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„Nächster Halt: Warstein Mitte“

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Von: Christian Clewing

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Mit dem Zug nach Warstein? Zuletzt war das möglich im Juli 2019 mit dem Sonderzug des Europa-Gymnasiums von Münster aus. archi
Mit dem Zug nach Warstein? Zuletzt war das möglich im Juli 2019 mit dem Sonderzug des Europa-Gymnasiums von Münster aus. archi © Christian Clewing

Nächster Halt ‘Warstein Mitte’. Der Zug endet hier...“ Derzeit ist die Reaktivierung der seit Jahrzehnten nur noch für den Gütertransport genutzten Bahnstrecke zwischen Warstein und Lippstadt für den Personennahverkehr nur ein Gedankenspiel, die Umsetzung aber könnte viele Vorteile mit sich bringen, wie die „reine Männerrunde“ im Betriebsausschuss erfuhr. Gunnar Wolters vom Kreis Soest und Thomas Ressel, Planungs-Leiter bei der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) informierten über den aktuellen Sachstand der noch in Arbeit befindlichen Machbarkeitsstudie.

Warstein „Nächster Halt ‘Warstein Mitte’. Der Zug endet hier...“ Derzeit ist die Reaktivierung der seit Jahrzehnten nur noch für den Gütertransport genutzten Bahnstrecke zwischen Warstein und Lippstadt für den Personennahverkehr nur ein Gedankenspiel, die Umsetzung aber könnte viele Vorteile mit sich bringen, wie die „reine Männerrunde“ im Betriebsausschuss erfuhr. Gunnar Wolters vom Kreis Soest und Thomas Ressel, Planungs-Leiter bei der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) informierten über den aktuellen Sachstand der noch in Arbeit befindlichen Machbarkeitsstudie.

Gunnar Wolters, Nahverkehrsfachmann beim Kreis Soest, nahm „bewusst keine Bewertung der Reaktivierung“ vor, ihm oblag die „gesamtverkehrliche Betrachtung“ auf dem WLE-Korridor. Auf dieser Strecke herrsche bei den Pkw ein „hohes Verkehrsaufkommen“, insbesondere auch durch den Durchgangsverkehr. Der Schnellbus S60 biete „sehr gute Verbindungen auch heute schon“. Diese Nord-Süd-Achse gelte es aber weiter zu stärken – beispielsweise auch durch eine Veränderungen der Taktungen mit einer maximalen Wartezeit von 30 Minuten in der Woche und am Samstag, am Sonntag dann mit 60 Minuten. Gleichzeitig müsse man den Zubringerverkehr zu den „starken regionalen Achsen“ bündeln auch auch die Ost-West-Verbindungen – beispielsweise die Linien R51 und S50 nach Soest sowie die R71 und R76/77 nach Rüthen – weiter ausbauen und möglichst auch schneller machen. Neben diesen Verbesserungen schlug der Gutachter auch vor, die Linie nach Meschede zu beschleunigen und abzukürzen, sie sollte „auf direktem Wege“ in die benachbarte Kreisstadt führen. Abseits der „begradigten Linienführungen“ könne man durch ein On-Demand-System die Wohngebiete bzw. Dörfer erschließen. Zusätzliche Mobilstationen – unter anderem am Bahnhof Warstein – sowie ein Fahrradmietsystem seien sinnvoll. Allein für den Raum Warstein und Rüthen rechnete der Gutachter in einer „ersten wirtschaftlichen Bewertung“ mit Mehrkosten von bis zu 700 000 bis 800 000 Euro pro Jahr für diese ÖPNV-Maßnahmen. Zwei Umsetzungsstufen schweben dem Gutachter vor: In der Stufe 1 bis 2025 der Aufbau eines Fahrradmietsystems, Verbesserungen im Fuß- und Radwegenetz sowie der punktuelle Ausbau des Linienverkehrs. In der Stufe 2 bis 2030 sollen der Linienverkehr weiter ausgebaut und On-Demand-Verkehre eingeführt werden. Diese Veränderungen sollten dann im Prozess der Machbarkeitsstudie für die WLE-Reaktivierung und im Nahverkehrsplan des Kreises Soest berücksichtigt werden.

Dabei müsse man natürlich auch schauen, so Wolters, „was ist wirtschaftlich machbar, wo gibt es Mittel vom Land oder Bund für den ÖPNV?“ Da die Mobilitätswende derzeit in aller Munde sei, hoffe man hier auf mehr Mittel. Er ging aber auch davon aus, dass die Kommunen bei der Finanzierung beteiligt werden müssen. Diese Beteiligung an den Kosten ließ natürlich auch die Warsteiner Politiker hellhörig werden: Man müsse aufpassen, „dass wir nicht zweimal bezahlen“, warnte Bernd Schauten (SPD) – einmal über die Verlustbeteiligung, einmal über die Kreisumlage. Gleichwohl pflichtete er bei, das sei ein „vernünftiges und schlüssiges Konzept“: „Alle wollen Klimaschutz und Mobilität – ich finde das in Ordnung.“

Eine Ergänzung zu den Ausarbeitungen kam von Matthias De Angelis (WAL/Grüne), der die Betrachtung als „sehr stark auf Meschede fokussiert“ einstufte und die Berücksichtigung von Brilon vermisste: „Brilon wirbt gerade massiv um Arbeitskräfte“, habe er beobachtet. Auch Ausschussvorsitzender Hans-Martin Weber (CDU) pflichtete bei und ergänzte, „es ist nicht zu unterschätzen, was Richtung Brilon pendelt“. Gunnar Wolters sagte zu, hier nochmal einen Blick drauf zu werfen.

