1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Soest

Prähistorische Knochen lagerten über Jahrzehnte auf Soester Dachboden

Erstellt:

Von: Kathrin Bastert

Kommentare

Stadtarchäologin Julia Ricken mit dem Gelenkkopf eines subadulten Mammuts.
Stadtarchäologin Julia Ricken mit dem Gelenkkopf eines subadulten Mammuts. Der Knochen lagerte mehr als drei Jahrzehnte lang auf einem Soester Dachboden. © Peter Dahm

Alte Knochen zu finden ist für sich schon eine kleine Sensation. Der Fund, der nun in Soest aufgetaucht ist, wird ganz besonders durch die Umstände, wie er seinen Weg an die Oberfläche fand.  

Soest – Riesige Mammuts, Wollhaarnashörner und Steppenbisons spazierten einst durch Soest. Mindestens 15 000 Jahre ist das her, und der Nachweis darüber kam jetzt auf sehr ungewöhnlichem Weg ans Licht. Vier Knochen zeugen von der Existenz der Tiere, die charakteristisch sind für die Megafauna im Zeitalter des Pleistozän. Gefunden hat sie Franz-Josef Grundmann, mehr als 35 Jahre ist das her. Seitdem lagerten die Knochen auf dem Dachboden seines Hauses. Der Finder ist inzwischen verstorben, seit sechs Jahren bewohnt Tochter Simone das elterliche Haus. Als sie jetzt vor dem Winter den Dachboden dämmen wollte, stieß sie auf einen feuchten Karton. Darin: vier alte Knochen.

Ganz dunkel habe sie sich erinnern können, dass der Vater mal erzählt habe von seinem Fund. Der war ihm in die Hände gefallen, als er Ende der 80er Jahre einen Teich zur Bewässerung seines Gartengrundstücks am Hammer Weg anlegen wollte. „Ich habe mich dann bei Nachbarn umgehört. Einer wusste noch, dass er meinen Vater gefragt hatte, was er denn damit wolle. ‘Aufbewahren für schlechte Zeiten’, habe der geantwortet, notfalls lasse sich daraus vielleicht noch eine Suppe kochen.“

Prähistorischer Fund in Soest
Julia Ricken, die Tochter des Finders, Simone Grundmann und Kultur-Abteilungsleiter Dr. Norbert Wex freuen sich über den Nachweis prähistorischen Lebens in der Soester Tundra. Die Untersuchung der Knochenfunde konnte aus dem Etat des Burghofmuseums finanziert werden. © Peter Dahm

Wilde Zeiten in der Soester Tundra

Die Soester Stadtarchäologin Julia Ricken ist froh, dass es nichts wurde mit der historischen Knochenbrühe. Dass Simone Grundmann auf den Rat einer Freundin hörte und die Gebeine zu ihr brachte statt auf jene, die der Tochter rieten, sie in die Tonne zu werfen. Und dass sich nicht ihr erster Verdacht bestätigte, wonach vielleicht ein Wanderzirkus vor 100 Jahren einen Elefanten zurückgelassen haben könnte. Stattdessen attestierten ein Archäozoologe und ein Paläontologe die – mindestens aus Soester Sicht – kleine Sensation, dass einst gleich drei prähistorische Urviecher auf Soester Boden wandelten. Und noch ein viertes Tier spielte eine Rolle: An dem Gelenkknochen des – übrigens subadulten, also fast erwachsenen – Mammuts finden sich Bissspuren, die auf eine Höhlenhyäne hindeuten. Wilde Zeiten waren das also in Soest, das seinerzeit einer Tundra geglichen haben muss.

Dass gleich vier Knochen unterschiedlicher Tiere an einer mutmaßlich kleinen Fundstelle zutage kamen, dass sei nicht so ungewöhnlich, erklärt Julia Ricken. Knochen kämen in so genannten Kiesen vor, durch glaziale Verschiebungen in der Eiszeit überlagerten sich die Schichten, sodass sie eben an gleicher Stelle landeten. Der Paläontologe habe gestaunt, dass die Knochen auf Soester Stadtgebiet gefunden wurden, „dass der Soestbach in der Nähe fließt, macht es plausibel“. Spannend wäre es zu wissen, was sich rund um die Fundstelle noch alles finden ließe. Ob es ihr nicht in den Fingern jucke? „Mir juckt es hier in Soest ständig in den Fingern“, sagt Julia Ricken, aber die Stadtarchäologie betreibe eben keine „Lustgrabungen“. Und: „Archäologie zerstört auch. Oft ist es sinnvoller, zu versiegeln. Wer weiß, welche Möglichkeiten uns in 50 Jahren zur Verfügung stehen werden.“

Wollnashörner stammten aus Tibet
So ähnlich muss das Wollhaarnashorn ausgesehen haben, das einst durch die Soester Tundra spazierte. © Julie Naylor/dpa

Franz-Josef Grundmann hätte seine Freude an dem Wirbel, den seine Ausgrabungen mehr als drei Jahrzehnte später in Soest verursachen, da ist seine Tochter sicher. Sie selbst hätte nie gedacht, dass der Inhalt der ollen Kiste auf dem Dachboden 15.000 Jahre alt sein könnte.

Auch interessant

Kommentare