1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Warstein

Windkraft-Gegner in Allagen: „Hier wird Stück Heimat aufs Spiel gesetzt“

Erstellt:

Von: Reinhold Großelohmann

Kommentare

Mit professioneller Ausstattung hat Uli Cordes das Gelände am Rennweg, wo 15 Großwindräder errichtet werden sollen, untersucht. Dabei hat er in den Plänen viele widersprüchliche Angaben gefunden – insbesondere in Bezug auf den Naturschutz.
Mit professioneller Ausstattung hat Uli Cordes das Gelände am Rennweg, wo 15 Großwindräder errichtet werden sollen, untersucht. Dabei hat er in den Plänen viele widersprüchliche Angaben gefunden – insbesondere in Bezug auf den Naturschutz. © Großelohmann, Reinhold

Am Allagener Rennweg sollen 15 Windräder gebaut werden. Die Bürgerinitiative ist dagegen und erläutert ihre Sorgen bezüglich der Pflanzen- und vor allem der Tierwelt.

Allagen – Noch herrscht Ruhe im Wald. Doch damit könnte es am Allagener Rennweg bald vorbei sein. Der Bauantrag zur Errichtung von 15 Großwindrädern liegt beim Kreis Soest zur Entscheidung vor und tritt jetzt in die entscheidende Phase. Und die Erteilung der Genehmigung ist selbst für die seit vielen Jahren vehement gegen das Projekt kämpfende Bürgerinitiative angesichts der politischen Großwetterlage nicht auszuschließen. In Kürze startet das Erörterungsverfahren, bei dem die in der Durchsetzung von Windkraftprojekten erfahrene Paderborner WestfalenWind, die die Interessen der rund zwei Dutzend Grundeigentümer vertritt, im Rahmen einer völlig neuen „Online-Konsultation“ zu den mehr als 4 000 Einwendungen gegen das Projekt Stellung beziehen muss. Und wenn denn der Wald als Tabuzone für die Windkraft wackelt, so hat die Bürgerinitiative dennoch mit einem Bündel von naturschutzfachlichen Gegenargumenten noch einen Trumpf im Ärmel. „Es ist noch nicht aller Tage Abend“, sagt BI-Vorsitzender Hubert Struchholz, wohlwissend, dass „die Politik den Investoren derzeit in die Karten spielt“, wie er selbst registriert.

Dass der Natur- und Landschaftsschutz in vielfacher Hinsicht auf dem Spiel steht, dafür hat der Allagener Diplom-Geograf Uli Cordes, Geschäftsführer des Landschaftsplanungs-Büros „LökPlan“ in Anröchte, selbst den Aktivisten in der Bürgerinitiative erst die Augen geöffnet. „Ohne ihn, hätten wir als BI gar keine Möglichkeit zu einer so qualifizierten Stellungnahme gehabt“, sagt der Vorsitzende mit Blick auf das laufende Verfahren. Wie wichtig es ist, auf der Zielgeraden die Argumente sachlich und schlüssig darzulegen, bringt Uli Cordes auf den Punkt: „Wenn dieser Park genehmigt würde, ist das für den Arnsberger Wald das Öffnen der Büchse der Pandora.“ Mit offenen Ohren hat er vernommen, dass es auch für andere Bereiche des Naturparks bereits Interessenten für Windkraft-Nutzung gibt.

Drohende Gefahren für Flora und Fauna

Dass der Erhalt dieses über 480 Hektar großen, derzeit noch fast unzerschnittenen Waldgebietes im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht als Wert an sich für die Menschen erkannt wird und die Errichtung von Windrädern im Wald kein Tabu bleibt, ist für die Bürgerinitiative nicht nachvollziehbar.

Der Horst eines Schwarzstorchs liegt nur 300 bis 400 Meter von zwei geplanten Windrad-Standorten entfernt.
Der Horst eines Schwarzstorchs liegt nur 300 bis 400 Meter von zwei geplanten Windrad-Standorten entfernt. © Großelohmann, Reinhold

Die drohenden Gefahren für Flora und Fauna und die Vogelwelt hat dafür Uli Cordes in einer umfassenden Ausarbeitung beleuchtet. Seit mehr als 20 Jahren führt er regelmäßig im Auftrag des Landesamtes für Natur- und Umweltschutz (LANUV) Kartierungen nach den aktuellen Methodenstandards durch. Gründlich hat er die Eingriffsbereiche der einzelnen Anlagenstandorte geprüft und dabei viele kritische Punkte entdeckt. Der Bau der Zuwegungen, die nötige Verbreiterung der Kurven- und Kreuzungsbereiche, die Kranauslegerflächen sowie die Baulager- und Aufstellflächen bedeuten einen erheblichen Eingriff in die Natur und gefährden zahlreiche Quellbiotope und Moorbereiche.

Im betroffenen Gebiet am Rennweg gibt es ein weit verzweigtes Netz von „Siepen, Fließgewässern mit Gehölzsaum, die Uli Cordes als gefährdet ansieht. „Diese unverbauten Bäche sind als naturnahe Bereiche gesetzlich geschützt“, darauf verweist er. Die Nähe zu den enormen Betonfundamenten sieht er als Gefährdung für das Wassereinzugsgebiet an.

