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Ukraine-Krieg, Corona und Energiepreise: Kuchenmeister zerbricht sich den Kopf wegen Zutaten

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Von: Achim Kienbaum

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Bevor so ein Schokotörtchen den Weg zur Kundschaft mit dem süßen Zahn findet, haben die Zutaten dafür oft einen längeren Weg hinter sich. Im Moment kann der sogar besonders lang sein.
Bevor so ein Schokotörtchen den Weg zur Kundschaft mit dem süßen Zahn findet, haben die Zutaten dafür oft einen längeren Weg hinter sich. Im Moment kann der sogar besonders lang sein. © Kuchenmeister

Jede Hausfrau weiß: Ein gelungener Kuchen ist ein Gesamtkunstwerk und nur so gut wie seine Zutaten. Das gilt natürlich umso mehr für einen Großbäcker in Industriedimensionen wie die Soester Firma Kuchenmeister. Dort wird es derzeit immer schwieriger, alles Nötige zu beschaffen, um wie gewohnt etwas gebacken zu bekommen.

Soest – Kleinere Schwankungen auf den Weltmärkten bei der Verfügbarkeit oder den Preisen für einzelne Rohstoffe – geschenkt. Das hat für Fabian Meiberg und alle anderen der rund 800 Mitarbeiter des Familienunternehmens seit jeher zum Alltagsgeschäft gehört. „Aber was wir derzeit erleben, hat es so noch nie gegeben“, macht der 39-jährige „Head of Business Developement and Marketing“ keinen Hehl daraus, dass ihm die aktuelle Situation eine Menge Sorgen und auch Kopfzerbrechen bereitet. Warum das so ist, erklärt Meiberg an einem Beispiel – er könnte viele weitere hinzufügen.

Lecithine werden in der Lebensmittelproduktion als Emulgatoren eingesetzt. Sie helfen dabei, dass Stoffe wie Wasser und Öle, die sich eigentlich nicht verbinden, doch miteinander vermengen lassen. Unter anderem ist das bei der Herstellung von Schokoladenprodukten der Fall. Kuchenmeister verwendete dafür bislang Lecithine aus Sonnenblumenöl – das wiederum wird zum allergrößten Teil in der Ukraine erzeugt. Dort liegt die Produktion aber seit dem Kriegsausbruch komplett still.

Letzter Ausweg: Soja-Lecithin

Der Umstieg auf Rapsöl wäre möglich – aber diese Idee hatten natürlich auch alle anderen Unternehmen, die Lecithine benötigen. Innerhalb kürzester Zeit, so Fabian Meiberg, war der Markt dafür komplett leergefegt.

Bleibt als letzter Ausweg der Einsatz von Soja-Lecithin – das aber ist ein Allergen und muss, auch in kleinsten Dosierungen, auf der Verpackung ausgewiesen werden. „Wir müssen also Verpackungen für rund 1000 verschiedene Produkte ändern und einen entsprechenden Aufdruck anbringen“, erklärt Fabian Meiberg – und zwar zügig. Und das betrifft nur die Zutat Sonnenblumenöl.

Es gibt eine ganze Menge weiterer Rohstoffe, die entweder gar nicht mehr verfügbar sind oder nur zu deutlich höheren Preisen – mindestens in einem zweistelligen Prozentbereich. Getreide und Eier gehören natürlich dazu, bei beiden spielte die Ukraine bislang eine wichtige Rolle auf dem Weltmarkt.

Und: Große Mengen des als Futtermittel verwendeten Mais kamen bislang aus der Ukraine. Der Ausfall hat die Preise für die Tierhalter enorm in die Höhe getrieben, auch das wirkt sich natürlich direkt auf die Preise aus, in diesem Fall auf den der Eier.

Da hilft es einem Unternehmen wie Kuchenmeister auch nur wenig, dass es bisher gar keine Produkte direkt aus der Ukraine oder aus Russland einkaufte, sondern bereits verarbeitete Produkte einsetzt wie Mehl aus Getreide oder Vollei, das in Tanklastern angeliefert wird.

„Sind die Lieferketten unterbrochen, spüren das alle“, weiß Fabian Meiberg um die globalen Zusammenhänge (siehe auch Infokasten). – unter anderem natürlich an den Preisen. Ein weiteres Beispiel dafür: Innerhalb weniger Wochen sind die Preise für Eier um 300 Prozent gestiegen – wenn denn überhaupt welche zu bekommen sind.

Kuchenmeister deckt seinen Bedarf auf dem nationalen Markt und in den Niederlanden – und ist auch dort natürlich einer drastisch gestiegenen Konkurrenz ausgesetzt von Unternehmen, die dort nun kaufen, weil sie von früheren Produzenten in anderen Ländern nichts mehr bekommen.

Zwischen Lieferanten und dem Handel

Weil das Soester Familienunternehmen als Produzent von Backwaren zwischen Lieferanten und dem Handel sitzt, mussten und müssen derzeit zahllose Verträge neu ausgehandelt werden, um die dramatischen Preisanstiege irgendwie aufzufangen – am Ende, das zeichnet sich längst ab – werden die Verbraucher wohl die Zeche zahlen müssen. Immerhin: Fabian Meiberg sieht auch zumindest etwas Licht in diesem globalen Dunkel.

„Natürlich sind die Gespräche, die wir mit Lieferanten und dem Handel führen, alles andere als leicht“, räumt er zwar ein. „Aber in den meisten Fällen wird deutlich, dass wir uns als zuverlässiges Familienunternehmen in den vergangenen Jahrzehnten einen hervorragenden Ruf und viel Wertschätzung erworben haben.“

Diese Wertschätzung zahle sich nun aus. „Bislang mussten wir die Produktion zwar punktuell umstellen, aber wir haben es immer noch geschafft, unsere Backstraßen auszulasten“.

Was jedoch auf absehbare Zeit fehlen dürfte, ist eine weitere wichtige Zutat auf einem Markt, bei dem es weitgehend um die Verarbeitung schnell verderblicher Rohstoffe geht: die Planungssicherheit.

Auch hier ein Beispiel: In der „Kornkammer Europas“, der Ukraine, ist schon in diesem Jahr die Ernte weitgehend ausgefallen. Selbst wenn sich die Lage dort bis zum kommenden Frühjahr vollkommen beruhigen würde, könnten die Landwirte die nächste Ernte erst wieder im Herbst nächsten Jahres einbringen – auf dem derzeit mehr als turbulenten Weltmarkt für Getreide ist das eine gefühlte Ewigkeit. Und dennoch der beste anzunehmende Fall.

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