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Die Ahse schlängelt sich bald durch die Auen

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Von: Dirk Wilms

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Eine große Schar Interessierter hatte sich am Sonntagmorgen mit Gummistiefeln oder wasserfestem Schuhwerk ausgestattet, um an der Exkursion teilzunehmen. Der neu geschaffenen Abbruchkante war Vorsicht geboten, um nicht abzurutschen.
Eine große Schar Interessierter hatte sich am Sonntagmorgen mit Gummistiefeln oder wasserfestem Schuhwerk ausgestattet, um an der Exkursion teilzunehmen. Der neu geschaffenen Abbruchkante war Vorsicht geboten, um nicht abzurutschen. © Dirk Wilms

Interessiert betrachten die Teilnehmer an der Exkursion in den Ahse-Auen die Abbruchkante. Deutlich erkennbar ist die klare Trennung zwischen hellbraunem Lehm und dunkelbraunem Erdreich, mit dem einst der alte Lauf der Ahse zugeschüttet worden war. Sogar noch nicht verrottetes Totholz ist noch vorhanden, wo einst der Grund des größten Bördebachs verlief. Hier in den Auen bei Dinker schlängelte sich die Ahse durch die Landschaft, ehe die Landwirtschaft in Flussbegradigungen ihr Heil sah.

Dinker - Nun werden die damaligen Maßnahmen rückgängig gemacht, sodass in wenigen Wochen dort, wo am Sonntag die Exkursionsteilnehmer den alten Flusslauf erkennen konnten, wieder Wasser plätschern wird. Annette Kühlmann und Birgit Dalhoff von der Wasserwirtschaft des Kreises Soest leiteten die Exkursion, zeigten den Wissbegierigen die Vielfalt der Maßnahmen auf, die unerlässlich sind, wenn die Ahse-Auen wieder jene Funktion erhalten sollen, die ihnen über Jahrhunderte zukam, ehe der Mensch in die Natur eingegriffen hatte.

Im Rahmen des Projekts „Lebendige Bördebäche“ rückten die Bagger der Firma Schulte aus Lohne Mitte August an, um nach Vorgaben des Ingenieurbüros Berger aus Bad Sassendorf die Schleifen für die Ahse in die Landschaft zu ziehen. Im Vorfeld hatte der Kreis Soest, wie Birgit Dalhoff erläuterte, über Jahre mit den Eigentümern der Flächen verhandelt, um das Gelände in öffentliche Hand zu bekommen.

Die Hammer Sportfischer hatten 2014 Alarm geschlagen, dass etwas getan werden müsse für die Fische, die in den Auen laichen. Die Problematik führte Siegfried Kuss den Teilnehmern an der Exkursion vor Augen. Der Fischerei-Experte aus Hamm verdeutlichte, dass von 33 Fischarten, die in einem Fluss wie die Ahse vorkommen müssten, nur 13 nachgewiesen worden sind. „Wir sind weit vom Ziel entfernt“, sieht er die Ahse in einem ungenügenden Zustand. Auf Hammer Gebiet, also jenseits des Stauwehrs an der Schwannemühle, sieht es mit immerhin 24 Arten weitaus besser aus.

Daher sind die jetzt begonnenen Maßnahmen auch für Kuss der richtige Weg. „Es ist gut, dass jetzt ein so großes Gebiet renaturiert wird“, knüpfte er an die Worte von Birgit Dalhoff an. Sie hatte erklärt, dass nach dem Anstoß durch die Sportfischer das Projekt in die Wege geleitet wurde. Dank 80-prozentiger Bezuschussung durch das Land waren auch die Finanzen geklärt. So ist es nun möglich, den Flusslauf der Ahse bei Dinker wieder in einen Zustand zu versetzen, der zum Wohlbefinden der Tiere, aber auch der Menschen beitrage.

