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„Hauptschule ist unverzichtbar“

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Von: Dirk Wilms

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Sozialamtsleiterin Lydia Weiland und Hausmeister Antonio Salerno freuen sich über die ersten Spielzeugspenden, die nach dem Aufruf Anfang der Woche in der ehemaligen Hauptschule eingetroffen sind.
Sozialamtsleiterin Lydia Weiland und Hausmeister Antonio Salerno freuen sich über die ersten Spielzeugspenden, die nach dem Aufruf Anfang der Woche in der ehemaligen Hauptschule eingetroffen sind. © Dirk Wilms

Seit Jahresbeginn hat sich Lydia Weiland ein Bild verschafft. Die neue Leiterin des Sozialamts im Rathaus weiß inzwischen, wo in ihrem Zuständigkeitsbereich der Schuh ganz besonders drückt. Und das ist in der Gemeinde Welver, wie in vielen anderen Kommunen auch, bei den Flüchtlingsunterkünften.

Welver - Aktuell – das heißt Anfang der letzten Januar-Woche – waren in Welver 294 geflüchtete Personen gemeldet. Damit erfüllt die Gemeinde aber noch längst nicht die Quote, die ihr vom Land aufgebürdet wird. Bis zu 163 Personen könnten von heute auf morgen zugewiesen werden; dabei platzen die Unterkünfte schon jetzt fast aus allen Nähten.

„Bei der Unterbringung der unterschiedlichen Personengruppen müssen wir darauf achten, dass nach Möglichkeit eine ähnliche Gesinnung zusammenfindet, um typischen Eskalationen vorzubeugen“, macht sie deutlich. So müssten vor allem geschützte Räumlichkeiten für Kinder, Frauen und Senioren wie auch für Menschen mit Behinderungen oder Kriegsverletzungen vorgehalten werden.

Daher ist es ein großes Anliegen von Lydia Weiland und ihren Kollegen im Sozialamt, die Flüchtlinge nicht unter Vollauslastung der Räumlichkeiten einzupferchen. Die Zahlen theoretisch vorhandener Plätze sind daher mit Vorsicht zu genießen. Demnach könnten rechnerisch in der ehemaligen Hauptschule noch 20 weitere Personen untergebracht werden. Doch sind keine Zimmer mehr frei, sodass Schutzsuchende zusammengelegt werden müssten. „Maximal zehn weitere Flüchtlinge sind hier realistisch“, sieht Weiland schon ein Überlaufen der Einrichtung kommen.

Das gilt weniger für den Eilmser Wald. Da gibt es noch Kapazitäten. 77 Personen waren mit Stichtag 23. Januar dort gemeldet, 23 Zimmer sind noch nicht belegt. Daher könnten noch 40 weitere Personen dort unter vertretbaren Bedingungen untergebracht werden. Doch der Zustand der Gebäude ist so marode, dass seitens der Politik schon längst einmütig beschlossen wurde, in Eilmsen einen Schlussstrich zu ziehen. Auch Lydia Weiland betont: „Das ist eigentlich eine Zumutung dort!“

Momentan ist aber nicht daran zu denken, in der abgelegenen Einrichtung den Schlüssel für immer umzudrehen, wenn auch stets damit gerechnet werden muss, dass die Heizung endgültig ihren Geist aufgibt. Schon jetzt fällt sie regelmäßig aus, kann aber dank findiger Techniker immer wieder in Gang gesetzt werden.

Das ist unerlässlich, denn die Menschen aus dem Eilmser Wald könnten woanders in der Gemeinde Welver kaum eine Heimstatt finden. Umso wichtiger ist auch aus Sicht der Sozialamtsleiterin, dass die alte Hauptschule als Flüchtlingsunterkunft weiterhin erhalten bleibt: „Sie ist unverzichtbar!“

Denn ansonsten müsste tatsächlich die Option gezogen werden, die Zweifach-Sporthalle in eine Flüchtlingsunterkunft zu verwandeln, wenn eine große Schar von Schutzsuchenden vor der Tür stehen würde. An die 50 Personen könnten hier auf Feldbetten schlafen.

Das ist aber der allerletzte Notnagel. Vielmehr laufen die Bemühungen auf Hochtouren, dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Zu einem kleinen Teil ist dies schon gelungen, lebten zum Stichtag 60 Personen in gemeindeeigenen oder gemieteten Gebäuden. Hinzukommen noch 60 privat untergebrachte Menschen aus der Ukraine.

Doch müssen noch viel mehr Häuser und Wohnungen gekauft oder gemietet werden. „Wir nehmen fast alles“, betont Weiland die große Notlage. Allerdings erfüllen eben viele Angebote nicht die Bedingungen. Ein Einfamilienhaus mit großen Garten bringt die Gemeinde nicht weiter. Andererseits weiß sie auch von Anfragen der Gemeinde, die negativ beschieden werden. „Es gibt Eigentümer, die abwinken, wenn sie hören, dass wir was für Flüchtlinge suchen“, spricht sie ganz offen ein Problem an.

Auch Bürgermeister Camillo Garzen weiß um die Dringlichkeit, dezentrale Lösungen zu finden. „Wenn sich die Zahlen bewahrheiten, wird es noch ganz böse“, verweist auf Informationen von höherer Stelle über absehbare Zuweisungen von Menschen wie zum Beispiel Ortskräften aus Afghanistan. „Wir hatten bis jetzt Glück, dass unsere Plätze ausgereicht haben. Und wir wollen die Sporthalle auch nur nutzen, wenn sonst gar nichts mehr geht.“ Daher sieht er keine Alternative zur weiteren Nutzung der ehemaligen Hauptschule als Flüchtlingsunterkunft.

„Ich würde gern darauf verzichten, wir können es derzeit aber nicht“, macht er angesichts der aktuellen politischen Diskussion eindringlich deutlich. Es fehlten in Welver die Möglichkeiten, auf die Schnelle dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

Dazu bedürfe es Zeit, Geld und entsprechender Angebote. Eine Lösung mit mobilen Wohngebäuden wie Containern auf gemeindeeigenen Grundstücken sei denkbar und auf jeden Fall besser, als die jetzigen Einrichtungen überlaufen zu lassen. „Wir dürfen kein Ghetto schaffen“, betont der Bürgermeister.

In der ehemaligen Hauptschule tut derweil unter anderem Hausmeister Antonio Salerno alles Erdenkliche, um den Flüchtlingen das Leben erträglich zu gestalten. Hocherfreut nahm er die ersten Spielsachen entgegen, die nach dem Aufruf durch die Gemeinde abgegeben worden waren. Tagsüber schaut der Enser auch stets nach dem Rechten; am Wochenende und in den Nachtstunden übernimmt eine Brandwache diese Aufgabe.

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