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Manager der Jungen Philharmonie Köln lebt in Warsteiner Friedhofskapelle

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Von: Reinhold Großelohmann

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Die nur wenig umgestaltete Trauerhalle bildet das Herz der einstigen Friedhofskapelle, von der aus Prosper-Christian Otto als Vorsitzender die Veranstaltungen und gelegentlich auch Tourneen der Jungen Philharmonie Köln im In- und Ausland organisiert.
Die nur wenig umgestaltete Trauerhalle bildet das Herz der einstigen Friedhofskapelle, von der aus Prosper-Christian Otto als Vorsitzender die Veranstaltungen und gelegentlich auch Tourneen der Jungen Philharmonie Köln im In- und Ausland organisiert.  © Großelohmann, Reinhold

Prosper-Christian Otto ist Manager der Jungen Philharmonie Köln, die am Freitag in Soest auftritt. Er organisiert die Konzerte aus einer besonderen Wohnstätte: Aus der ehemaligen Friedhofskapelle in Warstein.

Warstein – Wenn die Musikerinnen und Musiker der „Jungen Philharmonie Köln“ am Freitagabend in der Stadthalle Soest wieder einmal zum Soester Neujahrskonzert aufspielen, dann werden die Zuschauerinnen und Zuschauer wie selbstverständlich davon ausgehen, dass das Orchester aus Köln kommt. Sie irren. Der Sitz der „Jungen Philharmonie Köln“ ist nicht in der Weltstadt am Rhein, sondern in einer Stadt an der Wäster – und gar nicht so weit entfernt von Soest: in Warstein.

Das klingt ungewöhnlich, ist mit Blick auf die Besonderheiten des Orchesters aber zumindest erklärbar. Die Junge Philharmonie Köln ist ein 1972 gegründetes Musikensemble. Die Musikerinnen und Musiker konzertieren entweder in kleiner Besetzung als Kammerorchester oder Salonorchester, mehrfach im Jahr aber auch in großer Besetzung als Sinfonieorchester – wie am Freitag in Soest. Die Junge Philharmonie Köln ist ein selbst verwaltetes Nachwuchsorchester, das von einem als gemeinnützig anerkannten Förderverein geführt und organisiert wird. Zum 40. Jahrestag der Gründung der Jungen Philharmonie war der Förderverein „Freunde und Förderer der Jungen Philharmonie Köln e.V.“ ins Leben gerufen worden. Ziel des Fördervereins ist es, die Existenz dieses nicht subventionierten und frei finanzierten Orchesters zu sichern.

Wohnsitz weiterhin in Hamburg

Mit Blick auf die Finanzen erwies es sich als schwierig, die Verwaltung in der Domstadt unterzubringen. Der Zufall wollte es, dass die stellvertretende Vorsitzende Kenntnis vom Verkauf eines ungewöhnliche Immobilienobjektes in Warstein erhalten hatte. Die Mitte der 1990er Jahre gebaute Friedhofskapelle am neuen Friedhof „Im Bodmen“, die ein Privateigentümer 2009 erworben hatte, weil die Stadt Warstein sie nach rund zehnjähriger Nutzung wegen der veränderten Bestattungskultur nicht mehr benötigte, stand erneut zum Verkauf an. Dr. Edda Kehl erwarb das Gebäude und stellte es dem Verein zur Verfügung.

Als Vorsitzender des Fördervereins zieht Prosper-Christian Otto mit Wohnsitz in Hamburg deshalb seit 2011 von der Warsteiner Vereinsadresse „St. Poler Straße 10“ aus die Fäden. „Ich war die permanente Fahrerei leid“, sieht Otto die Lage des Hauses zwischen Hamburg und Köln für ihn sogar als günstig an.

Gesangsstudium in Hamburg

Am Samstag fuhr der Vorsitzende zum Silvesterkonzert seiner Schützlinge nach Espelkamp bei Osnabrück, am Sonntag ging es nach Linz am Rhein und am Montag war Bitburg in der Eifel das Ziel. Nach dem Auftritt am Freitag in Soest hat das Orchester dann erst einmal eine Woche lang Pause.

Die einstige Friedhofskapelle ist Sitz des Orchesters.
Die einstige Friedhofskapelle ist Sitz des Orchesters. © Großelohmann, Reinhold

Prosper-Christian Otto ist als Opernsänger selbst in der Welt der klassischen Musik unterwegs, auch wenn der 73-Jährige heute keine großen Opern mehr singt, sondern sich vorbehält, gelegentlich Liederabende zu veranstalten. Der gebürtige Herforder hat in Hamburg einst Gesang studiert, in Salzburg schloss er sein Studium mit Meisterkursen bei Herbert von Karajan ab. Er debütierte als Siegfried unter der musikalischen Leitung von Zubin Mehta. In Musikmetropolen wie in Stockholm, London, Rom, Madrid, Barcelona, Berlin, Florenz, Hamburg und Neapel war Prosper-Christian Otto nicht nur in Opernpartien zu hören, sondern wirkte auch als Konzertsänger mit Werken von Mahler, Mendelssohn, Strauss und Beethoven. Er sammelte Erfahrung bei zahlreichen Funk- und Fernsehauftritten.

