Die Fast-Katastrophe: Vor fünf Jahren brach Großbrand in Warsteiner Galvanik aus

Vom 9. auf den 10. Juli 2015 brach ein Großbrand im Galvanik-Betrieb Al Gramm zwischen Warstein und Belecke aus. Die Ruine des Betriebs steht noch heute - doch es soll sich etwas auf dem Gelände am Puddelhammer tun.
Warstein – Vor fünf Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2015, brach zwischen Warstein und Belecke ein Großbrand aus, der der Feuerwehr der Stadt Warstein rückblickend einen ihrer größten und wohl den intensivsten Einsatz ihrer Geschichte bescherte. Der Galvanik-Betrieb Al Gramm am Puddelhammer stand lichterloh in Flammen. Die Brandruine steht noch heute – und soll verschwinden.
Als die Feuerwehr am Abend des 9. Juli, einem Donnerstag, um 21.28 Uhr gerufen wurde, drang bereits dichter schwarzer Rauch, orange vom Feuer erleuchtet, aus dem Dach der rund 2500 Quadratmeter großen Al Gramm-Produktionshalle.

In ihr wurden bis zu sechs Meter lange Aluminiumbauteile für die Branchen Sanitär und Innenarchitektur durch die Behandlung mit hochgefährlichen Chemikalien beschichtet. Die giftige Rauchwolke zog vom Puddelhammer Richtung Südosten direkt auf Suttrop und die angrenzende LWL-Klinik, in der sich zu diesem Zeitpunkt etwa 600 Patienten und Klinik-Angestellte aufhielten, zu.
22.10 Uhr: Großschadenslage
Gegen 22.10 Uhr rief Landrätin Eva Irrgang auf Anraten des Kreisbrandmeisters Thomas Wienecke die örtliche Großschadenslage aus. Per Lautsprecherdurchsagen wurde die Bevölkerung vor der Gefahr gewarnt und aufgefordert, Fenster und Türen zu schließen.

Im Laufe der Nacht bekam die Feuerwehr Warstein Unterstützung von den Feuerwehren aus Anröchte, Erwitte, Geseke, Lippstadt, Möhnesee, Rüthen, Soest, Werl, dem Hochsauerlandkreis, dem Kreis Paderborn, Hamm, Gütersloh, Dortmund und Bielefeld. In der Nacht waren 350 Feuerwehrleute im Einsatz, hinzu kam die Polizei mit 16 Streifenwagen und einem Hubschrauber.
Nach der Brandbekämpfung offenbarte sich den Einsatzkräften eine weitere Hiobsbotschaft: Da es von Seiten der Firma keine Einrichtungen zur Löschwasserrückhaltung im Bereich der Türen und Tore gab, gelangte kontaminiertes Löschwasser aus dem Gebäude. Zur Vermeidung von Umweltschäden – die Wäster fließt nur wenige Meter neben dem Gebäude entlang – wurden von der Feuerwehr sofort Rückhaltemaßnahmen eingeleitet.

Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass der Einsatz sich noch über mehrere Tage hinziehen sollte. Erst am Samstagnachmittag gelang es, ins Innere des Gebäudes vorzudringen, nachdem die einsturzgefährdete Produktionshalle mit einer Drohne der Feuerwehr Werl erkundet worden war.

Bei den Arbeiten am Freitag kamen im Wechsel nochmals etwa 250 und am Samstag rund 150 Feuerwehrleute zum Einsatz. Während der Arbeiten lagen spezielle Medikamente vor Ort bereit, da von den Stoffen eine erhebliche Gefahr für die Einsatzkräfte ausging.

Am Samstag gegen 22 Uhr konnte dann Einsatzende gemeldet werden. Im Laufe der nächsten Tage musste die Feuerwehr immer wieder zu Nachlösch- und Aufräumarbeiten zur Brandruine ausrücken. Messarbeiten zogen sich noch über mehrere Wochen.

