetzigen Standort machbar? Oder muss die Feuerwehr dann weichen?

Wir müssen analysieren, ob wir die Komplexe für die Zukunft am jetzigen Standort dargestellt bekommen und ertüchtigen können. Wenn wir die Erkenntnis gewinnen, dass das nicht möglich ist, müssen wir uns der Herausforderung stellen und nach Alternativen suchen. Wir müssen die Zeit nutzen, für das Jahr 2025 gut zu planen, alles Für und Wider abzuwägen und zeitnahe Entscheidungen zu fällen.

Welche Lösung würden Sie persönlich favorisieren?

Für die Feuerwehr ist der Standort am Finkenweg ein kritischer Bereich. Mitten in einer Tempo-30-Zone, neben Schule und Kindergarten. Da ist es nicht unproblematisch, wenn die Feuerwehrleute schnell zum Gerätehaus müssen bei einem Einsatz. Daher spricht viel dafür, das Gerätehaus zu verlagern.

Wäre das diskutierte Gelände gegenüber dem Heiligenhäuschen an der Ecke Bahnhofstraße/Pferdekamp ein geeigneter Standort?

Die Sicherung des Brandschutzes muss bei allen Überlegungen ganz vorn stehen. Wir brauchen einen Standort, von dem aus alle Bereiche des Zentralortes in möglichst kurzer Zeit zu erreichen sind. Das ist auf der genannten Fläche gegeben, kann über drei Hauptstraßen schnell erreicht werden. Ich weiß sehr wohl, dass dieses Gelände im Flächennutzungsplan nicht dafür vorgesehen ist. Aber man muss über den Standort losgelöst von der Historie diskutieren. Wenn wir das Feuerwehrgerätehaus für Welver an diesem Platz realisieren könnten, wäre es möglich, Grundschule und Offene Ganztagsschule am jetzigen Standort zu ertüchtigen.

Für die Feuerwehr in Welver haben Sie sich klar positioniert, in den meisten Dörfern sind die Entscheidungen längst gefallen. Wie weit sind die Planungen da fortgeschritten?

Ich hoffe, dass wir schon im Jahr 2022 an mehreren Standorten mit dem Bau der Gerätehäuser beginnen können. Für Scheidingen visieren wir das dritte Quartal an. Hier war die Planung am einfachsten, da die Gemeinde schon Eigentümer des Grundstücks war. Doch auch in Klotingen, Berwicke und Vellinghausen geht es voran mit der Änderung des Flächennutzungsplans. Jetzt warten wir auf die Zuteilung der Fördermittel

Und in Schwefe?

Unsere Entscheidung ist eindeutig. Verwaltung, Politik und Feuerwehr haben sich für das Areal am Soestweg entschieden. Jetzt liegt der Ball beim Kreis Soest. Ich hoffe, dass wir dort mit unseren Argumenten überzeugen können. Es ist dabei aber nicht ausgeschlossen, dass der gesamte Prozess in einem Prozess mündet. Wann dann der Brandschutz in Schwefe, Einecke, Eineckerholsen, Merklingsen und Ehningsen nach modernen Gesichtspunkten sichergestellt werden könnte, ist offen.

Ganz anderes Thema: Wann fällt der Raiffeisen-Turm?

Ich hoffe, noch in 2022. Der Investor ist ja voller Enthusiasmus. Doch auch da gibt es Fristen. Zunächst müssen die Gebiete aus dem Siedlungsflächenübergang im Flächennutzungsplan umgewandelt werden. Dann kann die Raiffeisen-Fläche als Mischgebiet ausgewiesen werden. Unser Bestreben ist, dass im neuen Jahr wirklich was passiert. Doch ist auch zu beachten, dass sich Corona bei den Arbeitsabläufen in den Behörden ausgewirkt hat.

Direkt nebenan soll es auch im Jahr 2022 losgehen, im Rahmen des ISEK die Umgestaltung der Straße Am Markt starten. Wie steht es das um das sogenannte Filetstück? Haben Sie in jüngster Zeit mit dem Besitzer der Fläche gesprochen?

Es hat da noch keinen direkten Kontakt gegeben. Es gibt ja eine Veränderungssperre, die noch 2022 gilt. Da müssen wir noch einmal einen neuen Anlauf nehmen. Die Lösungen für den gesamten Bereich habe ich zusammen mit der Verwaltung im Haushalt für 2022 und die Folgejahre dargestellt. Hier sind die notwendigen Haushaltsmittel für die Maßnahmen aufgeführt. Der Haushalt wurde mehrheitlich durch den Rat beschlossen, sodass wir nach der Haushaltsgenehmigung sukzessive mit den notwendigen Maßnahmen starten können.

Alle Maßnahmen kosten eine Menge Geld. Läuft Welver nicht Gefahr, im Nu wieder so tief in die roten Zahlen zu rutschen, wie es vor nicht allzu langer Zeit der Fall war und dazu geführt, dass die Gemeinde in die Haushaltssicherung gerutscht ist?

Wir haben den Etat für die nächsten Jahre solide finanziert. Für den Kreditrahmen haben wir die Zustimmung von der Politik. Wenn wir die Kredite tatsächlich in Anspruch nehmen sollten, ist auch die Tilgung eingeplant. Wir werden nicht wieder zur HSP-Gemeinde und auch ohne Steuererhöhungen auskommen.

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