Ihr Anspruch: Der Liebe der Fans zu ihrem Verein „ein Denkmal zu setzen“, formulierte es Clemens Gatzmaga bei der offiziellen Eröffnung mit geladenen Gästen am Samstagabend.
Zur Umsetzung gehörte viel zuhören – den Menschen, „die den Verein seit Jahren begleiten“, ergänzt Julian Oppmann. Und natürlich gehört auch das Graben in den Tiefen der umfangreichen Archive dazu. Von dort tauchte ein vergilbtes Dokument auf, das beim Expertengremien bestehend aus BVB-Archivar Gerd Kolbe, dem Journalisten Gregor Schnittker, Wolfgang Weick, ehemals Leitender Direktor der Dortmunder Museen, und dem langjährigen BVB-Fan und Betreiber von „Football was my first love“ Jan Philipp Platenius, den Museumsdirektorinnen Sarah Hartwich und Melanie Wanczura sowie den MACHEN-Machern für Jubel sorgte: ein Schulzeugnis von Kaplan Hubert Dewald. Dem Geistlichen, der die Gründung des Ballspielverein Borussia 09 Dortmund unbedingt verhindern wollte. Der Grund für die überschwängliche Freude: Dewald hatte in allen Fächern ein „sehr gut“, nur in einem nicht: ausgerechnet in Sport hatte er nur ein „gut“. „Das muss ins neue Borusseum“, war man sich einig. Und so ist das Dewald-Zeugnis aus dem Jahr 1882 nun das älteste Ausstellungsstück.
Zu finden ist es im ersten von insgesamt sieben Themenbereichen. Er zeigt die „Wechselhaftigkeit der Gründung“, erklärt Julian Oppmann. Visualisiert wird das durch ein kombiniertes Möbel: auf der einen Seite eine Thekenanmutung mit Bier und Brauereien, auf der anderen eine Kirchenbank. Und durch eine drehbare Uhr auf dem historischen Foto vom Borsigplatz. Sie zeigt 14 und 19 Uhr an: Die Nachmittagszeit für die Messe, die Pater Dewald zur Verhinderung von Fußballspielen auf diese Zeit gelegt hatte, die Abendzeit für die Gründungsversammlung, die BVB-Gründer um Franz Jacobi anberaumt hatten.
„Wir arbeiten mit solchen Installationen, damit man die Geschichte auch spürt“, sagt der gebürtige Warsteiner Oppmann. Und sein Kollege ergänzt: „Wir zeigen, dass solche Gegensätzlichkeiten Kräfte freisetzen: Bier und Kaplan, Schalke und Dortmund.“
Wichtig für das BVB-Erlebnis war ihnen auch, „sehr nah an den Menschen zu sein“. Deshalb führen jeweils zwei Erzähler in die einzelnen Themenbereiche ein: Borussia-Größen wie Norbert Dickel, Sebastian Kehl, Michael Zorc oder Dr. Reinhard Rauball. Zur Vertiefung der Inhalte gibt es rund 30 Digitalstationen mit stundenlangem Bonusmaterial. Kulttorwart Teddy de Beer hätte sich dieses bei einem ersten Durchgang so intensiv angehört, dass er seinen Folgebesuch schon angekündigt hat.
Das neue Borusseum feiert aber nicht nur die Erfolge des Vereins wie den Europapokalsieg von 1966, die Doppelmeisterschaften von 1995/96 und 2012/13 unter Ottmar Hitzfeld und Jürgen Klopp oder den jüngsten DFB-Pokalsieg von 2021, es verschweigt auch die wohl schwierigste Phase der BVB-Geschichte nicht, als der Verein 2005 kurz vor der Insolvenz stand. „Wir haben den vielleicht außergewöhnlichsten Raum geschaffen, den ein Fußballmuseum je gesehen hat“, erzählt Julian Oppmann mit ein bisschen Stolz in der Stimme. Die „Dramen“ widmet sich diesem wirtschaftlichen Überlebenskampf. „Es ist ein Mahnmal, dass das nicht noch einmal passiert“, sagt Dr. Reinhold Lunow, Projektleiter und Vizepräsident des BVB. Dass dieses düstere Kapitel der Vereinsgeschichte nicht verschwiegen wird, „zeigt die Echtheit des Vereins“, so Oppmann.
Sein Lieblingsraum ist aber ein anderer, der mit den Fan-Utensilien. Mit den Kutten, selbst gestrickten Schals, einem BVB-Nudelholz oder einem Kindersitz, der an einen Wellenbrecher gehängt werden konnte. Und der BVB-Ente, die ein Fan mit einem Wetterballon 36 000 Meter hoch in die Stratosphäre geschickt hat. „Da hat Erling Haaland ganz lange vorgestanden, weil er die Geschichte so unglaublich fand“, berichtet der Warsteiner. Verstanden hat der Norweger sie durch eine weitere Neuerung: Alle Erläuterungen gibt es auch in englischer Sprache. Das musste sein, denn schließlich sei Borussia Dortmund mittlerweile „ein Weltverein“, so Oppmann.
Und die Darstellung dieses „Weltvereins“ im neuen Borusseum ist für Museumsleiterin Sarah Hartwich „sehr gelungen“. „Der Vergleich zu vorher ist zwar schwierig, aber jetzt hier aktiv mitgewirkt zu haben, ist toll“, sagt sie und freut sich, dass gleich am Eröffnungstag 450 Fans die neuen Ausstellungsräume besuchten – neugierig und interessiert. Und Julian Oppmann sagt mit Blick auf die stetig kommenden Fans: „Das ist die Freude, eine Ausstellung zu machen.“
Öffnungszeiten: Das Borusseum ist täglich von 9.30 bis 18.30 Uhr geöffnet, am ersten Donnerstag im Monat bis 20 Uhr, an Heimspieltagen nur bis zum Anpfiff.