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Ehemalige Hauptschule platzt schon aus allen Nähten

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Von: Dirk Wilms

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Mareike Höhling und Antonio Salerno kümmern sich um die Flüchtlinge in der Gemeinde. Ein Schlüsselbrett hilft, den Überblick über die vielen Räumlichkeiten zu behalten.
Mareike Höhling und Antonio Salerno kümmern sich um die Flüchtlinge in der Gemeinde. Ein Schlüsselbrett hilft, den Überblick über die vielen Räumlichkeiten zu behalten. © wilms

Es ist kein Ende in Sicht. Die Flüchtlingszahlen in Welver steigen wie anderswo auch. „Wir haben jetzt mehr als doppelt so viele im Vergleich zu Anfang 2021, als ich hier angefangen habe“, weiß Antonio Salerno.

Welver – Als Hausmeister steht er mit seinem Kollegen Oktay Günes ganz vorn an der Front, um des wachsenden Problems Herr zu werden. Lydia Weiland, seit Jahresbeginn Leiterin des Sozialamtes der Gemeinde Welver, hat gar schon ein Schreckensszenario vor Augen: „Wenn das so weitergeht, wird der Tag kommen, dass wir die Zweifachhalle nutzen müssen.“

310 Schutzsuchende waren es Ende vergangener Woche. Das Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht. Aktuell sind weitere Flüchtlinge hinzugekommen. „Es ist eine Mutter aus Afghanistan mit mehreren Kindern in der Hauptschule, darunter ein Mädchen mit schwerer Behinderung. Sie hatte zu Hause offenbar eine Hirnhautentzündung“, erläutert Sozialarbeiterin Mareike Höhling. Eine schwer traumatisierte Tochter hat miterleben müssen, wie ihr Vater in Afghanistan ermordet wurde. Ein Syrer hat erreicht, dass seine Familie zu ihm ziehen kann. Das geschah am Dienstag. Sie finden nun Unterschlupf in der Wohnung im Pfarrhaus in Dinker, wo bis vor Kurzem noch das Zuhause der Familie aus Armenien war, die abgeschoben werden sollte – wir berichteten.

Nur zwei Beispiele von vielen, die der Gemeinde zugewiesen werden. Ende vergangener Woche wohnten 107 Menschen in der ehemaligen Hauptschule, mit den Zuzügen aus dieser Woche sind es 113. „Wir hatten im Januar 21, im Februar 23, im März 19, im April wegen Ramadan nur 10 Neuzugänge und für den Mai sind schon wieder fünf angemeldet“, entnimmt Hausmeister Salerno seinem Computer die aktuellen Zahlen.

Die Hauptschule ist damit quasi voll, maximal zehn weitere Personen können untergebracht werden. „Da muss aber die Chemie stimmen“, wissen Salerno und Höhling, dass in den größeren Zimmern mit bis zu sechs Betten nicht Flüchtlinge aus verschiedensten Kulturkreisen untergebracht werden können. Einzelunterbringung ist hier ohnehin schwierig. In sechs kleinen Zimmern wohnen Frauen oder Mütter mit einem Kind; das ist aber die Ausnahme.

In Eilmsen funktioniert das in kleinen Wohneinheiten besser. „Hier können Studenten auch besser lernen“, erläutert Mareike Höhling. Die Schattenseite aber ist die Abgeschiedenheit im Eilmser Wald, wo ohnehin die Weichenstellung von der Politik vorgenommen wurde, hier so schnell wie möglich das ganze Objekt freizuziehen. Denn die marode Technik ist kaum noch zu reparieren. „Das ist eine tickende Zeitbombe“, weiß Antonio Salerno als Handwerker um die Unzulänglichkeiten in dem früheren Kinderheim. Ein Totalausfall der Heizung ist jederzeit zu befürchten.

16 Wohneinheiten in neun Objekten

Noch aber ist nicht daran zu denken, den Eilmser Wald aufzugeben. Vor einer Woche lebten hier 93 Menschen. „Wir haben noch Platz für 60 Leute“, erklärt der Hausmeister. Denn es werden durch den Fortzug von Ukrainern auch immer wieder mal Wohnungen frei. So lebten Ende vergangener Woche nur noch zwölf Ukrainer in Eilmsen. Das Gros der Flüchtlinge aus dem osteuropäischen Land kommt privat unter, 61 waren es vor einer Woche. Dafür hat die Gemeinde insgesamt 16 Wohneinheiten in neun Objekten angemietet, und zwar vorwiegend im Zentralort, aber auch z.B. in Borgeln, Scheidingen und Klotingen. „Meist mussten wir erst einmal renovieren“, war laut Salerno dringender Handlungsbedarf. „Einige angesehene Wohnungen gingen gar nicht.“

„Wir müssen die eine Million, die wir für den Ankauf von Objekten für Flüchtlinge im Haushalt haben, auch sinnvoll investieren“, machte Bauamtsleiterin Katrin Hofma deutlich. „Uns nützt ein Einfamilienhaus mit riesigem Garten nichts.“ Bei anderen Angeboten sei ein zu hoher Sanierungsbedarf festgestellt worden, auch durch einen Gutachter, der mit vor Ort war. Auch könnten nicht Häuser angekauft werden, in denen Wohnungen vermietet sind. „Wir können die Mieter ja nicht rauswerfen, um da Flüchtlinge unterzubringen.“

Bleibt die Frage nach Containern, die in der politischen Diskussion immer wieder auftauchen. Davon hält Hausmeister Salerno nichts, ist damit auf einer Wellenlänge mit Mareike Höhling. „Container sind zwar besser als eine Unterbringung in der Sporthalle“, weiß die Sozialarbeiterin aus ihrer Erfahrung in den Notunterkünften und Zentralen Unterbringungseinrichtungen in anderen Orten, die nach dem großen Zustrom von Flüchtlingen 2015 her mussten.

Doch Container wären ein Schritt zurück gegenüber der jetzigen Lösung in der Hauptschule, so Bauamtsleiterin Hofma. Zudem könne man Container nicht mal so eben aufstellen. „Da wären Erdbewegungen nötig, es müssten Fundamente geschaffen, Strom- und Wasserleitungen gelegt werden“, macht Salerno deutlich. Dies dauere eben lange, wie auch das Errichten von einfachen Häusern. In der Hauptschule hingegen könnten die Bedingungen im laufenden Betrieb verbessert werden, auch wenn das mit Erschwernissen verbunden sei, wie Sozialamtsleiterin Weiland betont.

Salerno spricht von Sanitäranlagen in den Zimmern, von kleinen Küchen mit entsprechenden Wasser- und Abwasserleitungen. Momentan werden zwei große Gemeinschaftsküchen genutzt und die gemeinschaftlichen Sanitäreinrichtungen. Zudem könnte der Zuschnitt der Zimmer verbessert werden, um wie in Eilmsen Einzelunterbringungen zu ermöglichen. Schließlich müsse auch WLAN im gesamten Gebäude her; momentan gibt’s das nur im Foyer.

Was genau bei der Ertüchtigung der Hauptschule als Unterkunft für die Schutzsuchenden geschehen wird, befindet sich noch in der Planung. Zugleich wird die Suche nach geeigneten Wohnungen fortgesetzt; stets vor dem Hintergrund, dass der Markt in Welver so ziemlich leer gefegt ist, also auch Interessierte aus dem Ort nur schwerlich eine Wohnung finden.

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