„Wir sprechen uns per Facetime“, ist die moderne Technik zwar eine Hilfe, um in Kontakt zu bleiben. Das ist aber nur ein schwacher Trost angesichts der Perspektivlosigkeit durch den Krieg. „Es wird nie wieder so, wie es war“, fürchtet Oksana Chuprina, dass Putin die Waffen noch lange nicht schweigen lässt – im Gegenteil. Eine Rückkehr nach Slowjansk wird daher wohl ein frommer Wunsch bleiben, fernab jeglicher realistischer Pers-pektive.
Gleichwohl würden die beiden Frauen gern wieder zurück in ihr Heimatland. „Wir gehen aber nur zurück, wenn die Ukraine die Ukraine bleibt“, deutet Hanna Severin an, dass eine Zukunft unter russischer Besatzung nicht vorstellbar ist. Dabei sei es ungewiss, wie Russland sich in Zukunft verhalten würde.
Wie kompliziert bisweilen die deutsche Bürokratie ist, zeigt dieses Beispiel auf. Hanna Severin musste bei der Registrierung ihren Namen in lateinischen Buchstaben notieren – kein leichtes Unterfangen für eine Frau, die bislang nur die kyrillische Schrift kannte. Dabei schrieb sie bei ihrem Nachnamen als vorletzten Buchstaben ein kleines „u“. Seither heißt sie bei den Behörden Severun. Eine rasche Abänderung in Severin hat bislang nicht geklappt.
„Putin hört nie auf“, befürchtet Oksana Chuprina. Daher kreisen die Gedanken der beiden Frauen nachts oft um das, was ist und was kommen wird. „Tagsüber haben wir Ablenkung, doch wenn man allein ist, denkt man viel nach“, wissen sie nicht, wie es weitergehen soll.
Das wussten sie auch nicht, als sie am 26. März am Bahnhof im polnischen Przemysl ankamen. „Beim Anblick unserer Jungs vom Motorrad-Club haben sie wohl erst einmal etwas Panik bekommen“, weiß Kai Ackermann von seinen Clubkollegen, wie die erste Begegnung damals war. Doch eine Helferin beruhigte die Frauen. „Mädchen, sie haben so ein Glück, hat sie uns gesagt. Jetzt wissen wir, wieso sie das gesagt hat“, erzählt Hanna Severin von der ersten Begegnung.
Die Motorradfreunde hatten im März die spontane Idee zu helfen. „Mit zehn Bullis wurden Medikamente an die ukrainische Grenze gebracht und Flüchtlinge mit nach Deutschland genommen“, berichtet Kai Ackermann. Er und seine Frau hatten sich bereit erklärt, die Erdgeschosswohnung, gerade frisch als Feriendomizil renoviert, zur Verfügung zu stellen.
Also warteten sie am 27. März ganz gespannt auf die Neuankömmlinge. „Wir waren auf drei Personen eingestellt“, war zunächst nicht geplant, gleich fünf aufzunehmen. „Doch die beiden haben gesagt, dass sie auf jeden Fall zusammenbleiben wollen“, so Kai Ackermann. Kein Wunder, schließlich kennen sie sich seit dem Beginn ihrer Ausbildung an der pädagogischen Hochschule vor 18 Jahren, sind beste Freundinnen. „Da haben wir mithilfe von Freunden schnell Matratzen und vieles mehr organisiert“, ist Christine Ackermann dankbar über die vielfältige Unterstützung.
In den folgenden Wochen blieb ihr eine Odyssee von einer Behörde zur nächsten nicht erspart. Ob Gemeinde, Ausländerbehörde, Zentrale Unterbringungseinrichtung – viele bürokratische Hürden mussten genommen werden. Jüngst gab es Schwierigkeiten mit der Überweisung der Miete, der Teufel steckt da bisweilen im Detail. „Bei meiner Kontonummer fehlte eine Ziffer. Um das zu korrigieren, reichte nicht mal eben ein Anruf“, lässt Kai Ackermann durchblicken.
Immerhin ist es unkompliziert gelungen, die beiden kleinen Kinder rasch in der Grundschule in Welver unterzubringen, während Igor am Convos in Soest angemeldet wurde. Die Frauen sind froh, im Deutschkursus im Bernhard-Haus erste Grundbegriffe in jener Sprache gelernt zu haben, die in ihrem neuen Umfeld gesprochen wird. Und das wird auch noch auf unabsehbare Zeit so bleiben.
So ist denkbar, dass sie auch Weihnachten im Hause Ackermann erleben werden, wie sie schon Ostern hier verbracht haben. „Das war so schön“, können sich Oksana Chuprina und Hanna Severin vorstellen, die Tradition mit den Ostereiern mit in die Heimat zu nehmen, wenn sie dorthin zurückkehren können; wenn...