Damals wurde es höchste Zeit, sich zu diesem Schritt zu entscheiden. „Das war auf den letzten Drücker“, erinnert sich Carsten Osthoff-Dahlhoff. Denn der von Rot-Grün in Berlin eingeleitete Trend zu den Erneuerbaren war zum Erliegen gekommen, als Schwarz-Gelb an der Macht war. „Wir mussten vor Jahresende 2011 an den Start gehen“, wäre das Projekt sonst herausgefallen aus der auslaufenden Förderung.
Seit Dezember 2011 läuft die Anlage, produziert Biogas und daraus Strom und Fernwärme. „Wir nutzen nachwachsende Rohstoffe“, erklärt der Recklingser Landwirt. Den Hauptanteil des Substrats macht der Silomais aus. „Das ist auch der ergiebigste Rohstoff“, so Osthoff-Dahlhoff. Der Mais macht allein 2800 Tonnen im Jahr aus, wird zur Hälfte auf eigenen Äckern angebaut. Dazu werden 2000 Tonnen Rindermist und 2000 Kubikmeter Rindergülle verarbeitet, die von Bauern aus der nahen Umgebung kommen, und 500 Tonnen Hähnchenmist aus dem eigenen Stall.
„Das ist ein geschlossener Kreislauf“, erklärt der Recklingser. Die Hähnchen werden in einem Stall gemästet, der durch die Fernwärme aus der eigenen Biogasanlage auf Temperatur gebracht wird. Der Mist der Hähnchen wird in der Anlage verwertet. Zudem kommen noch Rohstoffe wie Zuckerrüben und eine Silage aus Leguminosen, Grünroggen und Wicken zum Einsatz. Des Weiteren experimentiert Carsten Osthoff-Dahlhoff mit den Reststoffen vom Mais, die nach dem Dreschen auf dem Acker liegen geblieben sind. Auf 20 Hektar läuft momentan dieser Versuch nachhaltiger Landwirtschaft. Sonst wird der Rest vom Mais untergepflügt.
Und auf einem Hektar wurde auch die Silphie angebaut. Auf der früheren Autobahntrasse ganz in der Nähe blüht sie von Mai bis September, kommt rund 15 Jahre lang immer wieder, bietet Bienen, Hummeln und Schmetterlingen eine ergiebige Nahrungsquelle, um anschließend im Fermenter zu landen. „Das ist eine gute Alternative vor allem auf Böden, die für unsere Früchte sonst nicht so ertragreich sind“, erklärt er.
All diese Zutaten – 16 bis 17 Tonnen sind täglich zuzuführen – ergeben eine „dicke Erbsensuppe“, wie Osthoff-Dahlhoff die bei etwa 44 Grad vor sich hin gärende Masse nennt. Sie wird von Bakterien zersetzt, die das Methangas ausscheiden, das sich unter der Haube des Fermenters sammelt. Von hier geht es ins Kraftwerk, wo zwei Motoren das Gas in Strom umwandeln. Der Strom wird verkauft und die Abwärme fürs Heizen des gesamten Hofes inklusive Wohnhäuser, Deele und Hähnchenstall genutzt. Das verbrauchte Substrat landet im zweiten Rundbau. Die Gärreste werden als Dünger für den Ackerbau verwertet oder an Kollegen verkauft.
Carsten Osthoff-Dahlhoff, der Unterstützung beim Betrieb der Anlage in Vater Dirk und Schwester Svenja erfährt, regelt die Anlage mit seinem Smartphone, steuert die Stromproduktion ganz nach Bedarf. „In der Frühe zwischen 7 und 9 Uhr laufen beiden 250-kW-Motoren. Da sind alle Leute aufgestanden, starten in den Tag, verbrauchen viel Strom. Dann wird ein Motor abgeschaltet, die Anlage heruntergeregelt. Gegen 18 Uhr wird wieder volle Leistung abverlangt. „Bis gegen 22 Uhr, wenn die Menschen zu Bett gehen.“ Nachts läuft ein Motor auf Sparflamme, dann geht es in erster Linie um Wärmeproduktion für Haus und Hof.
Osthoff-Dahlhoff sieht Biogas als ideale Primärenergie: „Das ist zwar vergleichsweise teuer, steht aber immer zur Verfügung, unabhängig von Tageszeit und Wetter. So können damit Lücken geschlossen werden, wenn Windenergie und Photovoltaik nicht zur Verfügung stehen. Wir können grünen Strom, leisten unseren Beitrag zum Naturschutz.“
Daher wünscht er sich, dass die Deckelung seiner Branche ausgesetzt wird. „Ich könnte 20 Prozent mehr produzieren oder auch Methangas in ein Netz einspeisen. Doch werden uns immer noch Knüppel zwischen die Beine geworfen“, fordert er ein energisches Umsteuern. Damit geht er konform mit den Forderungen des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW. Deren Geschäftsführer Christian Mildenberger fordert einen Biogas-Gipfel auf Bundes- und Landesebene: „Wir müssen endlich den Energieträger Biogas entfesseln, dessen Stellenwert für die heimische Energieversorgungssicherheit angesichts der ausbleibenden Erdgasimporte aus Russland einfach größer werden muss.
Carsten Osthoff-Dahlhoff sieht auch auf kommunaler Ebene Chancen. „Wenn die Politik in Welver über ein neues Lehrschwimmbecken diskutiert, könnte es auch mit einem Blockheizkraftwerk geheizt werden, das von uns versorgt wird.“ Auch die Energieversorgung des projektierten Gewerbegebietes wäre eine Option für ihn. „Wir könnten viel mehr, wenn wir nur dürften...“