Diese Erfahrung kommt ihm nun heute bei der Organisation der Konzerte zugute. Sein besonderes Augenmerk richtet er auf die musikalische Nachwuchsförderung. Junge Musikerinnen und Musiker an das gemeinsame Konzertieren heranzuführen, sieht er als Kernaufgabe der Jungen Philharmonie Köln. „Nach dem Examen und vor dem Eintritt in ein Symphonieorchester gibt es viele Dinge, die junge Musiker lernen müssen“, sagt Otto. Dieses gelingt mit herausragenden Konzertereignissen. Stolz berichtet er von drei Schützlingen, die nach Auslaufen der Projektverträge von den Wiener Philharmonikern engagiert worden sind. Anna Gertsel, die gemeinsam mit Werner von Schnitzler im Konzert am Freitag in Soest Solo-Partien übernimmt, ist für ihn eines dieser ganz großen Talente, denen die Junge Philharmonie Köln den Weg nach ganz oben in der Musikwelt ebnet.

Vor fünf Jahren Opernkarriere aufgegeben

„Vor fünf Jahre habe ich meine Opernkarriere aufgegeben“, berichtet Otto. Seither kann er sich noch intensiver der Konzert-Organisation widmen. in Warstein wird er dabei von zwei Teilzeit-Mitarbeiterinnen unterstützt, die die Büroarbeit erledigen. Verträge müssen geschrieben und die Bezahlung abgewickelt werden. Auch der Aufwand für Anreise und Unterbringung der Musiker ist zu organisieren. Die eigentliche Konzertsaison geht von Oktober bis Februar. Zuvor sind im September Probewochen angesetzt, die – je nach Programm – zwischen ein und sechs Wochen dauern können. Geleitet wird das Orchester von Volker Hartung, der bereits 1976 in die Junge Philharmonie eintrat. Nach dem frühen Tod des Gründungsdirigenten Erich Kluge übernahm er 1986 deren Leitung. In den folgenden Jahren entwickelte er die Talente der Junge Philharmonie weiter, führte diese in das Ensemblespiel ein und formte aus einem kleinen Ensemble aus wechselnden Musikern ein Symphonie-Orchester. Er führte die Junge Philharmonie bei Konzertreisen auf alle Kontinente und auf viele internationale Musikfestivals.

Der Stillstand durch Corona ist auch bei der Jungen Philharmonie Köln überwunden. Mehrfach freute sich Prosper-Christian Otto über volle Konzertsäle – und hofft, dass das so bleibt. So können auch Tourneen oder selbst organisierte Konzertveranstaltungen wieder ins Auge gefasst werden – allesamt organisiert von Warstein aus.

Konzert in Soest

Seit 26 Jahren bestreitet die Junge Philharmonie Köln das Neujahrskonzert in Soest. Am Freitag um 20 Uhr ist es in der Stadthalle wieder so weit. Ein bunter Reigen von Kompositionen von Friedrich Holländer über Johann Strauß bis Dimitri Schostakowitsch zum Thema „Tanz und Swing der Roaring Twenties“ wird geboten. Die Leitung hat Volker Hartung. Eintrittskarten sind noch im Internet erhältlich.

Nur zehn Jahre Friedhofskapelle

Der Bau der Friedhofskapelle „Am Bodmen“ war eine historische Fehlplanung. Gegen den entstehenden Trend zur Urnenbestattung plante die Stadt Mitte der 1990er Jahre einen neuen Friedhof, da der alte Friedhof an der Bilsteinstraße immer stärker belegt wurde. Zur neuen Friedhofsfläche „Am Bodmen“ wurde auch eine architektonisch attraktive Kapelle gebaut und 1998 eingeweiht. Es gab rund 50 Bestattungen, bis klar wurde, dass weder Friedhof noch Kapelle in den nächsten Jahrzehnten gebraucht würden.

2009 wurde die 200 Quadratmeter große Kapelle mit großem Grundstück für rund 130 000 Euro verkauft. Die Stadt machte erheblichen Verlust, hatte sie doch für Kapelle und Friedhof rund eine Million Euro investiert. Auf die Umbettung der Verstorbenen wurde verzichtet, so dass sich in Sichtweite der Kapelle heute ein Friedhof mit rund 50 belegten Gräbern befindet.

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