„Ich verstehe das total, wenn ich irgendwo essen gehe, möchte ich auch, dass alles perfekt ist. Auch wir möchten das natürlich und machen alles dafür, dass unsere Gäste einen schönen Abend bei uns verleben. Dennoch – gerade in diesen Zeiten – ist es möglich, dass doch vielleicht die neu angelernte Bedienung mal etwas vergisst oder einfach nicht lächelt, weil sie/er einfach noch nervös ist. Manche sind da tatsächlich schnell mit ihrer Kritik. Außerdem: Es ist doch ein Geben und Nehmen. In Italien etwa gibt es die Coperto-Pauschale für Gedeck und Brot. In Frankreich hat das Essen grundsätzlich einen anderen Stellenwert und Trinkgeld zu geben ist üblich. In Deutschland fehlt diese Wertschätzung manchmal noch.“
Geld von Bundes- oder Landesseite sei für die Warsteiner-Betriebe nicht geflossen. „Da fallen wir durch das Raster, da wir an die Brauerei angegliedert sind, gelten wir als Gesamt-Konzern.“ Für die Zukunft wünscht sich die Restaurantleiterin nur eines: „Wir können nichts für die Situation – für Corona oder den Krieg. Ich wünsche mir einfach ganz normale Normalität zurück. Wir können halt nur reagieren und positiv in die Zukunft sehen.“
Durchaus positiv reflektiert die derzeitige Situation Jürgen Krewitt vom Gasthof „Zum Hirschen“ in Hirschberg. „Wir sind bisher ganz gut da durch gekommen. Kein Mitarbeiter hat uns verlassen und auch unsere Stammgäste haben uns die Treue gehalten. Wir werden unsere Preise derzeit noch nicht anheben.“ Dennoch hatte das Team vom Hirschen natürlich auch einige Maßnahmen treffen müssen. „Wir haben die Speisekarte ein wenig reduziert, um effizienter arbeiten zu können und den Dienstag, der sowieso immer sehr ruhig war, als zweiten Ruhetag hinzugenommen.“ Derzeit bemerke er zudem, dass vor allem die Senioren noch Angst verspüren und lieber daheim bleiben. „Da wird dann eben das Essen nach Hause geholt. Wir bieten den Service nach wie vor an.“
Mehr Betrieb herrsche allerdings, seit es eine stündliche Busverbindung unter der Woche nach Warstein gebe und viele Senioren aus den umliegenden Gemeinden steuern den Gasthof bei ihren E-Bike-Touren an. Die staatlichen Förderungen haben die Krewitts nur einmal in Anspruch genommen. „Letztlich müssen wir nun durch das Anbieten des Lieferservices einen Teil zurückzahlen. Ich denke in Sachen Förderung bedarf es mehr Aufklärung – oft ist das Geld vom Staat eben nur ein Darlehn, das es zurück zu zahlen gilt.“ Die Landesförderung für Digitalisierung hatte das Hirschberger Gastronomenpaar nicht genutzt: „Unsere Homepage wurde erst neulich überarbeitet und unser Gerät zum bargeldlosen Bezahlen hat das neuste Update bekommen. Da war kein Bedarf.“
Dringenden Handlungsbedarf sieht Jürgen Krewitt allerdings in der Senkung der Energiepreise. „Unsere Stromrechnung ist um 45 Prozent gestiegen, beim Gas waren es sogar über 100 Prozent – das muss in den Griff bekommen werden. Grundsätzlich möchte sich der 72-jährige gern mit Ehefrau Karin zur Ruhe setzen: „Wir würden verkaufen, suchen einen Nachfolger, aber ohne Druck – schließlich machen wir´s ja gern und dann eben ein paar Jahre länger.“
Einen Engpass bei der Gewinnung von Aushilfskräften hat es dagegen im vergangenen Jahr in im Eiscafé „Cortina“ in Belecke gegeben. Kurzfristig mussten die Gäste ihre Bestellung an der Theke selbst abholen. „Alle hatten für die Situation Verständnis“, so Ferruccio Scigliano rückblickend. Derzeit hat sich die Situation wieder normalisiert, allerdings mussten aufgrund der gestiegenen Lebensmittelkosten die Preise etwas angehoben werden. Auch Scigliano beklagt die hohen Energiekosten und hofft auf eine Lösung seitens der Regierung.
Die gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie sind auch in Sichtigvors Altem Bahnhof angekommen. „Wenn ich die Teuerungen eins zu eins auf den Kunden umlegen würde, müsste das Glas Bier 50 bis 60 Cent mehr kosten – das zahlt doch keiner mehr“, sagt Inhaber Thomas Schulte. Auch er habe die Preise „minimal“ angehoben. Ein großes Problem sei auch noch, dass viele – vor allem ältere Menschen – noch Angst vor einer Corona-Infektion hätten. „Der Rückgang der Gäste ist noch merklich zu spüren.“
Auch habe er festgestellt, dass eine Bedienung nicht mehr zwangsläufig erwartet würde: „Viele Gäste stecken den Kopf zur Türe hinein und fragen erst einmal ob wir raus kommen und am Tisch Bestellungen aufnehmen und servieren – scheinbar wird das nicht mehr überall angeboten.“ Diesen Service bietet Schulte uneingeschränkt an, auch wenn er ebenfalls derzeit Probleme hat, Arbeitskräfte zu gewinnen. „Ich musste die Öffnungszeiten anpassen. Sonntagmorgens habe ich nun nicht mehr offen – da bekommst du einfach keine Leute mehr.“ Auch die Speisekarte hatte der Teilzeit-Gastronom der Situation angleichen müssen. Schulte hofft, dass sich in Zukunft die Menschen wieder mehr hinaus wagen und auch die Inflation bald vor dem Portemonnaie der Bürger Halt machen wird. „Jeder hat weniger Geld zur Verfügung und gespart wird zunächst oft beim Gastronomie-Besuch. Ändert sich hier nichts, stellt sich für uns Wirte bald die Frage: Rechnet es sich noch einen Gasthof, eine Kneipe oder ein Restaurant zu betreiben?“
Diesen Gedanken muss derzeit auch Verena Adler von der Wästerliebe zulassen: „Die Lage ist dramatisch, was soll ich da schönreden?“, sagt die junge Gastronomin, die mit ihrem Konzept aus modernen, jungen Ansätzen und traditioneller Heimatliebe erst vor zwei Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Mittlerweile mit großem Erfolg: „Der Anfang war nicht einfach – in dieser Corona-Hochzeit. Jetzt haben wir aber die Gäste, bekommen so viel gutes Feedback. Auch unsere neue Abendkarte wird super angenommen. Da ist es jetzt einfach nur traurig, dass ich aufgrund der Tatsache, dass ich einfach kein Personal für die Küche bekomme, überlegen muss, ob das alles noch Sinn macht. In der Wästerliebe steckt all mein Herzblut, aber auch mein Privatvermögen – man muss einfach auch die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens sehen, ist die nicht mehr gegeben, muss man die Kurve kriegen – auch wenn es schmerzt.“
Vor allem einen zweiten Koch sucht die Warsteinerin händeringend und versteht eigentlich nicht ganz, dass es so gar keine Resonanz auf die Stellenangebote gibt. „Für einen Koch haben wir wirklich angenehme Arbeitszeiten. Sonntag und Montag sind Ruhetage, den Rest der Woche wird im Zweischichtbetrieb gearbeitet und spätestens um 21 Uhr hat die Küche Feierabend.“