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Das Leben hängt an der Stromleitung

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Von: Dirk Wilms

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Frauke Vandebergh ist auf die Pflege durch ihren Mann Robert ebenso angewiesen wie auf die Beatmungsgeräte, die ohne Strom nicht funktionieren.
Frauke Vandebergh ist auf die Pflege durch ihren Mann Robert ebenso angewiesen wie auf die Beatmungsgeräte, die ohne Strom nicht funktionieren. © Dirk Wilms

Wenn vom Roten Kreuz nicht mehr davon gesprochen wird, ob ein Blackout im nächsten Winter kommen wird, sondern nur noch wann, dann gehen bei vielen Menschen die Warnlampen an. Das tägliche Leben hängt am Strom; egal, ob Fernseher oder Computer, ob Kühlschrank oder Waschmaschine, ob Elektroheizung oder Elektroauto – nichts geht mehr, wenn kein Saft mehr aus der Dose kommt.

Vellinghausen - Das würde nahezu jeden Bürger betreffen, die Einschränkungen wären massiv. Noch ärger aber trifft es Menschen, deren Leben von der Elektrizität abhängt. Wie bei Frauke Vandebergh aus Vellinghausen, deren Gesundheit so geschädigt ist, dass sie auf viele elektrische Helfer angewiesen ist. „Was ist, wenn der Strom ausfällt“, hat ihr Mann Robert Vandebergh Angst vor einem Blackout.

Rund um die Uhr

Der Rentner kümmert sich nahezu rund um die Uhr um das Wohlergehen seiner Frau. Seit sechs Jahren ist sie an ihr Bett gefesselt. Die Krankheitsgeschichte der 59-Jährigen begann schon nach der Geburt ihres Sohnes, als sie gerade einmal 20 Jahre jung war. Schluckbeschwerden, Doppelbilder, Sprachstörungen – all das ließ die Experten an einer Klinik in Göttingen auf MS schließen.

Mit Medikamenten wurde es besser. Doch gesellte sich nach ein paar Jahren eine Muskelschwäche hinzu: Myasthenia gravis oder kurz MG genannt. Nach einer Studie an der Uni-Klinik in Münster wurde diese Erkrankung bei ihr entdeckt. In der Folge schlich sich Luftnot ein. Die langjährige Raucherin legte die Zigaretten für immer beiseite. „Ich war ja nur noch am Japsen.“

Mehr und mehr war Frauke Vandebergh auf einen Rollstuhl angewiesen. Zu allem Übel kam es vor sechs Jahren zu einem Sturz, bei dem sich Frauke Vandebergh einen Bruch zweier Lendenwirbel zuzog. Kaum verheilt, kam es beim Umheben erneut zu einem Bruch. Seither ist sie bettlägerig und auf jene Geräte angewiesen, die nun einmal Strom benötigen.

Klimaanlage mit Filter

So geht morgens der erste Griff stets zum Inhalationsgerät, mit dem sie die Luftnot bekämpft. „Ich soll am besten 24 Stunden inhalieren, dann bliebe die Lunge frei“, gab ihr Arzt ihr mit auf den Weg. Das ist natürlich schwer zu bewerkstelligen. Doch ein anderer Apparat läuft durch. Eine Klimaanlage mit integriertem Luftfilter reinigt die Atemluft. Klar, dass Besucher bei ihr nur mit FFP2-Maske zu Gast sein können. Wenn es zu arg wird, steht ein mobiles Inhalationsgerät zur Verfügung, das über einen Akku verfügt. „Das brauchen wir alle sechs Wochen zum Arztbesuch“, erklärt Robert Vandebergh. Dabei kommt auch der Patientenlifter zum Einsatz, mit dem sie in den Rollstuhl gehoben werden kann.

Außerdem liegt Frauke Vandebergh auf einer Rüttelmatte, die unter der Vakuum-Matratze regelmäßig dafür sorgt, dass der Oberkörper wenigstens etwas in Bewegung kommt, um das Verschleimen der Atemwege zu reduzieren. Dass der Lattenrost elektrisch verstellbar ist, versteht sich fast von selbst.

Das erleichtert ein wenig die pflegerischen Maßnahmen, die Robert Vandebergh allein meistert. Nachts durchschlafen – das kommt bei dem Rentner selten vor. Alle Vierteljahr kommt ein Pflegedienst vorbei, um die Lage zu checken. Zudem ist zweimal in der Woche Krankengymnastik angesagt. Das geht im Notfall auch ohne Elektrizität. Doch der Alltag ist ohne Strom nicht zu meistern.

Stab bei der Gemeinde

Entsprechend groß ist die Furcht der Vandeberghs vor einem Blackout. Detlev Westphal, Leiter des Ordnungsamtes im Welveraner Rathaus, kann die Sorgen nachvollziehen. „Wir sind für die Bürger da, sie können sich bei uns melden. Wir sorgen für den Fall eines 72-Stunden-Blackouts für sogenannte Leuchttürme, schaffen Notstromaggregate an“, deutet er auf Maßnahmen hin. So sollen Rathaus, Feuerwehr und Bauhof handlungsfähig bleiben.

Regelmäßig trifft sich der SAE (Stab außergewöhnliche Ereignisse), erörtert, wie zum Beispiel der kritischen Infrastruktur wie der Tankstelle geholfen werden kann. Denn es gibt Ratschläge, sich einen Generator zuzulegen, der mit Benzin Strom produziert. „Die halten einen aber nur für zwei Stunden über Wasser“, weiß Westphal um die Unzulänglichkeiten dieser vergleichsweise günstigen Geräte. Den leeren Tank aufzufüllen, dafür bedarf es einer funktionierenden Tankstelle; ohne Strom kommt da aber auch kein Sprit aus der Zapfsäule.

Eine Alternative zeigt ein Sprecher des Energielieferanten des Ehepaars Vandebergh auf. „Ich würde einen Notstromgenerator mit Solarzellen empfehlen. Da ist man unabhängig von Benzin. Außerdem gibt es inzwischen Geräte mit Akkus mit langer Lebensdauer. Allerdings sollte man die Geräte einmal im Monat entladen, sonst macht die Batterie schnell schlapp.“

Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts hält er allerdings für äußerst gering. „Ein Blackout ist zwar nicht völlig auszuschließen. Doch ist das europäische Stromnetz so miteinander verwoben, dass bei Ausfällen in einem Bereich andere Bereiche aktiviert werden.“

Besser ins Krankenhaus

Gleichwohl will die Gemeinde Welver für den Notfall gewappnet sein und ist nun dabei, ein Szenario zu entwickeln. „Wenn Bedürftige in Not geraten, werden wir eine Unterbringung ermöglichen“, erklärt Westphal. Dazu bedarf es allerdings noch vieler Vorbereitungen. Wenn alle Stricke reißen, wäre laut Westphal ohnehin ein Krankenhaus der letzte Rettungsanker für Frauke Vandebergh. Hier sei eine Notversorgung eher gewährleistet.

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