Vogelwelt ist laut Bürgerinitiative besonders schutzwürdig

Uli Cordes listet in seiner Stellungnahme im Detail auf, wo überall wertvoller Laubbaumbestand gefällt werden muss, um die Arbeits- und Zufahrtsflächen herzurichten. „Da stehen einige richtig dicke Klöpper.“ Auch wenn der Borkenkäfer viele Fichtenbestände zerstört hat und gerade erst die Naturverjüngung oder Nachpflanzung erfolgt ist, so steht doch für die BI außer Frage, dass der nun entstehende neue Wald um ein vielfaches wertvoller ist als die Fichtenbestände, die 150 Jahre lang die forstwirtschaftliche Nutzung prägten und nun in großen Teilen der Vergangenheit angehören – auch wenn allen Klima-Warnungen zum Trotz einige Waldeigentümer doch wieder mit Fichte aufforsten. So ist es für die BI kein Argument, wenn behauptet wird, dass es „keinen Wald mehr gibt, der geschützt werden muss“. Vielmehr gebe es nun eine große Chance, einen Klima-resistenten und viel wertvolleren Wald zu schaffen und an die nächste Generation weiterzugeben. Allein die Entwicklung der Kyrill-Flächen zeigt schon heute, was möglich ist.

Feuchte Bereiche im Wald bieten Pflanzen und Tieren wertvolle Lebensbereiche.
Feuchte Bereiche im Wald bieten Pflanzen und Tieren wertvolle Lebensbereiche. © Großelohmann, Reinhold

Besonders schutzwürdig ist aus Sicht der BI die Vogelwelt. „Dies ist ein faktisches Vogelschutzgebiet“, sagt Uli Cordes – und verweist auf eine Vielzahl vorkommender seltener und zum Teil geschützter Vogelarten wie etwa den gefährdeten Baumpieper oder den Wendehals. Das große Konfliktpotenzial wird besonders deutlich am Vorkommen des Schwarzstorchs, der durch Windräder massiv gestört würde. Mit 14 bis 16 Brutpaaren sei der Arnsberger Wald eines der bedeutendsten Dichtezentren für diesen seltenen Großvogel, so die Bürgerinitiative. Auch die vielfältigen Fledermaus-Habitate sorgen ein hohes artenschutzrechtliches Konfliktpotenzial.

Aus Sicht des Landschaftsökologen hat Uli Cordes die 15 Bauanträge kritisch unter die Lupe genommen und festgestellt, dass die Arbeitsweise einiger Gutachter etwa bei der Biotopkartierung nicht entsprechend den üblichen Standards erfolgt ist, so Uli Cordes. „Ich finde es nicht in Ordnung, wie einige Gutachter gearbeitet haben.“ Auch bemängelt er fehlende Nachweise und Erhebungen. „Es ist ein Unding, dass vieles gar nicht dokumentiert ist.“

Einige Kritikpunkte sind in Planung eingeflossen

Seine große Sorge ist, dass die Genehmigungsbehörde dies nicht antragsnachteilig würdigen kann, da die Fachlichkeit in einer Verwaltung kaum in der benötigten Vielfalt vorhanden sein kann. So befürchtet er, dass die Gutachter der Antragsteller weitgehend freie Bahn haben.

Mit dem BI-Vorsitzenden Hubert Struchholz nimmt Uli Cordes einen Bachlauf in Augenschein. Das Einzugsgebiet der viele Kilometer lange Bachsiepen betrachten die BI-Aktiven als wertvollen Trinkwasserspeicher.
Mit dem BI-Vorsitzenden Hubert Struchholz nimmt Uli Cordes einen Bachlauf in Augenschein. Das Einzugsgebiet der viele Kilometer lange Bachsiepen betrachten die BI-Aktiven als wertvollen Trinkwasserspeicher. © Großelohmann, Reinhold

Genau aus diesem Grunde hat Uli Cordes deshalb zu jedem einzelnen Standort seine detaillierten Kritikpunkte ausgeführt. Und er hat festgestellt, dass bei der modifizierten Antragstellung nach der zweijährigen Aussetzung der Antragsbearbeitung bereits einige seiner Kritikpunkte zu einer veränderten Planung geführt haben. Doch dass es auf diesem Wege vielleicht zu Kompromissen kommen könnte, darauf will sich Uli Cordes nicht einlassen. Erfahrungen an anderen Standorten zeigten, dass Auflagen und Einschränkungen, etwa die Nachtabschaltung der Windräder zum Schutz seltener Fledermausarten, nicht dauerhaft erhalten blieben. Es sei „gängige Praxis“, später gegen solche Auflagen zu klagen und dann die Räder doch komplett zu betreiben. So sei wohl vorgesehen, bei Anwesenheit des Schwarzstorchs drei Anlagen von März bis August abzuschalten. Kein Mensch könne glauben, dass solche Anlagen dann wirtschaftlich zu betreiben seien.

Dass am Rennweg überhaupt solche Riesen-Anlagen gebaut werden sollen, sieht die BI als Gefahr an. Bislang gebe es keinen vergleichbaren Windpark mit diesen großen Windrädern. „Wir sind die Versuchskaninchen“, ärgert sich Hubert Struchholz. Für viele Auswirkungen, wie etwa dem Infraschall, gebe es keine Erfahrungswerte. Hubert Struchholz: „Hier wird leichtfertig ein Stück Heimat aufs Spiel gesetzt.“

Auch interessant

Kommentare