Wie wird es auf E-Bikes sicherer? Experte empfiehlt ganzes Bündel von Maßnahmen

180-prozentige Zunahme von E-Bike-Unfällen im Vergleich zu 2019: Diese Zahl der Unfallstatistik 2022 für den Kreis Soest erregte besondere Aufmerksamkeit. Klaus Kabst, Soester Rad-Experte des ADFC, erklärt, was getan werden sollte, um die E-Bike-Unfallzahlen in den Griff zu bekommen.
Soest – Natürlich habe es in den vergangenen Jahren einen E-Bike-Boom gegeben, natürlich sei die Anzahl der Radfahrer gestiegen und natürlich gebe es dadurch automatisch mehr Unfälle. Doch je größer die Zielgruppe potenzieller Unfallopfer ist, desto größer müsse die Motivation zur Prävention sein, um ebendiese Unfälle zu verhindern. Viele Menschen treten in die elektrisch unterstützten Pedale, die vorher „mangels Muckis und Puste niemals Fahrrad gefahren wären“, sagt Klaus Kabst, Vorsitzender der Soester Kreisgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).
Vielen E-Bike-Fahrern fehle die Erfahrung, zudem kritisiert er eine mangelnde Beratungsqualität im Handel. Das merke er immer wieder bei den ADFC-Fahrsicherheitstrainings: „Bei zehn Teilnehmern müssen bei mindestens fünf bis sechs die Fahrräder komplett neu eingestellt werden, weil beispielsweise die Entfernung zum Lenker nicht passt oder der Lenker zu breit ist. Wie kann man als Händler die Kunden mit so was auf die Straße schicken?“, fragt er nachdenklich.
Gleichzeitig beobachte er zu oft, dass Radfahrer „völlig falsch auf dem Fahrrad sitzen“ – auch hierzu beraten die ehrenamtlichen Mitglieder des ADFC gern. Grundstein für die Sicherheit von E-Bike-Fahrern ist also ihr eigenes fahrerisches Können. Doch gibt es darüber hinaus weitere Faktoren, an denen gearbeitet werden müsse: „Wir haben die Vision Zero, also den Wunsch, dass kein einziger Radfahrer im Verkehr ums Leben kommt. Die finnische Hauptstadt Helsinki hat das schon geschafft. Dort herrscht innerstädtisch flächendeckend Tempo 30. Wir haben bei uns noch eine Auto-Vorrang-Politik – solch ein Tempolimit ist bei uns seit Jahren überfällig“, unterstreicht Kabst.
Parallel müsse die Straßen-Infrastruktur gerade an Kreuzungen verbessert werden. „Die Infrastruktur muss so sein, dass sie Verkehrsteilnehmern Fehler verzeiht. Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger müssen voneinander getrennt werden. Durch dieses gesteigerte Sicherheitsgefühl würden noch mehr Menschen aufs Rad umsteigen.“ In Soest sieht Kabst Knackpunkte, an denen es für Radfahrer gefährlich sei: „Der neu gestaltete Kreisverkehr am Bahnhof ist eine Katastrophe. Da sind schon erfahrene Radler, Rennradler, die tausende Kilometer im Jahr fahren, zu Sturz gekommen.“ Kabst weiter: „Außerdem gibt es vielerorts die schlimme Einrichtung Schutzstreifen für Radfahrer. Sie suggerieren falsche Sicherheit. Ein Beispiel: Der Schutzstreifen führt an parkenden Autos vorbei. Um ‘Dooring-Unfälle’ durch sich öffnende Autotüren zu vermeiden, halte ich als Radfahrer seitlichen Abstand zu den Autos, werde dadurch aber dauernd von den Autofahrern links von mir angehupt, weil ich zurück auf den Schutzstreifen soll. Die Schutzstreifen müssen weg.“
Am Potsdamer Platz beobachte Kabst zudem immer wieder, wie die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit missachtet wird – „nur Fahrschulautos fahren da vorschriftsmäßig.“ Gleiches gelte für Radfahrer in der Gräfte: „Die Gräfte gehört den Fußgängern, Radfahrer müssen auf sie Rücksicht nehmen.“
Entscheidend sei am Ende der oberste Paragraf der Straßenverkehrsordnung, die gegenseitige Rücksichtnahme. „Auto- und Lkw-Fahrer haben eine höhere Verantwortung, denn sie können größeren Schaden anrichten. Radfahrer schaden in erster Linie sich selbst. Gleichzeitig muss jedem Radfahrer bewusst sein, dass er leicht übersehen werden kann.“
Rücksicht sollten Radfahrer jedoch auch auf Fußgänger nehmen – ganz besonders in Bereichen, an denen Schrittgeschwindigkeit herrscht. Klaus Kabst appelliert an alle: „Die Straße gehört uns allen, dann müssen wir uns auch vertragen.“