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Experte wirbt für Bürgerrat in Welver

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Von: Dirk Wilms

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Für die Einrichtung von Bürgerräten macht sich die Organisation „Mehr Demokratie“ stark, die mit einem Zitat von Bundeskanzler Willy Brandt für ihr Anliegen wirbt.
Für die Einrichtung von Bürgerräten macht sich die Organisation „Mehr Demokratie“ stark, die mit einem Zitat von Bundeskanzler Willy Brandt für ihr Anliegen wirbt. © Mehr Demokratie

Thorsten Sterk zog alle Register. Der Mitarbeiter des Vereins „Mehr Demokratie“ zeigte in einer ausführlichen Stellungnahme im Haupt- und Finanzausschuss auf, welche positiven Auswirkungen die Einrichtung von Bürgerräten in einer Kommune haben können.

Welver – „Bürgerräte wirken Populismus und Politikverdrossenheit entgegen. Die Menschen, die daran mitwirken, erfahren eine Selbstwirksamkeit“, betonte der Experte vor der Welveraner Politik. Die Grünen hatten den Antrag auf Einrichtung von Bürgerräten gestellt. Deren Fraktionsvorsitzende Cornelia Plaßmann warb einmal mehr für das Projekt: „Auf diese Weise nehmen wir die Bürger mit, trauen ihnen was zu. Wenn wir die Bürger nicht beteiligen, können Fronten entstehen, die sich gegenüberstehen.“

Thorsten Sterk machte deutlich, dass Bürgerräte für die Politik hilfreich sind, weil sie den Entscheidungsträgern einen Einblick in die Haltung der Menschen zu einem bestimmten Thema geben würden. Die Bürger bekämen im Gegenzug einen Einblick in politische Verfahren. Letztlich würde auch die Verwaltung profitieren, wenn Fachwissen in ein sachlich geführtes Verfahren eingebracht werden könne.

Bevölkerungsstruktur wird repräsentiert

Bürgerräte können in Kommunen gebildet werden, um zu einem bestimmten Thema Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die an die Politik weitergeleitet werden. Die Entscheidungen liegen weiterhin bei den politischen Gremien. Ein Bürgerrat hat eben nur eine beratende Funktion. Je nach Größe der Kommune sind Bürgerräte unterschiedlich groß, können zwischen 20 und 1000 Mitglieder haben. Die Teilnehmer werden per Los ausgewählt, dabei sind Alter, Geschlecht, Bildung, Wohnort und Migrationshintergrund Kriterien. In jedem Fall soll Sorge getragen werden, dass ein Bürgerrat die Bevölkerungsstruktur repräsentativ widerspiegele.

Sterk betonte, dass in Bürgerräten stets die Suche nach Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehe, ohne politische Vorgaben, ohne Fraktionszwang. Der Status in der Gesellschaft spiele keine Rolle. Vielmehr werde bei der Zusammensetzung der Bürgerräte darauf geachtet, dass alle Schichten vertreten sind, gleichermaßen Männer und Frauen. „Am Ende ist ein Konsens in 80 bis 90 Prozent der Fälle die Regel“, berichtete Sterk.

Er zog Beispiele heran, wo Bürgerräte schon funktionieren, nannte Orte wie Aachen, Amberg, Herzberg und Homberg/Efze, ebenso Vorbilder aus dem Ausland wie im österreichischen Bundesland Vorarlberg und im deutschsprachigen Ostteil Belgiens. In Brandis bei Leipzig gebe es sogar einen Jugendrat mit Mädchen und Jungen ab der siebten Schulklasse.

All dies kostet aber, wie schon aus der Vorlage für die Sitzung hervorgeht. Für Plaßmann sind die genannten Zahlen irritierend. „Das ist deutlich überzogen“, ordnet sie die 75 000 Euro aus ihrer Sicht ein. Für einen Bürgerrat müsse im Rathaus keine ganze Stelle eingerichtet werden, wie es aus Verwaltung heißt. Schließlich tage ein Bürgerrat nicht ständig, sondern anlassbezogen und gewiss nicht jedes Jahr.

In diese Kerbe schlug auch Tim-Fabian Römer, Fraktionschef der BG. „Diese immensen Zahlen sind nach außen nicht zu verkaufen.“ Er wollte zwar nicht in Frage stellen, dass anlassbezogene Bürgerräte gut sein könnten. Doch die Bürgerbeteiligung ginge noch viel weiter. Schließlich sei es Aufgabe der Verwaltung, dass die Bürger Entscheidungen nachvollziehen könnten.

Beispiel Arnsberg

Bürgermeister Camillo Garzen erklärte die von der Verwaltung dargestellten Kosten mit Erfahrungen aus der Nachbarschaft. So habe die Stadt Arnsberg sogar zwei Stellen im Rathaus eingerichtet, wo zwei Bürgerräte pro Jahr einberufen würden. Die Vor- und Nachbereitung dieser Bürgerräte sei sehr arbeitsintensiv. „Aktuell haben wir kein Personal dafür“, verdeutlichte er mit Blick auf seine Verwaltung.

Auch CDU-Fraktionschef Michael Schulte zeigte sich von den 75 000 Euro Kosten irritiert und ließ durchblicken, dass andere Wege der Beteiligung dazu dienen könnten, die Bürger mitzunehmen, nannte in diesem Zusammenhang Bürgerversammlungen: „Das würde für weniger Zündstoff sorgen.“

Letztlich stimmte Schulte aber auch dafür, die Angelegenheit erst einmal in die Fraktionen zu geben für eine weitere Beratung. Dem schlossen sich bis auf Tim-Fabian Römer alle Fraktionen an, nachdem Cornelia Plaßmann noch einmal für ihren Antrag geworben hatte. So verwies sie darauf, dass es Kritik gab an der Art und Weise der Bürgerbeteiligung im Rahmen der Umgestaltung der Ortsmitte von Welver (ISEK) aufgrund einer vermeintlich nicht gegebenen Repräsentativität. Die sei hingegen bei einem anlassbezogenen Bürgerrat gegeben.

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