Erst am Mittwochabend, zwei Tage vor dem Gewaltvorfall, kontaktierte Tochter Sandra Weber diese Zeitung sowie die Stadt Warstein. Sie berichtete von „massiver Ruhestörung durch lautes Geschrei“. Das beginne teilweise vor 7 Uhr morgens und ende erst nach 23 Uhr. Die Nachbarn seien dadurch sehr gestört: „Zwei Häuser weiter wohnen zudem zwei kleine Kinder, für welche diese anhaltenden Rufe sehr beängstigend sein müssen.“
Am Abend zuvor sei auch die Polizei für ein Gefährdergespräch vor Ort gewesen, berichtet Weber: „Aus jahrelanger Erfahrung wissen wir, dass diese grundsätzlich begrüßenswerte Aktion meistens nur kurzzeitig wirkt.“In ihrer Mittagspause wollte Weber joggen gehen, „als ein Bewohner, der offensichtlich unter Betäubungsmitteleinflus stand, auf unserem Grundstück stand und mich ansprach. Ich habe nicht reagiert und bin wieder ins Haus gegangen. Er kam sodann zur Tür und klingelte. Da ich allein im Haus war, habe ich gewartet bis er weg war und bin dann mit Verspätung mit einem mulmigen Gefühl losgelaufen. Auf den letzten Metern meiner Runde bin ich an der Unterkunft vorbeigelaufen, und die dort sitzenden Personen haben mich sehr laut angeschrien.“ Solche und ähnliche Aktionen, ebenso die Vermüllung um die Unterkunft, kämen immer wieder vor, beschreibt Weber: „Leider erfüllt der Bereich um das Haus für mich die Kriterien einer No-go-Area, und das hier in Warstein.“
Seit 1987 lebt Mutter Anke Weber in dem Haus an der Oberbergheimer Straße. Seitdem gibt es auch schon die Obdachlosenunterkunft in Sichtweite. „Aber früher war das etwas anderes“, sagt sie. Natürlich lebten dort immer sozialschwache Menschen und Familien, „die ihren Platz in der Gesellschaft ein bisschen verloren hatten“. Aber der Umgang, die Situation sei weniger beängstigend gewesen: „Die Kinder haben sogar alle miteinander gespielt, man kannte sich und hat sich respektiert. Denn solchen Leuten muss geholfen werden, das steht außer Frage.“
Doch viele Bewohner der vergangenen Jahre hätten Suchtprobleme oder seien psychisch krank, sagt Weber: „Es ist aus den Fugen geraten. Ständig muss die Polizei anrücken.“ Als Familie, als Nachbarn wolle man bewusst machen, dass die aktuelle Situation eine Belastung für alle sei: „Die Menschen dort brauchen ein engmaschigere Betreuung und regelmäßige Kontrollen, damit es nicht wieder zu solchen Vorfällen kommt.“
Auch die Waldhütte der Webers hätten die Obdachlosen im vergangenen Jahr geplündert, hätten Dekorationen im Vorgarten zerstört oder auf der Terrasse randaliert: „Über Kleinigkeiten sehen wir hinweg, aber die Fälle haben enorm zugenommen.“
Roswitha Wrede, Leiterin des Ordnungsamtes macht deutlich: „Kommunen müssen unfreiwillig obdachlosen Personen, die sich finanziell beziehungsweise auch persönlichkeitsbedingt nicht selbst eine Unterkunft verschaffen können, ein vorläufiges und befristetes Unterkommen einfacher Art zur Verfügung stellen. Das Ordnungsamt ist im Falle einer drohenden oder bestehenden Obdachlosigkeit gehalten, die zur Beseitigung dieser Gefahr notwendigen und angemessenen Maßnahmen zu treffen.“ Dies werde mit der Unterkunft an der Oberbergheimer Straße ebenso geschaffen wie mit den zwei Obdachlosen-Unterkünften im Suttroper Mühlweg.
Wrede stellt fest: „Obdachlosigkeit hat immer einen traurigen Hintergrund: familiäre Probleme, Scheidung, plötzliche Arbeitslosigkeit, finanzielle Engpässe. In der Kindheit finden sich oftmals zerrüttete Verhältnisse, nicht selten Gewalt und Missbrauch. Fast immer kommen mehrere Schicksalsschläge zusammen. Der Handlungsspielraum einer Stadt, diesen Menschen weitergehend – also über die Unterbringung in der Notunterkunft hinaus –zu helfen ist gering, wenn jemand weder für sich selbst noch für andere Menschen eine wirkliche Gefahr darstellt. Hilfsangebote durch gesetzliche Betreuer, Sozialpsychiatrischer Dienst, vielfältige Hilfen anderer Art werden oftmals nicht angenommen.“
Bei der Belegung achte das Ordnungsamt darauf, wer mit wem in welcher Unterkunft zusammenlebt: „Stellen wir fest, dass jemand sich in einem Ausnahmezustand befindet, wird unter anderem der sozialpsychiatrische Dienst eingeschaltet. Wir sehen nicht weg.“
Direkte Konsequenzen für die Obdachlosenunterkunft an der Oberbergheimer Straße wird der Gewalt-Vorfall nicht haben: „Die professionelle Reinigung ist bereits beauftragt, damit schnellstmöglich die Unterkunft wieder belegt werden kann“, so Wrede. Eine Statistik über die Einsätze an der Niederbergheimer Obdachlosen-Unterkunft hat die Kreispolizei in Soest nicht, erklärt Pressesprecher Wolfgang Lückenkemper: „Aber alle Unterkünfte werden, neben den Notrufen, regelmäßig und mindestens einmal am Tag bestreift.“ Ergebnis: „Jede Kommune im Kreis hat solche Unterkünfte und keine von ihnen ist auffällig.“ Das seien lediglich die Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Soest und Möhnesee: „Aber wir zeigen als Polizei natürlich trotzdem vor Ort Präsenz.“
„In der Stadt Warstein halten wir drei Obdachlosen-Unterkünfte vor. Neben der in Niederbergheim, die maximal für 14 Personen ausgelegt ist – bewohnt wurde sie bis zum Gewaltdelikt von sechs Obdachlosen –, sind zwei Unterkünfte in Suttrop, Mühlweg. Eine im ehemaligen Kindergarten als kurzzeitige Bleibe für maximal zwei Personen und im ehemaligen Schwimmbad können bis zu drei Personen untergebracht werden, dort auch langfristig. Aktuell sind die Obdachlosenunterkünfte mit acht Personen belegt“, so Wrede