Das eine sind die Spenden, das andere ist die direkte Arbeit vor Ort. Wie funktioniert die Abstimmung zwischen Stadt und Ehrenamt?
Es ist klar, dass so etwas nicht allein durch die Hauptamtlichen und nicht allein durch die Ehrenamtlichen gestemmt werden kann. Und es ist auch klar, dass es dann auch schon einmal rappelt. Die aktuelle Situation ist eine Mammutaufgabe für die Verwaltung. Fünf bis zehn Prozent der Verwaltung fehlen zurzeit fast durchgängig allein wegen einer Corona-Erkrankung beziehungsweise Quarantäne. Und einige Stellen sind auch unbesetzt. Wir können daher nur um Verständnis bitten, dass es manchmal nicht gleich so funktioniert, wie man es sich wünschen würde. Ich bin aber für das ehren- wie für das hauptamtliche Engagement sehr dankbar. Nur gemeinsam kann es funktionieren.
Müssen aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation andere Aufgaben hintenanstehen? Oder gibt es sogar die Überlegung, extra Kräfte, die sich um Flüchtlingsunterbringung etc. kümmern, einzustellen?
Ja, einige Aufgaben wie zum Beispiel der Sportentwicklungsplan müssen nun hintenanstehen. Aber auch manche Dinge, die sonst zum bürokratischen Alltag in einer Verwaltung gehören. Doch da geht es allen Kommunen gleich. Neue Mitarbeiter extra für die Flüchtlinge bräuchten mehrere Monate Einarbeitungszeit, zudem ist es schwierig, Kräfte für einen bislang befristeten Zeitraum zu finden. Man kann die Lücken, die es in der Stadtverwaltung gibt, nicht einfach so füllen.
Inwiefern unterscheidet sich die jetzige Flüchtlingswelle von der aus 2015/16?
Die Herangehensweise ist im Vergleich nun administrativer, also geordneter. Dadurch geht manches vielleicht nicht so schnell, es bewegt sich aber direkt in den richtigen Bahnen.
Inzwischen haben sich über 100 Flüchtlinge aus der Ukraine bei der Stadt gemeldet, die tatsächliche Zahl dürfte noch höher liegen. Wie werden sich die Zahlen weiterentwickeln? Gibt es Schätzungen, wie viele es am Ende in Warstein sein könnten?
Es ist klar, dass die Zahl weiter steigen wird. Die große Welle der Flüchtlinge ist in Warstein auch noch nicht angekommen. Und rein rechnerisch wird vermutet, dass die jetzige Flüchtlingswelle einiges größer werden könnte als die, die wir 2015/16 erlebt haben. Wie viele es am Ende konkret sein werden, das ist offen. Einige Rechenmodelle gehen von über 1 000 für Warstein aus, die Planungen sind jedoch unwahrscheinlich schwierig, verlässliche Zahlen gibt es keine. Aber auch aufgrund solcher Prognosen gehen wir administrativ vor und planen für alle Eventualitäten. Denn wenn am Ende tatsächlich so viele Flüchtlinge nach Warstein kommen, dann können wir nicht sagen, dass wir damit nicht gerechnet haben. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das packen. Alle zusammen.
Und offen ist ja auch, ob die vielen Kriegsflüchtlinge kommen, um zu bleiben, oder nach Kriegsende zurück in die Ukraine gehen. Was denken Sie?
Das hängt natürlich mit dem Verlauf des Krieges zusammen. Wie gesagt hoffen wir alle, dass der bald zu Ende ist. Und dann werden auch sicherlich viele Ukrainer in ihr Land zurückkehren, um es wieder aufzubauen. Wir sind aber genauso gewillt, die Menschen hier bei uns zu integrieren. In der Stadt, in Vereinen, in Gruppierungen, im Berufsleben. Wenn die Kinder erst einmal drei, vier oder fünf Jahre hier zur Schule gegangenen sind, entscheiden sich die Familien vielleicht auch ganz bewusst, hier zu bleiben. Und als Stadt können wir uns glücklich schätzen über Menschen, die zu uns kommen möchten und hier bleiben wollen. Wohnraum ist aktuell zwar knapp, vieles ist aber in den kommenden Monaten und Jahren in der Entwicklung. Der Stadt liegen zudem viele Wohnraumangebote vor, die jetzt möglichst schnell gesichtet und bewertet werden müssen. Das stimmt mich vorsichtig optimistisch. Eine andere Möglichkeit wäre auch die Errichtung mobiler Wohneinheiten, wie es andere Kommunen bereits heute machen. Dafür ist es jetzt aber bei uns in der Stadt Warstein noch zu früh.
Das sind große Herausforderungen personeller und finanzieller Natur. Und das so kurz nach dem Ende der Haushaltssicherung...
Das ist so. Und das werden wir auch nicht allein mit städtischen Mitteln stemmen können, dafür braucht es Gelder von Land und Bund. Aber alles in allem sehe ich uns, gerade beim Anblick der vielen Helfer, für die kommende Zeit sehr gut gewappnet.
Noch nicht am kommenden Montag, aber im Laufe der nächsten Woche werden die ersten ukrainischen Kriegsflüchtlinge auch ins Haus Teiplaß einziehen. Wann genau, das sei noch offen, erklärte Sichtigvors Ortsvorsteherin Heike Kruse. Sie stehe in engem Kontakt mit der Stadt Warstein. Am kommenden Dienstag, 29. März, findet auch ein Helfertreffen im Bauernstübchen statt. Dazu sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Beginn des Treffens ist um 19 Uhr. „Wir brauchen Unterstützung bei der Sprache und Helfer allgemein“, so Kruse: „Ich würde mich über eine rege Teilnahme freuen.“ Eine WhatsApp-Chatgruppe sei bereits eingerichtet, wo sich ausgetauscht werde, auch viele neue Helfer hätten ihre Bereitschaft bereits erklärt: „Die Hilfsbereitschaft im Ort ist sehr groß. Persönlich, aber auch materiell in Form von Spenden.“ Eine Kleiderkammer wolle man aber nicht einrichten, sondern lieber nach Bedarf helfen, so Kruse. Betten seien im Haus Teiplaß bereits aufgestellt, nun werden Küchengeräte angeschlossen, berichtet sie.