Insgesamt zehn Reaktivierungsmaßnahmen werden derzeit beim Nahverkehr Westfalen-Lippe als „größter Aufgabenträger in NRW“ bearbeitet, wie Thomas Ressel den Ausschussmitgliedern erläuterte. Aktuell seien bereits drei in der Umsetzung mit Landesmitteln. Möglich ist das nur, weil in den Machbarkreitsstudien nachgewiesen wurde, dass der Nutzen die Kosten übersteigt: „Es darf volkswirtschaftlich kein Schaden entstehen“, erläuterte der Abteilungsleiter Planung. Der Wert müsse daher nicht nur über 1 sein, sondern am besten mit einem Puffer von gut 30 Prozent. Ob das für die WLE-Strecke zwischen Warstein und Lippstadt auch so sein wird? „Nach Ostern erwarten wir erste Ergebnisse“, so Ressel, „dann haben wir erste Einschätzungen zum Kosten-Nutzen-Faktor.“ Anschließend gehe man damit in die Verbandsversammlung im Juni 2023 sowie in die Gremienvorstellung. Wichtig war dem Fachmann die Feststellung: „Es soll ernsthaft, richtig und im Zweifelsfall nochmal mit einer Schleife angegangen werden.“ Es sei eine Chance, die man die nächsten 20, 30 Jahre sicherlich nicht mehr bekommen werde. Und auch wenn die Kosten-Nutzen-Analyse positiv sei, so sei das noch kein Garant für die Realisierung, denn letztlich „müssen sie uns das sagen, das ist ihre Entscheidung und kein Automatismus“.

Das Betriebskonzept für die Strecke zwischen „Warstein Mitte“ – Start- bzw. Endpunkt soll nicht der „ungünstig gelegene“ ehemalige Bahnhof sein, sondern das Stadtzentrum etwa im Bereich zwischen hinter der Volksbank und Rangestraße – und Lippstadt sieht als „erstmal einfachste Variante“ eine 60-Minuten-Taktung vor. Verschiedene Varianten werde man durchspielen, darunter auch mehr Fahrten auf der ganzen Strecke oder auch nur auf Teilstrecken.

Dass die Personenbeförderung für die Stadt Warstein und auch die anderen Kommunen entlang der Route attraktiv sein kann, machte Thomas Ressel ebenfalls deutlich: „Für jeden Zug ist ein Trassenentgelt an die WLE zu zahlen“, ähnlich wie die Maut bei Lastwagen. Da die Stadt Warstein mit sechs Prozent Anteilseigner an der Westfälischen Landes-Eisenbahn ist, profitiere man davon durch eine Reduzierung der Verlustbeteiligung.

Bei der Gestaltung des Fahrplans will man sich an den Anschlusszügen in Lippstadt orientieren – sowohl an der RB 89 zwischen Münster und Warburg als auch am RE Richtung Kassel und Ruhrgebiet. Als Fahrzeit hat man 33 Minuten taxiert – ob das wirklich machbar sei, müsse sich noch zeigen. Auf jeden Fall mache es Sinn, das Gewerbegebiet Lippstadt-Süd mit fast 5000 Beschäftigten mit einer Haltestelle anzubinden, hier vor Ort vielleicht auch Belecke-Nord.

Eine „Problemlage“ sei die Ortsdurchfahrt Belecke (ebenso wie Erwitte). „Das müssen wir zusammen lösen“, warb Ressel mit Blick auch auf den Lärmschutz. Die elektrischen Züge, der Betreiber werde in einer europaweitern Ausschreibung ermittelt, seien aber nicht mit der Lautstärke der Steinzüge vergleichbar: „Der Personenzug ist viel leichter, das ist eine andere Lärmkulisse.“

„Ein charmanter Gedanke“, urteilte Eisenbahn-Fachmann Wolfgang Landfester in der Ausschusssitzung insbeondere auch mit Blick auf die Haltestelle „Warstein Mitte“, wo Fußgänger und Radfahrer ideal zusteigen könnten. Aktuell leide Belecke sehr unter der Huperei, doch mit modernisierter und neuester Technik, darunter auch entsprechend gesicherte Übergänge, könnten die Züge „geräuschärmer durch Belecke“ fahren. „Für die WLE als Inhaber der Trassen kann es nichts besseres geben als Personennahverkehr“, so Landfester, durch die „erheblichen Trassenmehreinnahmen“ werde sich das Defizit deutlich verringern. Mit aktuell fünf Güterzügen pro Tag sei die Strecke nicht ausgelastet, mit dem Personenverkehr würden „richtige Einnahmen für die WLE“ generiert. „Für uns kann es in vielerlei Hinsicht nichts besseres geben, das bringt viele Vorteile für die Stadt Warstein und die Bürger.“ Zudem seien 33 Minuten bis nach Lippstadt eine „attraktive Fahrzeit“.

„Mir blutet das Herz, wenn wir es nicht hinkriegen würden, hier klimafreundlich zu fahren“, so das Schlussfazit von Thomas Ressel: „Die WLE-Strecke ist ein Juwel, das an vielen anderen Standorten fehlt. Solch einen Vorteil hat nicht jeder.“ Als Region könne man von Reaktivierung „enorm profitieren“, zudem sei es ein „enormer Standortfaktor“ für einen attraktiven Wohnort.

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