Das Projekt ist in drei Abschnitte unterteilt. Im östlichen Bereich nahe des Hündlingser Bachs erfolgte der Startschuss. Dort war es zwar nicht möglich, den Hündlingser Bach in die Ahse-Auen fließen zu lassen, da der Bach zu niedrig verläuft. Er wird weiterhin durch ein Rohr unterhalb der Ahse in die Lake entwässern, die als Seitenarm der Ahse einst geschaffen worden ist. Durch die Trockenheit der vergangenen Jahre führt der Hündlingser Bach allerdings kaum Wasser, gibt also auch nichts an die Lake weiter, die ein entsprechend trostloses Bild abgibt.

Die Ahse aber wird wieder in einen Zustand versetzt, der das ursprüngliche Leben in dem Gewässer möglich machen soll. Denn Hecht und Quabbe beispielsweise sind Auen-Laicher, die ihre Eier an Gräsern anheften. Dies ist im momentanen Zustand kaum gegeben, soll aber demnächst möglich sein. Denn es werden temporär überflutete Zonen geschaffen.

Beim Ausbaggern der neuen Schleifen wurden rund 50 Fuhren pro Tag von den Lkw abtransportiert, allein im mittleren Bereich des Projekts am Stockey waren es fast 9000 Kubikmeter. Das vielfach lehmige Erdreich wurde teilweise zur Bodendeponie nach Anröchte geschafft, teilweise aber auch schon auf landwirtschaftlich genutzte Flächen.

Die Baggerfahrer der Firma Schulte haben zuvor mit größtmöglichem Feingefühl die oberste Vegetationsschicht abgetragen, um sie an anderer Stelle verwenden zu können. Schließlich sollen die neuen Auenbereiche alsbald wieder ergrünen, um sie später den Landwirten als Weideflächen verpachten zu können. „Momentan sieht es aus wie ein Truppenübungsplatz, das wird sich aber rasch ändern“, verspricht Birgit Dalhoff. Die Vegetation wird dabei weitgehend sich selbst überlassen; abgesehen von einigen kleinen Erlen, die versetzt worden sind.

Für die Ahse wurde ein neues Bett geschaffen mit steilen Böschungen, die laut Annette Kühlmann so typisch sind für Bördebäche. Der lehmige Boden macht es möglich, dass die Steilhänge stabil bleiben, sodass zum Beispiel der Eisvogel sich darin einnisten kann. Statt des früheren Trapez-Profils, das für ein schnelles Abfließen des Wassers sorgte, wird durch den neuen Flusslauf gewährleistet, dass das Wasser zurückgehalten wird.

Die Altarme, die bei der Begradigung einst nicht zugeschüttet wurden, werden entschlammt, um die Lebensbedingungen für Amphibien zu verbessern. Deshalb wird dort auch der Baumbestand in diesen Bereichen entfernt. Denn Amphibien brauchen Sonne und temporär gefüllte Gewässer. Eines dieser alten Stillgewässer bleibt in bisheriger Form erhalten. Weiterhin sollen dort im Sommer unzählige Seerosen erblühen und sich Schilf ausbreiten können. Hier wurde ein Damm geschaffen, um das Gewässer vom neuen Ahse-Lauf zu trennen.

Der Schlamm aus den Blänken wird akribisch nach kleinen Lebewesen wie Muscheln durchforstet, um sie nicht umkommen zu lassen. Später wird dieses Material zum Verfüllen jener Abschnitte der begradigten Ahse genutzt, die im November abgeschnitten werden vom neuen Flusslauf. Der Kreis wird informieren, wann genau im November die neuen Schleifen gewässert werden.

Dann hoffen die Verantwortlichen, dass auch Petrus mitspielt. Es braucht jede Menge Wasser, also Regen, damit die Auen gleich im bevorstehenden Winter gut durchnässen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Natur sich wieder so regeneriert, wie es wünschenswert wäre. Vielleicht kann dann im kommenden Jahr in einer weiteren Exkursion schon das Ergebnis der jetzt begonnenen Maßnahme bestaunt werden.

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