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Tierarzt könnte teurer werden - Experten sehen Krankenversicherung für Tiere trotzdem skeptisch

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Von: Ilka Platzek

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Wenn das Tier zum Arzt muss, wird es oft teuer. Doch eine Versicherung für ihre Vierbeiner können und wollen sich viele nicht leisten.
Wenn das Tier zum Arzt muss, wird es oft teuer. Doch eine Versicherung für ihre Vierbeiner können und wollen sich viele nicht leisten. © Inga Kjer

Tierarztbehandlungen können schnell teuer werden, aber kaum jemand schließt eine Krankenversicherung ab. „Zu teuer“, sagen viele Besitzer.

Kreis Soest – Ein Blick in die Online-Vergleichsportale zeigt, dass es Kranken- und OP-Versicherungen etwa für Katzen ab 4,50 Euro bis zu 150 Euro im Monat gibt. Im Mittel liegt der Preis bei rund 30 Euro pro Monat pro Katze, macht etwa 360 Euro im Jahr. Für Hunde sieht es ähnlich aus. Die Angebote sind schwer zu vergleichen, da der eine diese, der andere jene Behandlung ausschließt, der eine die Gebühr nach Alter staffelt, der andere nach Vorerkrankungen. Viele erhöhen den Beitrag jedes Jahr um 5 Prozent oder verlangen eine hohe Selbstbeteiligung vom Besitzer. Oft wird auch nur der einfache oder zweifache Gebührensatz erstattet, obwohl Tierärzte im Notfall den zwei- bis vierfachen berechnen.

Aus diesen Gründen verzichten die meisten Besitzer von Hunden und Katzen auf eine Tierkrankenversicherung, und selbst bei Pferden wird meistens nur eine OP-Versicherung abgeschlossen.

Auch Birgit Oberg, die Leiterin des heimischen Tierheims, steht Tierversicherungen eher skeptisch gegenüber und vertritt die Meinung vieler Tierhalter: „Da lege ich lieber regelmäßig Geld zurück für mein Tier, damit ich künftige Behandlungen bezahlen kann.“

Neufassung der Gebührenordnung

Schon bald müssen Besitzer noch mehr Geld zurücklegen, denn der Bund hat am 11. Juli die Neufassung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) beschlossen. „Ein Inkrafttreten ist im Oktober geplant“, teilt die Tierärztekammer Westfalen-Lippe auf ihrer Homepage mit. Das wird die Behandlungskosten ordentlich in die Höhe treiben, ist aber auch nötig: Veterinäre werden schon lange nicht mehr angemessen honoriert, wie eine Studie belegt. Das Interesse, diesen anspruchsvollen Beruf zu ergreifen, sinkt rapide – wegen der Arbeitszeiten und der schlechten Bezahlung.

Jetzt noch schnell vorhersehbare Behandlungen machen lassen, wird sich so manch einer denken – oder vielleicht doch eine Krankenversicherung für das liebe Tier abschließen. Was wäre eigentlich, wenn zumindest die Halter der gängigsten Tiere – Hund, Katze, Pferd – verpflichtet würden, ihre Tiere zu versichern? Birgit Oberg sieht das skeptisch: „Wie soll man das kontrollieren? Jeder kann sich ein Tier anschaffen. Wenn eine Versicherung Pflicht wäre, dann müsste sie für jeden bezahlbar sein. Dann wäre ich dafür.“

Wenn alle Besitzer zahlen würden, könnten die Versicherungen dann nicht viel günstigere Tarife anbieten? Der Prokurist und Produktmanager der Uelzener Versicherung, Dr. Felix Garlipp, winkt ab: „Das würde nur dann passieren, wenn die sich alle bei uns versichern lassen würden. Dann könnte der Preis der einzelnen Police um etwa 15 Prozent sinken.“

Die Uelzener ist eine der großen Tierversicherungsanbieter in Deutschland, aber sie hat natürlich Mitbewerber: „Bei Pferden sind es vier bis fünf Anbieter bundesweit, bei Hunden und Katzen 15 bis 20“, schätzt er. „Deswegen würde der Preis der einzelnen Policen bei Versicherungspflicht nur um magere 2 bis 5 Prozent sinken“, glaubt Garlipp.

Der Prokurist stammt selbst aus einer Tierarzt-Familie und weiß, dass Veterinäre schon lange unterbezahlt sind und die neue Gebührenordnung überfällig war. „In Skandinavien ist der Tierarztbesuch viel teurer als bei uns. Dort sind fast 100 Prozent der Tiere versichert. Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Pferde sind hier zu 10 bis 15 Prozent krankenversichert und zu über 50 Prozent OP-versichert. Bei Hunden sind 20 bis 30 Prozent OP-versichert.“

Halter unterschätzen die Tierarztkosten

Felix Garlipp glaubt, dass auch bei uns der Anteil der Versicherten steigen wird, wenn die Kostensteigerung (voraussichtlich) im Oktober kommt. „Das muss jeder für sich entscheiden: Lohnt sich die Versicherung für mich oder nicht? Aus dem Bekanntenkreis weiß ich, dass viele sagen, sie legen lieber regelmäßig Geld auf die Seite, aber kaum einer tut es.“

Erschwingliche Tierversicherungen würde sich auch die Werler Tierärztin Heike Lindenstruth wünschen, „zumindest eine gute Minimalabsicherung. Viele Leute schaffen sich einfach ein Tier an und unterschätzen die Kosten. Ich konnte mir als Studentin noch nicht einmal eine Katze leisten.“

Schon jetzt sei so manch ein Herrchen oder Frauchen finanziell überfordert, wenn das Tier wirklich mal erkrankt. Dann werde so manche Behandlung oder Untersuchung abgelehnt. Jeder Tierarzt habe schon mal gehört: „Dann schläfern sie es ein.“

„Wir haben hier schon junge Tiere mit Knochenbruch adoptiert, deren Besitzer die Behandlung nicht bezahlen konnten. Das ist ein ganz heißes Thema“, sagt Heike Lindenstruth. Andere Besitzer gehen erst gar nicht oder viel zu spät zum Tierarzt und verursachen so unnützes Leid, oder sie setzen ihr krankes Tier einfach aus. Damit verstoßen sie zwar gegen das Tierschutzgesetz, aber wer soll das kontrollieren?

Ob sich daran etwas ändert, ist fraglich. Solange die Tierkrankenversicherungen verhältnismäßig teuer sind, werden gerade die Kleinverdiener unter den Tierbesitzern keine abschließen. Und die Tierärzte werden weiter Diskussionen führen müssen über die Höhe der Behandlungskosten.

Die Tierarztpraxen sind stark belastet - vor allem die Notdienst-Zeiten setzen den Ärzten zu. Nur wenige Praxen beteiligen sich am Notdienst, das soll sich ändern.

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