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Pogromgedenken: Warsteiner setzen Zeichen gegen Hass und Antisemitismus

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Von: Alexander Lange

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Gemeinsam wurde auf dem Jüdischen Friedhof den Opfern der Pogrome gedacht. Musikalisch untermalt von Organist Ján Blahuta.
Gemeinsam wurde auf dem Jüdischen Friedhof den Opfern der Pogrome gedacht. Musikalisch untermalt von Organist Ján Blahuta. © Alexander Lange

Am Vorabend des 9. Novembers gedachten einige Warsteiner auf dem Jüdischen Friedhof den Opfern des Nationalsozialismus‘. Bei den Wortbeiträgen ging es aber auch um aktuelle Themen.

Warstein – Es ist ein kollektives und jährliches Erinnern. Und doch in der aktuellen, von Krieg, Krisen und Antisemitismus gebeutelten Zeit, ein umso bedeutenderes. Einige Warsteiner erinnerten am gestrigen Dienstag, dem Vorabend des 9. Novembers, den schrecklichen Taten der „Reichspogromnacht“ 1938. Auf dem Jüdischen Friedhof am Mühlenbruch ging es um Geschichte, Gedenken und wachsenden Antisemitismus.

Bei den Ansprachen von Bürgermeister Dr. Thomas Schöne und Paul Köhler, Vorsitzender der Freunde und Förderer des Museums Haus Kupferhammer, ging es insbesondere um die diesjährige Documenta in Kassel, bei der ein Banner eines indonesischen Künstler-Kollektivs mit unter anderem antijüdischen Motiven ausgestellt, nach Protesten verhüllt und später doch abgenommen wurde. Schöne sei „sehr bewegt“, ihn beschäftige, wie Antisemitismus unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit stattfinde.

Skandal der Documenta in Kassel

Köhler führte die Gedanken aus. Kunst und Kultur, beides werde immer als das Schöne und Wahre verstanden „und Kritik wird immer als Angriff auf die Kunstfreiheit verstanden: Dabei ist der Geist der Kunstschaffenden nicht immer rein und makellos.“

Auch der Kunstgeist könne menschenverachtende Gedanken haben. Und der eigentliche Skandal der documenta sei, so Köhler, dass dort seit Jahrhunderten existierende „jüdische Stereotype“ dargestellt wurden. „Ein Skandal 84 Jahre nach den Pogromen.“ Die Diffamierung des Judentums und des israelischen Staates finde noch heute an vielen Stellen statt: „Wir müssen uns gemeinsam dagegen wehren.“

Es sei die Aufgabe aller, gegen Antisemitismus, gegen Diffamierungen, gegen Hass und für Toleranz einzustehen, so die Beteiligten vor Ort. „Wir setzen hier ein Zeichen der Verantwortung, wenn Religionen gemeinsam zusammenkommen und Frieden suchen“, formulierte es Ortsvorsteher Dietmar Lange.

Opfer des Nationalsozialismus‘ aus Belecke

Heimathistoriker Jürgen Kösters erinnerte in seinen Worten an die in Belecke geborene Familie Mendel Löwenstein – symbolisch für die Millionen Opfer des Nationalsozialismus’. Mendel Löwenstein wurde 1784 in Effeln geboren und wohnte dort mit seiner Ehefrau Sara. Sie hatten zwei gemeinsame Kinder: Levi und Jacob. Jacob wohnte ab 1839 in Belecke, Külbe 30. Das Fachwerkhaus in der Külbe stehe noch heute zwischen der Kreuzung B55/516 und der Firma Eickhoff (heute Kußmann), so Kösters.

Aus dessen insgesamt drei Ehen entstammten 16 Kinder. Alle Kinder verließen bis 1900, mit Beginn der Hochindustriealisierung und Aussicht auf attraktive Bildung und Arbeit, ihren Geburtsort Belecke.

Vier Kinder, alle in Belecke geboren, wurden in der Shoah ermordet: Herz, genannt Hermann, in Auschwitz, Toni in Treblinka. Otto wurde im März 1943 in Sobibor zusammen mit seiner Frau Ernestine Löwenstein ermordet. Aus der Ehe stammte Tochter Hilde, die am 31. August 1942 im Alter von 20 Jahren in Auschwitz ermordet wurde. Paula Daltrop wurde über Hamburg, Bielefeld und Berlin nach Auschwitz deportiert, wo sie mit Tochter, Schwiegersohn und Enkel für tot erklärt wurde.

„Wir gedenken heute dieser Ermordeten mit einem Wunsch aus dem Tagebuch von Anne Frank“, so Kösters abschließend am Dienstag: „Sie wünschte sich eine Welt ohne Hass und Diskriminierung und für die Erinnerung des Leidens und Vergehens jedes einzelnen Opfers des Nationalsozialismus. Diese Opfer von damals dürfen nicht vergessen und die grausamen Taten nicht verdrängt werden.“

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