„Das war die böseste Nummer, die ich je erlebt habe“, sagte am Donnerstag Warsteins Leiter der Feuerwehr, Donat Ahle. Er leitete den Einsatz damals über weite Strecken. „Wir haben wirklich gekämpft und konnten die Umwelt und auch das direkt angrenzende Fitnessstudio retten. Das war eine super Teamleistung aller Leute“, betonte er und unterstrich: „Wir sind wirklich an einer Katastrophe vorbeigeschwappt. Wäre von den gefährlichen Stoffen etwas in die Möhne und von dort in die Möhnetalsperre geraten – das ganze Trinkwasser des Ruhrgebiets wäre betroffen gewesen.“

Rückblickend bestätigt er: „Das war einer der gefährlichsten und umfangreichsten Einsätze unserer Feuerwehr-Geschichte.“
Mittlerweile könnte wieder per Sirene gewarnt werden
Donat Ahle ist froh, dass die Bevölkerung heute bei einer derartigen Gefährdungslage im Gegensatz zu 2015 per Sirene gewarnt werden könnte.
In vielen Kommunen waren die Sirenen vor Jahren abgebaut worden. In Warstein geschah dies nicht – sie wurden lediglich inaktiv geschaltet. Mittlerweile sind sie wieder scharf und können im Ernstfall zur Warnung der Bevölkerung genutzt werden.

Bereits kurze Zeit nach dem Großbrand, der einen Schaden von mehreren Millionen Euro verursachte, sagte Firmenchef Alexander Gramm im Anzeiger-Gespräch, dass er die Produktion am Puddelhammer wieder aufnehmen wolle. Allerdings war schon zu diesem zeitpunkt klar, dass für den Galvanik-Betrieb besser ein Alternativ-Standort zu suchen sei.
Nach Großbrand: Die Firma Al Gramm ist Geschichte
Von Seiten der Wirtschaftsförderung der Stadt Warstein hieß es, dass ein Ersatzstandort angeboten worden sei, das Unternehmen von diesem Angebot aber keinen Gebrauch gemacht hätte. Besucht man die Internetseite der Firma heute, fünf Jahre nach dem Brand, verlautet ein „wichtiger Hinweis“ noch immer: „Wegen eines Großbrandes in unserer Produktion haben wir unsere Büroräume temporär verlegt.“
Die Telefonanschlüsse führen den Anrufer nur noch zu der Bandansage, auf der es heißt: „Diese Rufnummer ist uns nicht bekannt.“ Die Firma Al Gramm ist Geschichte.
Ex-Chef äußert sich zur Zukunft: Was passiert mit der Ruine?
Wir erreichten den Ex-Chef an seiner neuen Wirkungsstätte in Baden-Württemberg und fragten, was mit der Brandruine am Puddelhammer passieren soll. „Wir sind in sehr aktiven Verhandlungen – mehr kann ich dazu nicht sagen“, erklärte Alexander Gramm. Ein Verkauf des Grundstücks und ein damit einhergehender Abriss des Gebäudes ist Anzeiger-Informationen zufolge geplant.
Die Dekontamination des Bereichs sei abgeschlossen, sagte Gramm. „Es laufen nur noch Endreinigungen im Gebäude. Behördlich ist alles freigegeben.“
Eine "Altlastenverdachtsfläche" bleibt
Wilhelm Müschenborn, Sprecher des Kreises Soest erklärte: „Der Bodenschutz des Kreises war dort bis vor einem Jahr aktiv.“ Der Bodenaushub musste aufwändig entsorgt werden. Die belasteten Flächen, die „aus verschiedenen Gründen“ nicht ausgehoben werden konnten, wurden abgedichtet.
Der Unglücksort am Puddelhammer ist nun eine „Altlastenverdachtsfläche.“ Ein konkrete Brandursache konnte nie ermittelt werden.
Lesen Sie auch: Nach Galvanik-Großbrand: 70.000 Euro-Kostenersatz für Nachbarwehren